Ausstellung von Karen Pontoppidan
Eröffnung: Mi | 13.02.2019 | 19:00 Uhr
Datum: Do | 14.02.2019
So | 05.05.2019
Öffnungszeiten: Di - So | 11:00 - 18:00 Uhr
Ort: Museum Villa Stuck, | Prinzregentenstraße 60 | München
Karen Pontoppidan HOMEs  Anhänger 2008-10  Zinn, Farbe, Faden  Foto KP

 

Eröffnung Mi | 13.02. mit einem Künstlergespräch mit Karen Pontoppidan und Dr. Ellen Maurer-Zilioli, Kuratorin

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog

 

Mit der künstlerischen Position von Karen Pontoppidan (geb. 1968 in Kerteminde / DK) geht ein

fundamentaler Umbruch für die zeitgenössische Schmuckkunst einher. Vor dem Hintergrund aktueller

Erkenntnisse zur gesellschaftlichen Bedeutung von Identität und Geschlecht, wie etwa im Rahmen der

Gender Studies, von politischem und sozialem Auftrag der Kunst, postuliert Pontoppidan in Werk und

Lehre (2006 – 2015 als Professorin an der Konstfack Stockholm, seit 2015 als Professorin an der

Akademie der Bildenden Künste München) die Forderung nach einer Bewusstseinserweiterung ihrer

Disziplin, nach einer Demontage und innovativen Erneuerung ihrer Materie unter entsprechenden

Prämissen und gestalterischen Vorzeichen. Damit stellt die Künstlerin die Thematik in den Raum, wie

eine von Tradition und Gattungsgeschichte so stark konditionierte Fachrichtung auf unsere Epoche, auf

brisante Anliegen, auf existentielle Problematiken reagieren kann.

 

Sie selbst entwickelt in ihren Arbeiten eine vielfältige und auf den ersten Blick widersprüchlich

erscheinende Ästhetik. Daher bot sich der Ausstellungstitel „THE ONE WOMAN GROUP EXHIBITION “

an, da er Publikumserwartung, Künstlerbilder und Werkkonzeptionen, die uns seit dem Zeitalter des

bürgerlichen Idealismus begleiten, konterkariert und unterwandert.

 

Mit dieser Präsentation von ca. 150 Arbeiten aus den letzten zwanzig Jahren lässt die Künstlerin

erstmals eine breitere Öffentlichkeit Anteil nehmen an einem komplexen Diskurs und Einblick gewinnen

in die anspruchsvolle und kritische Wandlung des Schmuckgenres ihrer Generation.

 

Im Ablauf der Ausstellung spiegelt sich das Spiel der vorgetäuschten „Camouflage“ und Spaltung einer

einzigen Schöpferin der Objekte in zahlreiche Autorinnen wider. Jedem Kapitel ist daher eine Urheberin

„gefaked“ zu geteilt. Tatsächlich aber entfaltet sich vor unseren Augen ein konsequentes und in sich

letztlich logisches Oeuvre. Bereits während des Studiums bei Otto Künzli in München, dessen

Assistentin dann auch Pontoppidan wurde, beschäftigt sie sich mit abweisenden Empfindungen wie

Ekel und Hässlichkeit, die doch eigentlich für den Schmuck vollkommen verpönt sind. Das Ergebnis

allerdings erweist sich als frappierend, denn die bunten „BLUMEN&BOLLER“ – so diese Werkgruppe

betitelt – eignen sich durchaus für die körperliche Adaption. Daraufhin widmet sich Pontoppidan der

Konfrontation absurder, abwegiger Attribute, die sich via Gravur und Email in die Arbeiten einfügen.

 

Diesen folgen Werkgruppen von skulpturalem Charakter, die sich auf soziales Umfeld und individuelle

Kontexte beziehen. Das Unförmige als ästhetisches Element und als scharfsinniger Störfaktor verleiht

den Anhängern, dem Halsschmuck aus dem Zyklus „FAMILY PORTRAITS“ etwa, eine befremdliche

Erscheinung, die gleichwohl durch ihre poetische, ja fast melancholische Ausstrahlung eine

atmosphärische Wirkung erhalten, die den Bruch mildert und den „Absturz“ des konventionellen

Schmuckbildes abfedert. In jüngster Zeit analysiert Pontoppidan Beziehungen zwischen den gemeinhin

als „angewandte“ und „freie“ bezeichneten Künsten. Die Trilogie „CANVAS_CONTEXT_CASH“ aus

dem Zeitraum 2010-2014 kombiniert Verhaltensweisen und Zitate aus beiden Bereichen und mixt

ironisierend diese Instrumente im schmucktauglichen Objekt. Mit „KNELL – THE GENDER BELL“

(2016/2018) kommentiert die Autorin – in glockenartigen Gebilden als Anhänger – das Thema der

Stimme, ihres Raumes, ihrer Tragweite und Daseinsberechtigung. Das Innenleben dieser „Klangkörper“

verbirgt geheimnisvolle Klöppel in assoziationsreicher Gestalt oder Materie, welche dann den durchaus

dezenten Ton hervorbringen können. Dazu werden sich des Weiteren völlig neu geschaffene Zyklen

gesellen, die den Schmuckkorpus ergänzen, aber auch sprengen.

 

Pontoppidan hat sich über diese Jahre vollkommen vom klassischen Schmuckdogma befreit und

changiert – überlegt und stets mit der verinnerlichten gelernten Goldschmiedin ringend – frech und

provokant zwischen der experimentellen Demontage in konzeptuell geprägten Arbeitsserien, dem

Anspruch freier künstlerischer Geste und Gestaltfindung, ihrer intellektuellen Durchdringung und

ästhetischen Darstellung hin und her, ein „Spagat“ auf hohem Niveau und keineswegs harmlos.

 

Damit ist Schmuck erneut ins Kunstlager gewechselt, diesmal allerdings zusätzlich angereichert durch

Inhalte, die bislang in dieser Form so noch nicht aufgetreten sind und ihn – den Schmuck – in einen

übergeordneten gesellschaftlichen Wandel einbetten, welcher den künstlerischen Ausdrucksmedien

zunehmend eine offene und uneindeutige Montur verleiht ohne jedoch in unserem Fall das Vergnügen

am Schmuck vollkommen zu negieren.

 

Gerade in München mit seiner weltweit berühmten und mit der Welt verknüpften Schmuckszene, die

einmal jährlich in einen „Mega-Event“ mündet, der sich um die beteiligten Museumsausstellungen und

Galerien, um die Sonderschau Schmuck auf der IHM und anderen Aktivitäten herum ansiedelt, ist ein

solches „Statement“, wie es die Ausstellung von Karen Pontoppidan im Museum Villa Stuck bietet,

mehr als Verpflichtung. Hier ist die Avantgarde zu Hause und hier wird die Avantgarde in diesem Genre

stets weiterhin und fortwährend ihre Äußerungen vorstellen.