Wintersemester 2022/23

Prof. Dr. Maria Muhle, Mascha Salgado de Matos, M.A., Nisaar Ulama, M.A., Dr. Gürsoy Doğtaş (Lehrauftrag),  Gloria Hasnay, M.A. (Lehrauftrag), Sarah Lehnerer, M.A. (Lehrauftrag), Dipl. Phys. David Weber (Lehrauftrag)

Die Anmeldung zu den Lehrveranstaltungen erfolgt über das Studierendenportal. Hilfestellung zum Portal findet sich auf dieser Seite.

 

Kurzübersicht (Seminarbeschreibungen siehe unten)

 

Leere Sockel und belastete Denkmäler. Ein gemeinsames Seminar zu Fragen
künstlerischer Historiographien

(Kooperationsseminar für Studierende des Historischen Seminars der LMU und der Akademie der Bildenden Künste)

Prof. Dr. Maria Muhle / Dr. Mirjam Zadoff
(Freie Kunst FK-T2 und FK-T4; Kunstpädagogik E.02.09)
Zeit: Mittwoch, 13–15 Uhr, Beginn: 26.10.2022
Ort: NS-Dokumentationszentrum München (Max-Mannheimer-Platz 1)
Maximal 12 Teilnehmer*innen der AdBK
Teilnahme nur nach Anmeldung bis zum 10.10.2022 über das Studierendportal.

 

Grundlagen der Kunst- und Kulturgeschichte/Einführung in die Kunstgeschichte und Philosophie

Prof. Dr. Maria Muhle / Prof. Dr. Florian Matzner / Prof. Dr. Dietmar Rübel

(Freie Kunst FK-T1; Kunstpädagogik KP D.01.09)
Zeit: Mittwoch, 10-12 Uhr, Beginn: 26.10.2022
Raum: historische Aula (26.10.), ansonsten je nach Anmeldung E.EG.28, E.O1.23, E.02.29

 

Kolloquium Philosophie

Prof. Dr. Maria Muhle, Mascha Salgado de Matos, M.A., Nisaar Ulama, M.A.

Zeit: Donnerstag, 16-19 Uhr; Termine: 27.10., 24.11., 15.12., 19.01.

Raum: E.O1.23

Für Diplom- und Examenskandidat*innen und Studierende ab dem 6. Semester

Teilnahme nur nach Anmeldung unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

 

Forschungskolloquium (für Masterabsolvent*innen, Doktorand*innen und Post-Doktorand*innen)

Prof. Dr. Maria Muhle
Termine und Ort werden per E-Mail bekannt gegeben.

 

Freiheit ist Freiheit ist Freiheit ist Freiheit...
Zwischen Kunstfreiheit und Cancel Culture (Seminar)

Mascha Salgado de Matos, M.A.

(Freie Kunst FK-T2 und FK-T4; Kunstpädagogik E.02.09)
Zeit: Dienstag, 10-12 Uhr, Beginn: 25.10.2022
Raum: E.O2.29; abweichende Räume: 7.2. E.ZG.04

 

Neue Materialismen (Seminar)

Nisaar Ulama, M.A.

(Freie Kunst FK-T2 und FK-T4, Kunstpädagogik E.02.09)
Zeit: Donnerstag, 14-16 Uhr c.t., Beginn: 27.10.2022
Raum: E.O1.23

 

Inhaftierte Leben – Kunst im Zeitalter der Gefängnisse (Seminar)

Dr. Gürsoy Doğtaş

(Freie Kunst FK-T2 und FK-T4; Kunstpädagogik E.02.09)

Zeit: Dienstag, 12-14 Uhr, Beginn: 25.10.2022
Raum: E.O1.23

 

The Politics of Institution Making (Blockseminar)

Gloria Hasnay, M.A.
(Freie Kunst FK-T2 und FK-T4; Kunstpädagogik E.02.09)
Zeiten und Räume/Orte: 24.10., 14-20 Uhr (E.O1.23), 7.11., 13-19 Uhr (Kunstverein München), 25.11. 10-19 Uhr (E.O1.23), 26.11. 10-19 Uhr (10-13 Uhr E.O1.23, 13-19 Uhr Kunstverein München), 16.12. 10-19 Uhr (E.O1.23), 17.12. 10-19 Uhr (10-13 Uhr E.O1.23, 13-19 Uhr Kunstverein München), 9.1., 13-19 Uhr (Kunstverein München), 26.1. (Kunstverein München), 13.2. 14-20 Uhr (E.O1.23)

 

Artist’s writing. Schreiben als (künstlerische) Praxis (Seminar)

Sarah Lehnerer, M.A.

(Freie Kunst FK-T2 und FK-T4; Kunstpädagogik E.02.09)
Zeit: Freitag, 11-13 Uhr, Beginn: 21.10.2022 (Input & Schreibübungen per Zoom)
Sowie drei Blöcke in Präsenz (Workshop)
Termine: 28./29.10., 2./3.12., 27./28.1., Freitag 14-19 Uhr, Samstag 11-18 Uhr
Raum: E.O1.23 (Freitag), A.EG.01 (Samstag)

 

Cruel Euphoria: Affekt und Begehren in der Gegenwart (Blockseminar)

David Weber, Dipl. Phys.
(vorrangig Diplomkandidat*innen, Freie Kunst FK-T2 und FK-T4; Kunstpädagogik E.02.09 nach Absprache)
Zeit: 24.10., 31.10., 7.11. jeweils 10-18 Uhr
Raum: E.O2.29

 

Beschreibungen

 

Leere Sockel und belastete Denkmäler. Ein gemeinsames Seminar zu Fragen künstlerischer Historiographien (Seminar)

Prof. Dr. Maria Muhle / Dr. Mirjam Zadoff

 

Das Seminar untersucht die Frage des historiographischen Arbeitens im Spannungsfeld zwischen einem künstlerischen, konstruktivistischen, fiktionalisierenden, affektiven und einem dokumentarischen, distanzierten, authentischen und kritischen Zugang zum Schreiben von Geschichte. Dabei muss einerseits die Prämisse eines dualistischen Spannungsfelds (Dokument vs. Fiktion, Kritik vs. Affekt) selbst hinterfragt werden; andererseits und daran anschließend der Begriff der Historiographie dahingehend erweitert werden, dass er neben dem Schreiben (-graphie) von Geschichte auch deren performative Aufführung sowie weitere mediale Formen ihrer Darstellung umfasst. Vor dem Hintergrund von nationalen und internationalen Debatten der letzten Jahre um Deutungen der Geschichte, gerade und besonders rund um Denkmäler im öffentlichen Raum, spielt die Frage einer erweiterten künstlerischen Praxis eine zentrale Rolle. So wird geschichtliches Wissen besonders als eine Form des Umgangs mit fragmentarischen Wirklichkeiten denkbar, deren Anordnungen und Umordnungen das unabschließbare Hineinwirken der Vergangenheit in der Gegenwart unterstreicht.

 

 

Grundlagen der Kunst- und Kulturgeschichte/Einführung in die Kunstgeschichte und Philosophie (Seminar)

Prof. Dr. Maria Muhle / Prof. Dr. Florian Matzner / Prof. Dr. Dietmar Rübel

 

Die wöchentliche Veranstaltung zielt auf die Vermittlung von Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens, insbesondere in Kunstgeschichte und Philosophie. An exemplarischen Beispielen wird ein Überblick über die Geschichte der Kunst sowie die wichtigsten Methoden sowie Themenfelder der Kunstgeschichte und Philosophie geboten. Dazu werden ausgewählte Kunstwerke in Verbindung mit ausgewählten Texten (Primärquellen sowie Sekundärliteratur) gemeinsam diskutiert. Zudem besuchen wir die für die Geschichte und Theorie der Kunst wichtigen Museen und Bibliotheken. Der Bibliotheksbesuch dient auch der Einführung in die Literaturrecherche; zudem werden relevante Internetressourcen vorgestellt und Hinweise zum Erstellen von Referaten und Hausarbeiten gegeben.

 

Kolloquium Philosophie

Prof. Dr. Maria Muhle, Mascha Salgado de Matos, M.A., Nisaar Ulama, M.A.

 

Das „Kolloquium Philosophie“ eröffnet den fortgeschrittenen Studierenden aller Klassen die Möglichkeit, thematisch ungebunden ihre Arbeiten zu präsentieren und im Plenum mit den anderen Studierenden sowie den Lehrenden der Philosophie aus einer philosophischen, ästhetischen und kunsttheoretischen Perspektive zu diskutieren. Neben den Präsentationen der künstlerischen Arbeiten und der gemeinsamen Lektüre und Diskussion von Texten, die einen direkten Bezug zur Arbeit der Studierenden haben, spielt das Schreiben (über die eigene Praxis) eine zentrale Rolle. Das „Kolloquium Philosophie“ bietet konkret die Möglichkeit, die Schreibarbeit der Studierenden zu intensivieren und einen stärkeren Fokus auf das Verfassen von Essays sowie von Texten über die eigenen Arbeiten zu legen. Schreiben soll derart nicht als Mittel zum Leistungsnachweis verstanden werden, vielmehr soll die Funktion des Schreibens (und Lesens) in der eigenen künstlerischen Praxis reflektiert werden.

Das freie Format des Kolloquiums erlaubt es, die einzelnen Ansätze nicht in einen übergreifenden thematischen Rahmen einzuschließen, sondern die inhaltliche Ausrichtung ausgehend von der konkreten Arbeit der Studierenden vorzunehmen. Zugleich steht im Hintergrund der im Kolloquium geführten Diskussionen, der Text- und Schreibart immer auch der Versuch einer Bestimmung des Verhältnisses zwischen theoretischer und künstlerischer Praxis; ein Versuch, der für die Studierenden und Lehrenden einer Kunsthochschule gleichermaßen eine besondere Herausforderung darstellt.

Eine regelmäßige Teilnahme am „Kolloquium Philosophie“ ist erforderlich, damit ein möglichst kontinuierlicher Austausch in der Gruppe gewährleistet wird und das Kolloquium so zu einem experimentellen Ort der Präsentation und Diskussion und zum festen Bestandteil des Lehrstuhls für Philosophie werden kann.

 

Forschungskolloquium (für Masterabsolvent*innen, Doktorand*innen und Post-Doktorand*innen)

Prof. Dr. Maria Muhle

 

Das Forschungskolloquium bietet die Möglichkeit, laufende philosophische, ästhetische oder kunsttheoretische Qualifikationsarbeiten vorzustellen und zu diskutieren. Ausschließlich nach vorheriger Anmeldung unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

 

 

Freiheit ist Freiheit ist Freiheit ist Freiheit...

Zwischen Kunstfreiheit und Cancel Culture (Seminar)

Mascha Salgado de Matos, M.A.

 

Gertrude Steins Vers "A Rose is a rose is a rose is a rose" aus dem Gedicht "Sacred Emily" (1913) wird oftmals interpretiert als gleichbedeutend mit "die Dinge sind, was sie sind". Denn ob Freiheit eine eigene Existenz hat (Platons Ideenlehre) oder ob sie eine gedankliche Abstraktion (Nominalismus) ist, gehört zu einer der größten philosophischen und philosophiegeschichtlichen Fragen.

Die Verortung des Begriffs der Freiheit in dieser Satzkonstruktion verweist aber auch auf die assoziative Kraft des Wortes, das sich selbst bejaht (aber nichts anderes: es könnte ja auch heißen Freiheit ist kurze Hosen tragen/Nichts tragen/Däumchen drehen/Tomatensoße).

Entlang philosophischer, theoretischer Texte (Berlin, Marx, Arendt, Sartre, Mbembe u.a.) und künstlerischer Arbeiten sollen die unterschiedlichen Freiheitsbegriffe im Seminar besonders hinsichtlich der (aktuellen) Debatte um die Kunstfreiheit diskutiert werden.

 

Literatur zur Vorbereitung:

Hanno Rauterberg, Wie frei ist die Kunst? Der neue Kulturkampf und die Krise des Liberalismus, Suhrkamp 2019

Nicola Roßbach, Achtung Zensur! Über Meinungsfreiheit und ihre Grenzen, Ullstein 2018

 

 

Neue Materialismen (Seminar)

Nisaar Ulama, M.A.

 

Unter dem Schlagwort des „Neuen Materialismus“ findet sich ein Bündel von Denkrichtungen, die seit einigen Jahren an einer Neuausrichtung des Verhältnisses von Mensch und Natur arbeiten. Es handelt sich dabei allerdings mitnichten um eine klar definierte Schule, sondern um ein Themenfeld, welches aus sehr unterschiedlichen, teilweise sich widerstreitenden Perspektiven behandelt wird. Inwiefern das Etikett des Neuen gerechtfertigt ist, soll dabei eine erste Frage unseres Seminars sein. Denn wie Menschen über und mit den materiellen Grundlagen der Welt denken, sprechen und interagieren können, gehört zu einer der ältesten philosophischen Fragen überhaupt. Und schon Karl Marx sprach 1845 davon, es gebe einen alten (bürgerlichen) und einen neuen (historischen, menschlichen) Materialismus.

Jüngere Ansätze sind vor allem daran interessiert, eine Sprach- und Begriffszentriertheit des westlichen Denkens zu überwinden, welches immer nur auf ein menschliches Subjekt innerhalb einer Welt passiver Objekte zielt. Es würde so eine Dichotomie infrage gestellt, die zwischen den Begriffen „Mensch–Kultur–Subjekt“ einerseits und „Nicht-Menschlich–Natur–Objekt“ andererseits keine Vermittlungsinstanz kennt. Insofern – und diese Linie wollen wir im Seminar verfolgen – sind die Neuen Materialismen eng verbunden mit Überlegungen zu Posthumanismus und Anthropozän sowie Objekt-Orientierten-Ontologien.

Mag dies auch abstrakt klingen, so sind doch beträchtliche politische Hoffnungen damit verbunden, das Materielle und Nicht-menschliche in einen anderen, auch für nicht-westliche Konzepte offenen Kontext zu stellen. Das betrifft Feminismen ebenso wie Wissenschaftskritik und post-koloniale Fragen; und insbesondere das Zusammenspiel aus Technik und Umwelt angesichts des Klimawandels kann Beispiel dafür sein, dass die Frage nach den materiellen Grundlagen der Welt durchaus existenzielle Bedeutung haben kann.

 

Literatur zur Vorbereitung:

Katharina Hoppe, Thomas Lemke, Neue Materialismen zur Einführung, Hamburg 2021

Stacy Alaimo, Susan Hekman (Hg.), Material Feminisms, Bloomington 2008

Estelle Barrett, Barbara Bolt, Carnal Knowledge. Towards A 'New Materialism' Through The Arts, London / NY 2013

 

 

Inhaftierte Leben – Kunst im Zeitalter der Gefängnisse (Seminar)

Dr. Gürsoy Doğtaş

 

Das Ein- und Wegschließen von Menschen in Gefängnisse als gesellschaftspolitische Strategie beschäftigt und betrifft zahlreiche Künstler*innen. Aus einer globalen Perspektive will das Seminar exemplarisch Techniken der Haft und die Konstruktion der „Kriminellen“ erarbeiten. Einige der vorläufigen Abschnitte dieses Seminars gliedern sich wie folgt:

 

– Einen Schwerpunkt bilden inhaftierte Künstler*innen, wie beispielsweise die kurdische Künstlerin, Aktivistin und Journalistin Zehra Doğan, die wegen ihrer Malerei für Presse- und Meinungsfreiheit inhaftiert wurde und unter den Bedingungen der Haft ihre künstlerische Arbeit fortsetzte.

– Ein anderer Schwerpunkt blickt auf Künstler wie Lawrence Abu Hamdan, der im Auftrag der Non-Profit-Organisation für Menschenrechte „Amnesty International“ anhand der akustischen Erinnerungen der Inhaftierten das syrische Foltergefängnis Saydnaya rekonstruierte. In diesem Zusammenhang gilt es die Entstehungszusammenhänge des 1961 gegründeten Amnesty International und die Internationalisierung des Anliegens für Menschenrechtsaktivismus zu verstehen.

– Weitere Abschnitte folgen Künstler*innen wie Rossella Biscotti, die die Entwicklung des modernen Gefängnisses nachzeichnen. Das 1793 auf einer kleinen Insel im Mittelmeer errichtete Santo Stefano ist ein solches Gefängnis. Seine panoptische Struktur, die sich am Opernhaus San Carlo in Neapel orientierte, observierte, disziplinierte und bestrafte, die hier zu lebenslanger Haft Verurteilten. Bis zu seiner Schließung 1965 sperrte der italienische Staat hier u.a. Anarchisten und Kommunisten weg.

– Das System Gefängnis zwingt die Insassen zur Arbeit. Im Hochsicherheitsgefängnis in Dutchess County (Bundesstaat New York) erstellen die Inhaftierten jene Bänke – wie der Künstler Cameron Rowland in seiner Ausstellung „91020000“ im Artists‘ Space (New York) vor einigen Jahren zeigte – die in Gerichtssälen des ganzen Bundesstaats verwendet werden. Rowland legt dar, wie die Gefängnisarbeit in den USA die Sklaverei fortsetzt.

 

Die Lektüre von Texten zu Gefängnisaktivismus und Theorien zu Gefängnissen vertiefen die jeweiligen Kontexte der künstlerischen Arbeiten.

 

The Politics of Institution Making (Blockseminar)

Gloria Hasnay, M.A.

 

Das Seminar The Politics of Institution Making widmet sich beispielhaft den Ausstellungs- und anderen Tätigkeiten des Kunstverein München, um davon ausgehend verschiedene räumliche wie ideologische Strategien zu untersuchen, die solchen Institutionen eingeschrieben sind. In diesem Zusammenhang schauen wir uns auch alternative Modelle als Orte kollektiver Selbstorganisation an.

Wenn Kunst und Architektur sich gegenseitig durchdringen, was können wir dann aus den Resonanzen zwischen ausgestellten Werken, ihrer architektonischen Umgebung und dem erweiterten sozio-politischen Kontext des jeweiligen Ortes lernen? Gemeinsam untersuchen wir die sich verändernden räumlichen Parameter der Präsentation von Kunst und gehen der Frage nach, wie diese unsere Erfahrungen sowie Diskurse prägen. „Display“ wird dabei hinsichtlich seiner Rolle bei der Formatierung von ästhetischer Wahrnehmung untersucht und tritt so als Koproduzent von künstlerischer sowie gesellschaftlicher Bedeutung hervor.

 

Das Seminar findet sowohl an der Akademie der Bildenden Künste als auch im Kunstverein München statt. Einzelgespräche sind nach Vereinbarung möglich.

Sprache: Deutsch und/oder Englisch

 

 

Artist’s writing. Schreiben als (künstlerische) Praxis (Seminar)

Sarah Lehnerer, M.A.

 

Es hat noch viel mehr Dinge gegeben und ein viel und mehr an Dingen,

die zu ordnen und aufzuzählen und in der Handschrift abzuschreiben waren.

Jutta Koether. f.

 

In diesem Seminar werden wir uns dem Schreiben als (künstlerische) Praxis auf verschiedenen Ebenen annähern. Dabei werden wir uns einerseits über gemeinsame Schreibübungen den Anfängen eines eigenen Schreibens widmen, Blockaden lösen und Verunsicherungen inte-grieren. In einem zweiten Schritt werden wir uns auch die Frage stellen: In welchem Verhältnis steht das eigene Schreiben zur künstlerischen Praxis? Schreibe ich, wie ich zeichne? Oder male und schreibe ich, wie ich denke? Schreibst du, wie du sprichst oder wie du liest oder wie du träumst? Oder wird das Schreiben gebraucht, um einen intimen Prozess in allgemein verständliche Worte zu fassen?

 

Schreiben als künstlerische Praxis hat eine lange Geschichte. In den Lektüre-Einheiten des Seminars werden wir uns mit dieser befassen und dabei besonders den aktuellen Trend zur Selbst-Erzählung und die Möglichkeiten des Autofiktionalen in künstlerischen Texten untersuchen. Denn die darin stattfindende Reflexion der eigenen Persona dient selten nur der reinen Bekenntnis oder Innenschau, sondern stellt zumeist auch Bezüge, Kontext und Beziehungen zu einem erweiterten Schaffensfeld her. Dieser selbstgesteckte Rahmen gibt dann wiederum Einblick in den geflechtartigen Kontext, die relationalen Bedingungen und persönlichen Prozesse, unter denen Kunst entsteht. Oder, wie Anna Lowenhaupt Tsing schreibt: Unter dem Waldboden erstrecken sich Netze und Stränge von Pilzstrukturen, die Wurzeln und Mineralböden miteinander verbinden, lange bevor sie Pilzkörper ausbilden. Bücher gehen aus ähnlich verborgenen Geflechten der Zusammenarbeit hervor.

 

In den Lektüre-Einheiten werden wir Texte lesen u.A. von Jutta Koether, Bernadette Corporation, Rin Johnson, Hannah Black, Eva Hesse, C.A. Conrad, Tracy Emin, Chris Kraus, Maggie Nelson, Paul Preciado, Miriam Kahn, Ann Truitt, Keren Cytter, Moira Davey, Juliette Blightman, Pati Hill, Fred Moten, Johanna Hedva…

 

 

Cruel Euphoria: Affekt und Begehren in der Gegenwart (Blockseminar)

Dipl. Phys. David Weber

 

„now you begin to see the problem with desire:

we rarely want the things we should“

Andrea Long Chu, „On Liking Women

 

Es gibt noch immer einen Optimismus des Ausdrucks und der Emanzipation: Als Träger*in von (liberalen) Rechten habe ich den Anspruch, mich als freie Person zu verwirklichen im Verfolgen meiner Ideen, Wünsche und Begehren. Die Umsetzung dieses liberalen Traums in kreativer Praxis, auf dem kapitalistischen Markt, im sozialen Miteinander stößt seit jeher auf Schwierigkeiten. Etwa infolge der, zumal feministischen, Einsicht, dass das Spielfeld gesellschaftlicher Praxis nicht eben ist, sondern intersektional gekerbt entlang von race, class, gender (selbst problematische Begriffe). Schlimmer noch: Wünsche und Begehren sind selbst nicht einfach Besitzstand und Ausdruck individueller Personen, sondern erweisen sich als bereits zuvor extern formatiert: „MUCH WAS DECIDED BEFORE YOU WERE BORN“ (Jenny Holzer auf Twitter). Warum will ich also, was ich will? In den Sex Wars seit den späten 70ern bis zu #metoo konterkariert in feministischen Kontexten die Kritik an falschen (z. B. patriarchalen) Rollenbildern die emanzipativen Versprechen euphorischen Lusterlebens: „Is the Women’s Movement Pro-Sex?“, fragt Ellen Willis 1981. 2014 tötet der selbsterklärte incel (involuntary celibate) Elliot Rodger mehrere junge Frauen im Glauben, dass sie ihm sein Recht auf Sex verweigerten. Die (queere? schwule?) Dating-Plattform Grindr analysiert 2018 in einer YouTube-Serie den Umstand, dass Begehrens-Präferenzen zum Schauplatz von Diskriminierung werden. Transgender-Frauen wird in Teilen des Feminismus unter dem Vorwurf des nicht authentischen, weil nur frei gewählten Verlangens nach weiblichem Erleben begegnet. Sind also „personal preferences – NO DICKS, NO FEMS, NO FATS, NO BLACKS, NO ARABS, NO RICE NO SPICE, MASC-FOR-MASC – never just personal“ (Amia Srinivasan)? Das Seminar diskutiert diese Fragen entlang der Lektüre prominenter rezenter feministischer Texte (Lauren Berlant, Andrea Long Chu, Amia Srinivasan). Im Mash-up der Titel von Berlants Buch „Cruel Optimism“ (Duke 2011) und der US TV-Serie „Euphoria“ (HBO 2019-) wird der zentrale Konflikt markiert: Noch die größten Intensitäten erfüllten Lebens ziehen, in grausamer Weise, die Formate nach, die wir vielleicht gewählt und gewünscht haben, die wir aber, anders, zu verlassen suchen. Leave Society (Tao Lin)?

 

 

Leistungsnachweise für alle Veranstaltungen der Philosophie:

  • Für Modul Kunstpädagogik E.01.09 und Freie Kunst FK-T2 regelmäßige Teilnahme (mind. 80 % Anwesenheit), Anfertigung eines Reaktionspapiers oder Essays (3 bis 5 Seiten)
  • für Modul Kunstpädagogik E.02.09 und Freie Kunst FK-T4 regelmäßige Teilnahme (mind. 80 % Anwesenheit), Anfertigung einer Hausarbeit (mind. 10 Seiten).

 

 

 

Sommersemester 2022

 

Lehrstuhl für Philosophie / Ästhetische Theorie

Prof. Dr. Maria Muhle, Anne Gräfe M.A., Dipl. Phys. David Weber (Lehrauftrag), Dr. Hanna Sohns (Lehrauftrag), Dr. Gürsoy Doğtaş (Lehrauftrag), Dr. Aljoscha Weskott (Lehrauftrag), Monika Rinck (Workshop)

 

Juniorprofessur für Medien- und Kunsttheorie 

Prof. Dr. Marietta Kesting

 

 

Kurzübersicht (für die Seminarbeschreibungen siehe unten):

 

 

Gewalt und Gegen-Gewalt (Blockseminar)

Prof. Dr. Maria Muhle

(Freie Kunst FK-T2 und FK-T4; Kunstpädagogik E.02.09)

Termine: 26.04., 10-12 Uhr (Einführung); 09./10.5., 10-15 Uhr; 11.05., 14.30-18.30 Uhr und 23./24./25.05.; 10-15 Uhr

Raum: E.O2.29

 

Biopolitik, algorithmische Gouvernementalität, Sorgepolitik (Vorlesung Einführung in die Ästhetik)

Prof. Dr. Maria Muhle

(Freie Kunst FK-T2 und FK-T4; Kunstpädagogik E.01.09)

Zeit: Freitag 10-12 Uhr; Beginn: 29.04.

Raum: E.O1.23; abweichende Räume: 13.05. (Auditorium)

 

Forschungskolloquium (für Masterabsolvent*innen, Doktorand*innen und Post-Doktorand*innen)

Prof. Dr. Maria Muhle

Zeit: Mittwoch, 10-14 Uhr

Termine werden per Mail bekannt gegeben

 

Sorge(n) (Seminar)

Anne Gräfe M.A.

(Freie Kunst FK-T2 und FK-T4; Kunstpädagogik E.02.09)

Zeit: Mittwoch, 14.30-16 Uhr; Beginn: 27.04.,

Raum: E. O2.29; abweichende Räume: 08.06; 15.06.: E.01.23, 06.07.: Auditorium

 

Subjekt und Differenz (Seminar)

Anne Gräfe M.A.

(Freie Kunst FK-T2 und FK-T4, Kunstpädagogik E.02.09)

Zeit: Donnerstag, 15-17 Uhr, Beginn: 28.04.

Raum: E. O1.23; abweichende Räume: 28.04. (E.O2.29), 23.06. (E.ZG.04)

 

Autopoietisches Schreiben (Seminar)

Anne Gräfe M.A.

(Freie Kunst FK-T2 und FK-T4; Kunstpädagogik E.02.09)

Zeit: Freitag, 10-14 Uhr, Beginn: 29.04. (Auditorium,), 06.5. (ONLINE), 13.05., 20.05., 03.06., 10.06. (ONLINE), 01.07. (ONLINE), 15.07. (Abschluss im Garten)

08.07. / 09.07.: Workshop mit M. Rinck

Raum: in der Typowerkstatt E. ZG 12-13

 

Cruel Euphoria: Affekt und Begehren in der Gegenwart (Blockseminar)

David Weber Dipl. Phys.

(vorrangig Diplomkandidat*innen, Freie Kunst FK-T2 und FK-T4; Kunstpädagogik E.02.09 nach Absprache)

Zeit: 20.06., 27.06., 04.07. jeweils 10-18 Uhr

Raum: E.O1.23

 

Der Schauplatz der Hysterie (Seminar)

(Freie Kunst FK-T2 und FK-T4; Kunstpädagogik E.02.09)

Dr. Hanna Sohns

Zeit: Dienstag 12-16 Uhr (2-wöchentlich); Beginn: 26.04.

Raum: A.EG.01: 26.04., 03.05., 24.05., 31.05., 21.06., 05.07. (16-20 Uhr); E.02.29: 17.05.

 

James Baldwins Gefängnisaktivismus (Seminar)

Dr. Gürsoy Doğtaş

(Freie Kunst FK-T2 und FK-T4; Kunstpädagogik E.02.09)

Zeit: Montag, 17-20 Uhr; Beginn: 2.5.

Raum: A. EG.01

 

Umkämpfte Techno-Ökologien. Intersektionale Gender-Perspektiven auf Digitalisierung (Blockseminar)

Dr. Aljoscha Weskott

(Freie Kunst FK-T2 und FK-T4; Kunstpädagogik E.02.09)

Zeiten und Räume: 09.05, 14-18 Uhr, 27./28.05., 11-19 Uhr (Online); 02.06., 11-19 Uhr  (Auditorium E.EG 28); 03.6., 12-19 Uhr (Historische Aula); 04.06., 11-19 Uhr (A.EG.01)

 

Strategien der Erinnerung: Feminismen im Kunstfeld vor dem Hintergrund post-kolonialer Strukturen und des „Nationbuilding“ Portugals seit 1974 bis heute (Seminar)

Mascha Salgado de Matos, M.A.

(Lehrauftrag der Frauenbeauftragten; Freie Kunst FK-T2 und FK-T4; Kunstpädagogik E.02.09)

Zeit: Mittwoch 10-12 Uhr, außer 11.05., 08.06., 15.06., 12.30-14 Uhr

Raum: E. 02.29, abweichende Räume bitte im CAS beachten!

   

Connective Aesthetics, Imagination and Transformation: Envisioning An Art Based Society (Workshop)

Isabel Añino Granados M.A.

Zeiten und Räume: 12.05., 10-15 Uhr (E.01.23), 19.05., 10-15 Uhr (A.EG.01), 02.06., 10-15 Uhr (A.EG.01)

 

Schlaf und Traum als dynamisches Paradigma in Technologie, Medien und Kunst (Vorlesung)

Prof. Dr. Marietta Kesting

(Freie Kunst FK-T4; Kunstpädagogik C.01.09)

Zeit: Mittwoch, 14.30-18.30 (2-wöchentlich), Beginn 27. 4., weitere Termine: 25.5., 22.6., 6.7.  

Raum: A.EG.01 (Sitzungssaal, Altbau), [abweichende Orte an folgenden Terminen: 11.5. Auditorium, Neubau E.EG.28, am 8.6. Kolosssaal Altbau, am 20. 7. Einzelbesprechungen im E.ZG.04]

 

 

 

Beschreibungen:

 

Gewalt und Gegen-Gewalt (Blockseminar)

Prof. Dr. Maria Muhle

Das Blockseminar zeichnet eine philosophische Genealogie des Gewaltbegriffs nach, ausgehend von den Schriften Georges Sorels, über die Kritik der Gewalt von Walter Benjamin, Pierre Clastres Archäologie der Gewalt, Hannah Arendts Gegensatz von Macht und Gewalt bis hin zu dekolonialen Gewaltbegriffen (Frantz Fanon, Frank. B. Wilderson) und feministischen Positionierungen (Elsa Dorlin, Amia Srinivasan). Im Zentrum steht dabei nicht nur die Frage nach historischen und zeitgenössischen Bildern von Gewalt, sondern auch die strategischen Einsatzformen von Gewalt und Gegen-Gewalt.

 

 

Biopolitik, algorithmische Gouvernementalität, Sorgepolitik (Vorlesung Einführung in die Ästhetik)

Prof. Dr. Maria Muhle

Unter pandemischen Bedingungen rückt ein Begriff neuerlich ins Zentrum, den Michel Foucault Mitte der 1970er Jahre geprägt hat: Der Begriff der Biopolitik als eine Form von Politik, die das Leben vollkommen durchdringt und sich von disziplinären und souveränen Politikformen dadurch unterscheidet, dass biopolitische Regierungsformen „das Leben der Bevölkerung“ nicht eingrenzen oder unterwerfen, sondern unterstützend ausformen, d.h. Gesundheit und Wohlstand fördern und die Bevölkerung so als quasi-biologisches Ganzes regulierbar machen. Biopolitik ist folglich kein Ende der Macht, sondern vielmehr eine andere, pragmatischere Gouvernementalität. Gleichwohl gibt es immer wieder Lesarten, die Biopolitik als positive Seite der Macht verstehen und sie vor dem Hintergrund einer Ästhetik der Existenz als fürsorglichen Bezug auf das Leben lesen, der diesem eine ästhetische Form gibt. Daran anschließend ist oftmals die Rede von einer Politik der Sorge, die ausschließlich als fürsorgliche, positive, „pastorale“ Politik verstanden wird, sodass ihre machtpolitischen, regulierenden und abrichtenden Elemente verdeckt werden. Weiterhin werden biopolitische Einsätze auch vor dem Hintergrund der Digitalisierung aller Lebensbereiche relevant, wie dies zuletzt der Begriff der „algorithmischen Gouvernementalität“ (Rouvroy) auf den Punkt gebracht hat – denn die Regierung und Regulierung einer zeitgenössischen Bevölkerung ist untrennbar verbunden mit der algorithmischen Durchdringung ihrer Datenansammlungen („big data“). Die Vorlesung präsentiert zentrale Positionen der Debatte um Biopolitik, algorithmische/digitale Gouvernementalität, Sorge- und Gesundheitspolitik, und fragt nach deren aktuellen politischen, ästhetischen und künstlerischen Konsequenzen.     

Ein gemeinsamer Workshop mit dem Seminar „Sorge(n)“ von Anne Gräfe ist geplant sowie thematische Gastvorträge von Wissenschaftler*innen und Künstler*innen.

 

 

Forschungskolloquium (für Masterabsolvent*innen, Doktorand*innen und Post-Doktorand*innen)

Prof. Dr. Maria Muhle

Das Forschungskolloquium bietet die Möglichkeit, laufende philosophische, ästhetische oder kunsttheoretische Qualifikationsarbeiten vorzustellen und zu diskutieren. Ausschließlich nach vorheriger Anmeldung unter: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

 

Sorge(n) (Seminar)

Anne Gräfe M.A.

„Die einfache ‚Sorge‘ ist aller Dinge Anfang.“ Albert Camus

Die Ereignisse der vergangenen Monate und Jahre erinnern uns an die Verletzlichkeit des menschlichen Daseins. Zu existieren bedeutet stets einer kontingenten Wirklichkeit und darin den Widrigkeiten des Lebens ausgesetzt zu sein. Aus dieser Perspektive wird die Zeitlichkeit des Daseins deutlich und mit ihr die Interdependenzen der intersubjektiven Relationen der ‚Sorge‘. Mit dem Begriff der Sorge verbinden sich mindestens zwei, wenn nicht drei Bedeutungen: Zum einen ängstliche Befürchtungen und Kummer im Sinn des ‚sich um jemanden oder etwas sorgen‘. Zum anderen als ‚sorgen für‘, mithin als Verantwortung für sich und andere, also als Selbstsorge, Fürsorge und Selbstfürsorge. Daraus entspringt eine weitere, durchaus mit den anderen Begriffen sich überschneidende, Bedeutung des Begriffs der Sorge, als zukunftsorientiertes Handeln im Sinne der Vorsorge. Diese divergenten Bedeutungen des Begriffs der Sorge sind seit den demokratietheoretischen Diskursen der Antike wichtig für die moral- und sozialphilosophischen Debatten der jeweiligen Gegenwart, dabei oftmals mit Blick auf das (sich) sorgende Individuum reduziert. Besonders die feministischen Debatten haben den Blick auf die relationale Dimension der Sorge gelenkt und verweisen auf die Interdependenz zwischen Sorge, Solidarität und Pluralität.

Im Seminar betrachten wir die ambivalente Struktur des Sorgebegriffs in Philosophie, Ethik und politischer Theorie sowohl über die Lektüre einschlägiger Texte als auch mithilfe verschiedener künstlerischer Arbeiten, um zu verstehen, wie Selbstsorge, Fürsorge und Vorsorge mit Kummer und Solidarität zusammenhängen und welche Implikationen sich daraus für die Sphäre des Politischen ergeben.

Ein Workshop mit Vera Mader, Ruhr-Universität Bochum, findet in Kooperation mit der Ringvorlesungsreihe der Frauenbeauftragten sowie der Vorlesung „Biopolitik, algorithmische Gouvernementalität, Sorgepolitik“ und dem Seminar "Gewalt und Gegen-Gewalt" von Maria Muhle am 11.05. statt.

 

 

Subjekt und Differenz (Seminar)

Anne Gräfe M.A.

 Die Entwicklung des Selbst ist abhängig von der Vorstellung, die wir uns von diesem Selbst machen, vom Selbstbewusstsein. Der Vorstellung dieses Selbst geht oftmals die Idee eines wesentlichen, authentischen Kerns einher, der sich von einem, einer oder etwas Anderem unterscheidet. In dieser Unterscheidung bestünde vermeintlich das Sein dieses Selbst. Die Ambivalenz dieser Entwicklung besteht darin, dass mit fortschreitender Entwicklung die inneren Ambivalenzen und äußeren Abhängigkeiten deutlicher werden. In einem solchen Kontext ist Differenz gerade nicht Marker von Identität, sondern gerade das, was die eigentliche Idee der Identität untergräbt, indem sie bis ins Unendliche unterscheidet. Das Seminar untersucht den Zusammenhang von Subjekt und Differenz in postkolonial-feministischer Perspektive und übt sich im Aufdecken der Ununterscheidbarmachung von Unterschieden, im Widerstand gegen jene Vorstellung von Unterschied, wie er gehegt wird, um Konflikte zu legitimieren, als Werkzeug der Segregation.

Über Texte und Arbeiten u.a. von oder über Trinh T. Minh-ha, Sylvia Winter, Sarah Ahmed und Audre Lorde, aber auch Michel Foucault, Judith Butler und Donna Harraway nähern wir uns dem Potential, Subjekt und Differenz nicht als einander konturierend sondern einander erweiternd zu verstehen und in einer polyphonen Ästhetik (im Sinne von Bempeza, Brunner, Hausladen, Kleesattel und Sonderegger)  zusammen zu denken.

 

 

Autopoietisches Schreiben (Seminar)

Anne Gräfe M.A.

In Literatur, Feuilleton, Blogs und Artist Statements als auch innerhalb der Wissenschaftsliteratur finden sich zunehmend Textformen, die ihre eigene Verfasstheit als auch die ihrer Autor_innenschaft thematisieren. Hierbei verschmelzen Erinnerungen mit Theorie und Philosophie und kreieren einen eigenen Topos, der innerhalb der zeitgenössischen künstlerischen Praxis oft genug dem feministischen Schreiben, der Kunst und dem Aktivismus verpflichtet ist. In dieser Autotheorie (Fournier) offenbart sich die Schwäche einer aufrechterhaltenen Trennung zwischen Kunst und Leben, Theorie und Praxis, Arbeit und dem privaten Selbst. Autotheorie erscheint als reflexive Bewegung, die das Denken, künstlerische Arbeiten, Leben und Theoretisieren miteinander verbindet. Inwiefern kann autopoietisches Schreiben als Kritik fungieren? Wie funktioniert die Praktik des Zitierens in autotheoretischen Arbeiten? Welche Ästhetik aber auch Ethik steht hinter dieser Praxis der Selbst-Offenlegung und Enthüllung?

Das Seminar findet wöchentlich, zum Schluß zweiwöchentlich statt und ist in sich zweigeteilt: Im ersten Abschnitt der jeweiligen Seminarsitzung untersuchen wir Texte und künstlerische Arbeiten von Schriftsteller_innen, Wissenschaftler_innen und Künstler_innen wie Chris Kraus, Annie Ernaux, Monika Rinck, Maggie Nelson, Éduard Louis, Siri Hustvedt, Didier Eribon und Sylvia Winter und betrachten die Politik, Ästhetik und Ethik der Autotheorie. Im zweiten Teil der Sitzung widmen wir uns den autopoietischen Textproduktionen der Studierenden selbst.

Wenn gewünscht, je nach Eigeninitiative der Studierenden, können wir gerne eine eigene kleine Publikation zum Seminar erarbeiten, in der jede_r Studierende des Seminars einen autopoietischen Text beitragen kann.

 

Im Rahmen des Seminars werden Sarah Lehnerer (20.05.), Isabel Mehl (23.06.) und Monika Rinck (07.07.) Vorträge zum Thema halten, mehr Informationen unter Veranstaltungen Philosophie. Am 08./09. Juli wird es einen Workshop mit Monika Rinck geben: *"Hab ich Dir von dem Zufall erzählt?"* zu dem sich bei offenen Plätzen auch weitere Studierende anmelden können.
 

 

Cruel Euphoria: Affekt und Begehren in der Gegenwart (Blockseminar)

David Weber Dipl. Phys.

„now you begin to see the problem with desire: we rarely want the things we should“ —Andrea Long Chu, "On Liking Women"

Es gibt noch immer einen Optimismus des Ausdrucks und der Emanzipation: Als Träger*in von (liberalen) Rechten habe ich den Anspruch, mich als freie Person zu verwirklichen im Verfolgen meiner Ideen, Wünsche und Begehren. Die Umsetzung dieses liberalen Traums in kreativer Praxis, auf dem kapitalistischen Markt, im sozialen Miteinander stößt seit jeher auf Schwierigkeiten. Etwa infolge der, zumal feministischen, Einsicht, dass das Spielfeld gesellschaftlicher Praxis nicht eben ist, sondern intersektional gekerbt entlang von race, class, gender (selbst problematische Begriffe). Schlimmer noch: Wünsche und Begehren sind selbst nicht einfach Besitzstand und Ausdruck individueller Wesen, sondern erweisen sich als bereits zuvor extern formatiert: „MUCH WAS DECIDED BEFORE YOU WERE BORN“ (Jenny Holzer auf Twitter). Warum will ich also, was ich will? In den Sex Wars seit den späten 70ern bis zu #metoo konterkariert in feministischen Kontexten die Kritik an falschen (z. B. patriarchalen) Rollenbildern die emanzipativen Versprechen euphorischen Lusterlebens: "Is the Women’s Movement Pro-Sex?", fragt Ellen Wilis 1981. 2014 tötet der selbsterklärte incel (involuntary celibate) Elliot Rodger mehrere junge Frauen im Glauben, dass sie ihm sein Recht auf Sex verweigerten. Die (queere? schwule?) Dating-Plattform Grindr analysiert 2018 in einer YouTube-Serie den Umstand, dass Begehrens-Präferenzen zum Schauplatz von Diskriminierung werden. Transgender-Frauen wird in Teilen des Feminismus unter dem Vorbehalt des nicht authentischen, weil nur frei gewählten Verlangens nach weiblichem Erleben begegnet. Sind also „personal preferences – NO DICKS, NO FEMS, NO FATS, NO BLACKS, NO ARABS, NO RICE NO SPICE, MASC-FOR-MASC – never just personal“ (Amia Srinivasan)? Das Seminar diskutiert diese Fragen entlang der Lektüre prominenter rezenter feministischer Texte (Lauren Berlant, Andrea Long Chu, Amia Srinivasan). Im Mash-up der Titel von Berlants Buch „Cruel Optimism“ und der US TV-Serie „Euphoria“ wird der zentrale Konflikt markiert: Noch die größten Intensitäten des Glückserlebens ziehen die Formate nach, die wir vielleicht gewählt und gewünscht haben, die wir aber, anders, zu verlassen suchen. Leaving Society (Tao Lin)?

 

 

Der Schauplatz der Hysterie (Seminar)

Dr. Hanna Sohns

Das rätselhafte Erscheinungsbild der Hysterie wird vor allem im 19. Jahrhundert zu einem in vielerlei Hinsicht zentralen Schauplatz der Moderne. In den Dokumentationen und Inszenierungen des hysterischen Anfalls zeigt sich die Hysterie als Schauspiel mit verschiedenen Akten, wiederkehrenden Phasen und inventarisierten Bewegungs-Figuren. Die Befragung und ‚Hervorbringung‘ (Didi-Huberman) dieses Schauspiels wird nicht nur zu einer der Gründungssteine der Psychoanalyse und ihrer Entdeckung des Unbewussten (Freud). Sie ist auch für die literarische und künstlerische Moderne von immenser Bedeutung.

Das Seminar widmet sich anhand von medizinhistorischen Auszügen, photographischen Dokumenten sowie besonders auch psychoanalytischen Texten diesem spannenden Kapitel der Moderne und sucht diese Texte in Beziehung zur literarischen und künstlerischen Tradition zu stellen. Im Zentrum werden u.a. Texte und Arbeiten von Freud, Didi-Huberman, Cixous, Irigaray, Sherman stehen. Dabei wird es auch um eine Annäherung an das Verhältnis von Psychoanalyse und Kunst gehen sowie um eine Auseinandersetzung mit der Theorie und Konstitution von Geschlechterverhältnissen. Mit dem Diskurs der Hysterie geht es immer auch um die Repräsentation und Inszenierung von Geschlecht. Die hysterische Szene führt Geschlechterverhältnisse nicht nur vor, sondern lässt sich etwa mit feministischen Theorien auch in ihren Widerständen gegen gängige Geschlechterrollen verstehen.

 

 

James Baldwins Gefängnisaktivismus (Seminar)

Dr. Gürsoy Doğtaş

Am 23.12.1969 inszenierte James Baldwin in Istanbul das viel beachtete Theaterstück „Düşenin Dostu“ („Fortune and Men’s Eyes“ von John Herbert). Die gesamte Handlung spielt sich in einer Gefängniszelle ab. In dem Stück bündeln sich mehrere sozio-politische Anliegen von Baldwin. Etwa das rassistische Justizsystem der USA, welches die Aktivist:innen der Bürgerrechtsbewegung wie auch insgesamt die Schwarze Bevölkerung kriminalisiert und inhaftiert. Die FBI Ermittlungen gegen ihn verfolgen ein ähnliches Ziel. Aber Baldwin geht mit seiner Kritik weiter und nimmt die gewaltsamen Strukturen des Patriarchats als solches ins Visier. Selbst die Beschädigten dieser Strukturen – so „Fortune and Men’s Eyes“– setzten diese fort. Hier setzt Baldwins Diskurs um Queerness und homosoziale Intimität an. Auch wenn Menschen durch ihre Inhaftierung aus der Öffentlichkeit entfernt werden und ihre Stimme unhörbar wird, begreift Baldwin das Gefängnis als einen heterotopen Ort mit dem Potential einer minoritär-subversiven Gegenöffentlichkeit.

Von diesem Theaterstück ausgehend blickt das Seminar auf das politische Engagement Baldwins für Inhaftierte wie Angela Davis, Tony Maynard oder Yaşar Kemal und damit auf seinen Aktivismus, welcher sich zwischen 1968 und 1972 neben den USA auf Länder wie Deutschland, Frankreich als auch die Türkei erstreckt. Abschließend untersuchen wir die Frage, ob und wie sich „Fortune and Men’s Eyes“ wiederaufführen lässt.

 

 

Umkämpfte Techno-Ökologien. Intersektionale Gender-Perspektiven auf Digitalisierung (Blockseminar)

Dr. Aljoscha Weskott

Wir befassen uns mit aktuellen, teils konfligierenden Gender-Beiträgen zu Digitalisierung: Aneignungsfeminismen wie der Glitchfeminismus, die feministischen eBlack-Studies oder techno-feministische Disability Studies, negieren dabei jedoch keinesfalls weiße Digitalvormacht, Sexismus, Abelismus und Doxing. Dennoch sehen diese Beiträge im Digitalen auch Möglichkeiten, um neue digital vermittelte Geschlechter und Körper zu produzieren, um sich als Black Digital Flaneuse durch Onlinewelten oder sich als iCrip – als behinderter Mensch in einem Smart House oder mittels eines bionischen Beines – zu bewegen. Digitale Räume sind für sie affektive Transformationsräume bis hin zu Überlebensräumen (z.B. Dean; Ng; Hester; Reeve; Russel; Wade).

Postmarxistische Gender-Ansätze verstehen die Digitalisierung kaum als Potential. Digitalisierung fassen sie als digitale Arbeit für die Besitzenden digitaler Plattformen – für den Muskel des globalen, digitalen Kapitalismus. Diese Arbeit ist wiederum feminin codiert. Das Liken von Fotos auf Facebook oder Instagram sind affektive Praktiken, die strukturelle Ähnlichkeit mit anderen Sorgearbeiten aufweisen (Jarret; Amrute).

Schließlich werfen Gender-Beiträge unter dem Stichwort Datenkolonialismus noch einmal radikaler die Frage auf, was Digitalisierung für den Globalen Süden bedeutet (z.B. Ricaurte; Couldry and Mejias): Wessen Daten werden aus welchen Körpern geraubt? Wer arbeitet in den Koltanminen, um die Materialien für unsere iPhones zu gewinnen? (Federici) Oder ist die digitale Hausfrau nicht schlicht eine privilegierte Figur des Globalen Nordens?

Der vorgeschlagene Begriff der Techno-Ökologie (Guattari, Preciado), möchte diese Ansätze nicht als ontologisch getrennte, gar falsche feministische Wissen gegeneinander ausspielen, sondern sie als verschiedene Einstiegspunkte in eine kritische, feministische Mitgestaltung einer digitalen globalen Welt verstehen.

 

 

Strategien der Erinnerung: Feminismen im Kunstfeld vor dem Hintergrund post-kolonialer Strukturen und des „Nationbuilding“ Portugals seit 1974 bis heute (Seminar; Lehrauftrag der Frauenbeauftragten)

Mascha Salgado de Matos, M.A.

Es gibt eine Vielfalt an Formaten, die Erinnerungskultur ausmachen, wie jüngst auch Jan Böhmermann in seiner bissig-ironischen Kritik am von SWR und BR geleiteten Instagram-Profil #ich bin sophie scholl veranschaulicht (Sendung: Das Problem mit deutscher Erinnerungskultur, am 18.02.2022). Wenngleich der historische Kontext dieses Seminars ein anderer sein wird, sehen wir uns mit den gleichen Fragen konfrontiert:

Welche Formen des Erinnerns gibt es? Damit aber auch: Welche Formen des Vergessens gibt es, die denen des Erinnerns vorausgehen, sie begleiten oder bedingen? Inwieweit bestimmt die Materialität des Erinnerns das jeweilige kulturelle Gedächtnis?

Ausgangs-und Knotenpunkte des Seminars werden ausgewählte Arbeiten zeitgenössischer portugiesischer Künstlerinnen sein, die Praxen der Erinnerung als künstlerische Prozesse verhandeln. Trotz der Heterogenität der Strategien, Techniken und Medien, die dabei zum Einsatz kommen, eint die Positionen der Verweis auf die jüngere Geschichte Portugals im Zusammenhang mit dem Prozess des Nation Buildings. Mit der Nelkenrevolution am 25.April 1974 endete in Portugal nicht nur die Militärdiktatur des „Estado Novo“, sondern auch die Kolonialherrschaft Portugals in Afrika. Die Transformation gesellschaftlicher Strukturen in die einer Demokratie vollzog sich zeitgleich mit der politischen Unabhängigkeitswerdung von Angola, Moçambique, Guinea-Bissau und Kap Verde. Letztere wurden von Unruhen und Bürgerkriegen begleitet, neue Diktaturen in afrikanischen Ländern entstanden. Die instabilen politischen Verhältnisse, Gewalt und die prekäre soziökonomische Lage in den neu formierten Staaten trieb viele lusophone Menschen in die Grenzen der ehemaligen Kolonialmacht. So wandelte sich das Bild von Portugal als letzter autoritärer Diktatur mit klerikal-faschistischen Zügen in der Geschichte Europas zu einem Ankunftsland mit einer heterogenen Bevölkerungsstruktur. In diesem Seminar werden Bedeutung und Konstruktion von Nation aus feministischer Perspektive hinterfragt. Diese ermöglicht das Zusammendenken von marginalisierten Geschichten, Körpern und Identitäten. Die künstlerischen Positionen und theoretischen Diskurse spiegeln Topoi der wartenden, passiven Frau, der Scham, männlicher (politischer) Dominanz und hinterfragen so Narrative und Archive der Nation. Die Auswahl der zu diskutierenden künstlerischen Positionen mit Schwerpunkt auf die bildenden Künste vereint Künstlerinnen unterschiedlicher Generationen. Die einzelnen Positionen treten in eine „intergenerationelle Langzeitkommunikation“ (Assmann 2020) und verweben sich mit der Pluralität der Stimmen im zeitgenössischen feministischen Diskurs, der über den portugiesischen Kontext hinaus diskutiert werden soll.

Begleitende Lektüre werden Texte aus Kunst-/Kulturwissenschaften, Philosophie, Lyrik und Belletristik.

 

 

Connective Aesthetics, Imagination and Transformation: Envisioning An Art Based Society (Workshop)

Isabel Añino Granados M.A.

Der Workshop „Connective Aesthetics, Imagination and Transformation: Envisioning An Art Based Society“ findet an drei Terminen zu unterschiedlichen Schwerpunkten statt:

Teil 1: „Der Begriff Connective Aesthetics Und Seine Praktische Umsetzung“: Dieser Workshop basiert in einer „practise-based“ Methodologie. Darüber hinaus werden die Teilnehmer*innen die Möglichkeit bekommen, den Begriff der „connective aesthetics“ besser kennenzulernen und sich mit der Möglichkeit seiner künstlerischen Umsetzung vertraut zu machen. Unter anderem werden wir folgende Fragen zusammen bearbeiten: Kann die Künstlerin und der Künstler als „agent of change“ betrachtet werden? Wer kann sich überhaupt Künstlerin und Künstler nennen? Tragen sie eine gesellschaftliche Verantwortung? Kann das Ästhetische als Verbindung zwischen uns und der Welt betrachtet werden? Was ist denn eigentlich Kunst im Zusammenhang dieser Fragen? Welche Vorannahmen wollen wir problematisieren? Welche wollen wir bestätigen?

Teil 2: „Die schöpferische Imagination. Verschiedene künstlerische Vorschläge. Möglichkeiten ihrer Praktischen Umsetzung“: Dieser Workshop basiert auf einer „practise-based“ Methodologie. Wir werden mit der Möglichkeit arbeiten, die Imagination experimentell als Realität zu betrachten. Diesbezüglich werden wir die Vorschläge und Erfahrungen ausgewählter Autoren*innen kennenlernen. Ebenso werden wir versuchen eigene Experimente in dieser 'anderen Realität' vorzunehmen. Wie sieht diese „andere Realität“ aus? Können wir sie mit unseren sinnlichen Organen wahrnehmen? Was bedeutet uns eine 'exakte sinnliche Phantasie'? Kann die Erfahrung dieser „anderen Realität“ die physische Realität, die wir im Alltag wahrnehmen, beeinflussen und umgestalten?

Teil 3: „Kunst Und Recht. Das Recht als Werkstoff der künstlerischen Tätigkeit“: Dieser Workshop basiert auf einer „practise-based“ Methodologie. Darüber hinaus werden wir während des Workshops mit den relevanten Begriffen auf eine praktische Weise arbeiten und experimentieren. Wir erleben heutzutage ein beachtliches Wachstum des Rechtssystems, das jenseits der Stratosphäre bis in das Innerste unseres Körpers hineingreift. Ist dabei das Rechtsleben weiterhin nur als eine Expertenfrage zu verstehen, lediglich für Juristen*innen oder Politikern*innen? Kann die Kunst das Rechtssystem bzw. das Rechtsleben beeinflussen? Gegenwärtige Künstler*innen und Juristen*innen beschäftigen sich mit solchen Fragen. Sie haben tiefere Beziehungen zwischen Kunst und Recht entdeckt, die sich weit weg von Urheberrecht und Eigentum trennen. Wir werden uns mit relevanten Juristen*innen und Künstlern*innen beschäftigen, die sich mit solchen Fragen auseinandersetzen und uns einführend in ihre Vorschläge und Erfahrungen einzudenken versuchen.

Für die Teilnahme an allen drei oder einzelnen Workshops melden Sie sich bitte unter: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! und senden Sie mir eine kurze Begründung Ihres Interesses. 

 

 

Schlaf und Traum als dynamisches Paradigma in Technologie, Medien und Kunst (Vorlesung)
Marietta Kesting

Die Künste und insbesondere feministische Künstlerinnen haben sich seit jeher auch für die scheinbar passiven, unproduktiven, latenten und spekulativen Zustände des Körpers interessiert, seien es Krankheit, Trance, Hypnose oder eben Schlaf und Traum. Schlaf mit den dazugehörigen Traumphasen ist ein reduzierter körperlicher und geistiger Zustand, den Menschen nicht willkürlich herbeirufen können. Im Schlaf verbrauchen sie weniger Kalorien und Sauerstoff. In vielen Sci-Fi-Narrationen kommen daher interstellare Flüge durch das Universum mit schlafenden Astronaut:innen vor, die erst kurz vor dem Ziel geweckt werden. Im 21. Jahrhundert wird dagegen ausreichend langer Schlaf als Garant für Effizienz und
Gesundheit angenommen. Sogar Fremdsprachen sollen im Schlaf gelernt werden können. Einige Unternehmen verteilen Tracking-Armbänder, es winken Boni, wenn die Arbeiter:innen sich regelmäßig 8 Stunden Ruhe gönnen.

Es gibt jedoch auch eine Gegenbewegung zu einer Spätmoderne, die auf Nachhaltigkeit, Resilienz und Stressreduktion abzielt. Ausdrücklich neoliberale Logiken setzen auf induzierten Schlafmangel, der ebenso wie Regenerations- oder Traumoptimierung das Bemühen darstellt, jegliche Form menschlichen Verhaltens effizienter zu gestalten. Die Kehrseite solcher Optimierungsstrategien zeigt sich an denjenigen Menschen, die keine Ruhe finden können. Denn nicht alle sind auf dieselbe Art von Schlafmangel betroffen. Gender, Rassifizierungen und Klasse generieren Benachteiligungen, welche die Möglichkeiten beeinflussen, sorgenfrei einzuschlafen.

Reale oder vorgetäuschte Zustände des Schlafens und Träumen können dabei utopische oder dystopische Perspektiven eröffnen. Sie lassen neue Dinge denkbar werden, u.a. wie sich die Gesellschaft, die (Medien-) Technologien und die Kunst zukünftig verändern könnte. Sigmund Freud schrieb in einer Fußnote in seiner Traumdeutung: „Im Grunde sind Träume
nichts anderes als eine bestimmte Form des Denkens, das durch den Zustand des Schlafens ermöglicht wird.“

Anhand kanonischer, nicht-kanonischer Texte und paradigmatischer Beispiele aus Medientheorie, Literatur, Populärkultur (insbes. Filme) und der bildenden Kunst werden folgende Materialfelder in der Vorlesung ausführlich vorgestellt und gemeinsam diskutiert:

Feld (1) Historische Untersuchung der Funktion von Schlafen und Träumen als Kulturtechnik und Modell alternativer künstlerischer Denkformen

Feld (2) Funktion von Schlaf und Traum für die Modellierung sowohl menschlicher wie auch posthumaner künstlicher Lernprozesse

Feld (3) Schlafen und Träumen als wiederständige, utopische und futuristische Imaginationen in Medientechnologien und Kunst

 

*"Hab ich Dir von dem Zufall erzählt?"*

Monika Rinck
Wie fange ich etwas an? Wie begünstige ich das Herannahen der Idee, die ich noch nicht habe und noch nie hatte? Im Surrealismus stellte man sich so etwas als "objektiven Zufall" vor, als hasard objectif, regelgeleitete Verfahren verfolgen mit anderen Mitteln ein ähnliches Ziel. Aber wie geht es nach dem Zufall weiter, mit oder ohne ihn? Eine Werkstatt mit Übungen und Lektüren.

 

 

Wintersemester 2021 / 2022

 

Lehrstuhl für Philosophie / Ästhetische Theorie

Prof. Dr. Maria Muhle (Freisemester),  Anne Gräfe, M.A., David Weber, Dipl. Phys. (Lehrauftrag), Charlotte Bolwin, M.A. (Lehrauftrag)

 

Identität. Kollektivität. Kollektive Identität

Seminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik E.02.09)

Anne Gräfe, M.A.

Zeit: Mittwoch, 14-16 Uhr, Beginn: 27.10.

Raum: E.O1.23

 Mit der Identität des Subjekts verbindet sich oftmals eine je kohärente Erzählung, welche sich aus der Erinnerung an das bereits vergangene Leben speist. Eine Erzählung, die das Subjekt als einzigartig und besonders beschreibt, ausgestattet mit einem ganz eigenen Charakter. In dieser Lesart bedeutet Identität jedoch stets auch Abgrenzung: Diese Grenzen konturieren dann das Innere, das vermeintlich originär Eigene gegenüber dem Außen und Anderen. Im Kollektiv erscheinen diese individuellen Grenzen einerseits als verschwommen und in Auflösung begriffen, wenn vermeintlich das, was zuvor als individuell besonders nun in einem allgemeinen Muster homogenisiert wird. Andererseits zeigt dieses allgemein Verbindende sich im Kollektiv als Besonderes, als Muster, als kollektive Identität. Selbst- wie Fremdzuschreibungen, Mythen wie Statistiken versuchen so, die opake Pluralität der Gegenwart wahlweise in einer identitären Einheitsnarration oder einen latenten Konflikt zu ballen, je nach Intention der Autor*innenschaft. Darin enthalten ist dann jeweils auch das Unstabile, Fragile, Brüchige, sowie das Nichtbesondere, Durchschnittliche und Langweilige.

Das Seminar untersucht und vergleicht Theoriekonzepte, die sowohl die soziale Konstruiertheit als auch den Wunsch nach Bestimmung von Identität, Kollektivität und kollektiver Identität diskutieren.

Teilnahmevoraussetzung und Leistungsnachweis: regelmäßige Teilnahme (mind. 80 % Anwesenheit), Anfertigung einer Hausarbeit (je nach Schein, mind. 3 - 10 Seiten).

 

Kritik. Protest. Widerstand

Seminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik E.02.09)

Anne Gräfe, M.A.

Zeit: Donnerstag, 16–18 Uhr, Beginn: 28.10.

Raum: E.O1.23; E.O2.29 (04.11., 11.11., 10.02.)

 Als Marker einer oftmals radikalen Gesellschaftskritik zeigen Protestbewegungen neben den Verschiedenheiten der Themen und Ziele zugleich Ähnlichkeiten in ihrer Ausrichtung. Dabei stellen sich jedoch stetig Fragen nach dem Begriff der Kritik selbst. Was ist Kritik? Welche Kritik ist gemeint? Wie artikuliert sich Kritik jeweils? Braucht es Autor*in und Gegenstand zur Kritik? Und, trägt der Begriff der Kritik überhaupt noch oder geht es weniger um Kritik als beispielsweise um Überleben? So haben sich nach Eva von Redecker die Protestbewegungen der Gegenwart wie Black Lives Matter, Extinction Rebellion, NiUnaMenos oder No DAPL trotz ihrer unterschiedlichen Stoßrichtungen einem gemeinsamen Ziel verschrieben: der Rettung von Leben. Doch sind diese neben ihrer stark intersektionalen Ausrichtung dabei nicht doch stets kapitalismuskritisch? Die theoretischen Einflüsse der verschiedenen Bewegungen reichen dabei von den kritischen Theorien seit dem 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart des Anthropozäns.

Im Seminar widmen wir uns diesen theoretischen Einflüssen ebenso wie jenen Texten der neuen transnationalen Protestbewegungen, diskutieren ihre Gemeinsamkeiten und untersuchen ihre Unterschiede.

Teilnahmevoraussetzung und Leistungsnachweis: regelmäßige Teilnahme (mind. 80 % Anwesenheit), Anfertigung einer Hausarbeit (je nach Schein, mind. 3 - 10 Seiten).

 

Schreiben als Praxis

Anne Gräfe, M.A.

Zeit: 14-tägig, Freitag, 10–14 Uhr; Beginn: 29.10.

Raum: E.O1.23

 Ob als Aphorismus, als Essay, theoretische Arbeit oder als Kritik, der eigene Text formuliert die eigene Position. Aber, was ist die eigene Position, wie wird diese in Text gegossen, formuliert, reflektiert? Im Seminar widmen wir uns einerseits der Lektüre und Diskussion unterschiedlicher theoretischer wie literarischer Texte, um diese gemeinsam zu diskutieren und auf ihre je eigene Schreibform und Position hin zu untersuchen. Andererseits erproben wir die unterschiedlichen Textarten, Positionen und Formate des Schreibens als Praxis in Einzelsitzungen, Gruppenarbeiten und Feldversuchen selbst.

Bei Interesse melden Sie sich bitte unter: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

  

Forschungskolloquium (für Masterabsolvent*innen, Doktorand*innen und Post-Doktorand*innen)

Prof. Dr. Maria Muhle

Zeit: Mittwoch, 10-14 Uhr

Termine werden per Mail bekannt gegeben, Teilnahme ausschließlich nach vorheriger Anmeldung

Das Forschungskolloquium bietet die Möglichkeit, laufende philosophische, ästhetische oder kunsttheoretische Qualifikationsarbeiten vorzustellen und zu diskutieren. Ausschließlich nach vorheriger Anmeldung unter: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Analog-elektronisch-digital: Theorie und Ästhetik ‚technischer Bilder‘

Blockseminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik E.02.09)

Charlotte Bolwin, M.A.

Termine: 07.01. 12.00–14.00 Uhr, 14.01. 12.00–17.00 Uhr, 28.01. 12.00–17.00 Uhr, 04.02. 12.00–17.00 Uhr

Raum: E.EG.28, E.EG.22 (04.02.)

 Als „Technobilder“ oder „technische Bilder“ beschrieb der Medientheoretiker Vilém Flusser in den späten 1980er-Jahren Bilder, die durch Apparate erzeugt werden. Das Konzept diente ihm auch dazu, technikbasierte Bildphänomene von sogenannten „traditionellen“ Bildern wie denen der Malerei abzugrenzen, die er als direkte Zeugnisse menschlichen Denkens und Handelns verstand. Im Sinn hatte Flusser mit seiner Rede vom technischen Bild dabei neben Fotografie und elektronischem Bewegungsbild auch schon das digitale Bild. Während die Entwicklung von computerisierten Bildern zu Flussers Zeiten noch in den Kinderschuhen steckte, sind digitale oder computeranimierte Bilder in der Epoche von leistungsfähigen Computern, Smartphones und Drohnen oder im Kontext einer globalen „Screen Culture“ (Butch 2019) inzwischen längst Teil zeitgenössischer Medienmilieus. Vor diesem Hintergrund nutzen und reflektieren gerade Künstler*innen digitale Bildphänomene auf unterschiedliche Weise. Hier setzt das Seminar mit dem Angebot an, sich eingehender mit dem Wesen technischer Bilder zu befassen – und mit der Theorie und Ästhetik, die sie eröffnen. Ausgehend vom Begriff und vom Gegenstand technischer Bilder diskutieren wir u.a., wie weit die Unterscheidung von technischen und traditionellen Bildern führt; welche Kontinuitäten zwischen ‚alten‘ und ‚neuen‘ technischen Bildern bestehen und welche grundlegenden Unterschiede es gibt. Dabei interessiert uns auch, welche Implikationen einzelne bildtheoretische Einlassungen für die alltägliche und künstlerische Medienpraxis haben. Die Lektüre des Seminars besteht aus einschlägigen kunst- und medientheoretischen Texten zu den technischen Bildern von Fotografie, Fernsehen und Video sowie zu digitalem Bild und Computergrafik. Neben der gemeinsamen Textdiskussion ist die Analyse von Materialstücken, d.h. von eigenen oder gefundenen ‚Technobildern‘ Teil unserer kollektiven Auseinandersetzung.

Zur Einführung: Vilém Flusser (1985): Ins Universum der technischen Bilder. European Photography (Edition Flusser), Göttingen 2000: S. 7–52.*

*Der Textauszug wird zu Beginn des Semesters in digitaler Form zur Verfügung gestellt und ist zur ersten Sitzung am 07.01.2022 selbstständig vorzubereiten. Weitere Texte in deutscher und englischer Sprache werden im Laufe des Semesters digital zur Verfügung gestellt.

 

 

After Uniqueness – "Unvertretbarkeit"? Widersprüche operativer Artefakte

Blockseminar (vorrangig Diplomkandidat*innen, Freie Kunst FK-T2 und Fk-T4)

David Weber, Dipl. Phys. (Lehrauftrag)

Termine: 28.10. 10.00–18.00 Uhr, 29.10. 10.00–18.00 Uhr, 30.10. 10.00–18.00 Uhr

Raum: E.EG.28 (28.10.),  Aula (29./30.10.)

Technologisch-mediale Umstellungen im Dispositiv der Kunst tangieren ihren Begriff und Wert. Dies galt und gilt im Zeichen von Fotografie und Film und markierte die Frage von Reproduktion und (technischer) Reproduzierbarkeit als zentral für Produktion und Rezeption von Kunstwerken (W. Benjamin, D. Crimp). In den massenmedial verfassten Kulturen und globalisierten migrantischen Gesellschaften nach dem Zweiten Weltkrieg gliedern sich Fragen von Reproduktion und Originalität in den weiteren Kontext von Zirkulation, Distribution und Migration (H. Steyerl, D. Joselit, S. Price). Status und Wesen kultureller Artefakte bestimmen sich über ihre Positionen und Vektoren in Netzwerken – es ist dabei strittig, inwieweit Originalität und kultureller Ursprung die Werke einer Identität und Echtheit versichern (E. Balsom). Auffällig ist das Bemühen, neue Protokolle für solche „Tokens“ wie Echtheit, Identität, Signatur zu finden bzw. zu konstruieren. Das Seminar fragt danach, was angesichts des „operativen“ (H. Farocki) und vernetzten (D. Rubinstein, K. Sluis) Charakters von Bildern und Artefakten vom Anspruch auf „Unvertretbarkeit“ (Non-fungibility) – und ihres Preises auf den Plattformökonomien – zu halten ist.

Das Seminar findet als Blockveranstaltung (28. - 30.10.2021) statt mit der Möglichkeit, einen FK-T2 bzw. FK-T4 Schein auf Basis einer Klausur am Ende des Blocktermins zu erwerben; in diesem Fall ist ein kurzfristiger Scheinerwerb zum Semesterende möglich. Alternativ kann zu einem späteren Zeitpunkt eine Hausarbeit eingereicht werden.

 

Lehrstuhl für Medien- und Technikphilosophie

Jun.-Prof. Dr. Marina Martinez Mateo 

 

Whiteness 

Seminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik E.02.09)

Prof. Dr Marina Martinez Mateo

Zeit: Dienstag, 14-tägig, 10-13 Uhr, Beginn 26.10.

Raum: E.O1.23

Lange wurde in rassismustheoretischen und rassismuskritischen Diskussionen primär die Konstruktion von Andersheit untersucht und kritisiert. So stand im Mittelpunkt, wie „Schwarzsein“ zustandekommt, wie die Markierung von Personen als (angenommene) „Fremde“ bzw. als „of Color“ funktioniert und mit welchen institutionellen Praktiken und konkreten Erfahrungen dies in Verbindung steht. Diese Analysen und Diskussionen sind weiterhin wichtig und politisch wie theoretisch unvollendet – dennoch bleibt darin die Position des „Normalen“ oder des „Unmarkierten“ – des „Weißseins“ also – häufig unhinterfragt. Um dem entgegen zu wirken, ist es wichtig – so die aktuelleren Diskussionen um Critical Whiteness – zu zeigen, dass auch Weißsein auf Konstruktionen beruht; nichts Gegebenes ist, sondern durch politische Bedeutung zustande kommt.

Diese Diskussionen werden wir im Rahmen des Seminars zunächst in den Blick nehmen, um uns als Seminar der Frage zu stellen, was „Weißsein“ bedeutet oder bedeuten kann und wie damit auf kritische Weise umzugehen ist. Im zweiten Schritt werden wir konkreter in die praktische Ebene gehen und auf der einen Seite untersuchen, was es für spezifische Bereiche und Kontexte bedeutet, dass sie als weiß konstruiert sind – etwa in Bezug auf Institutionen wie Museen und Universitäten oder in Bezug auf Arbeitsfelder wie Kunst und Philosophie. Andererseits werden wir uns konkrete kritische Praktiken und Ansätze zur Überwindung und Transformation von Whiteness anschauen und daraufhin befragen, ob und warum ihnen dies gelingt. Das Seminar findet in Kooperation mit Prof. Dr. Marietta Kesting statt. Begleitend soll es einen offenen Workshop zum Thema „Counter-Archive: Macht, Privilegien, Ästhetiken“ geben.

 

 

Herrschaft und Knechtschaft 

Seminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik E.02.09)

Prof. Dr Marina Martinez Mateo

Zeit: Dienstag, 14-tägig, 10-13 Uhr, Beginn 01.11.

Raum: E.O1.23, A.EG.01 (02.11.), E.O2.29 (16.11.)

Das Begriffspaar von Herrschaft und der Knechtschaft – als zwei Positionen, die sich gegenseitig hervorbringen und bedingen – bildet seit G.W.F. Hegel, der es 1806 in seiner Phänomenologie des Geistes systematisch beschrieben hat, ein wichtiges philosophisches Motiv. Dabei geht es um folgende Fragen: Wie kommen beide Positionen überhaupt zustande? Worin zeichnet sich das Verhältnis von Herrschaft und Knechtschaft aus? Wie bestimmen sich darin Selbstständigkeit und Abhängigkeit? In Hegels Formulierung konstituieren sich beide Positionen durch einen Kampf auf Leben und Tod, aus dem eine Person als Knecht hervorgeht und die andere als Herr. Letztlich ist es aber der Knecht, der (für den Herren) arbeitet und in der Arbeit ein Potential zur Emanzipation entwickelt, während der Herr von der Arbeit des Knechts abhängig und darin gefangen bleibt.

Dieses Motiv ist, in unterschiedlicher Deutung und Ausformulierung, von unterschiedlichen philosophischen Ansätzen aufgegriffen und weiterentwickelt worden und hat dabei auch eine enorme politische Tragweite entwickelt. Im Seminar werden wir zunächst ausführlich die Grundlagen der Figur bei Hegel rekonstruieren, um uns dann drei verschiedenen Strängen der Weiterentwicklung zu widmen. Erstens werden dies marxistische Ansätze sein: Ausgehend von Hegel spricht Karl Marx der Arbeit eine herausragende revolutionäre Bedeutung zu, während die (wiederum von Marx geprägte) Deutung Alexander Kojèves den von Hegel beschriebenen Kampf auf Leben und Tod zum revolutionären Kampf erklärt. Zweitens werden dies feministische Aneignungen (Simone de Beauvoir und Jessica Benjamin) sowie drittens anti-koloniale und rassismus-kritische Weiterentwicklungen sein (Frantz Fanon, W.E.B. Du Bois und Susan Buck-Morss). Vorgesehen ist eine gemeinsame Abschlussdiskussion mit Studierenden der Kulturwissenschaft der Leuphana Universität Lüneburg, die sich im Rahmen eines parallelen Seminars mit demselben Thema beschäftigen werden.

 

Grundlagen der Kunst- und Kulturgeschichte / Einführung in Kunstgeschichte und Philosophie / Pflichtveranstaltung für Studierende im 1. Semester Freie Kunst und Kunstpädagogik

Vorlesung (Freie Kunst FK-T1 und Kunstpädagogik Modul D.01.09)

Prof. Dr. Marina Martinez Mateo / Prof. Dr. Florian Matzner / Prof. Dr. Dietmar Rübel

Zeit: Mittwoch, 11.00–13.00 Uhr, Beginn: 27.10.

Raum: Historische Aula (27.10.) ansonsten je nach Anmeldung E.EG.28, E.O1.23, E.O2.29

Die wöchentliche Veranstaltung zielt auf die Vermittlung von Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens, insbesondere in Kunstgeschichte und Philosophie. An exemplarischen Beispielen wird ein Überblick über die Geschichte der Kunst sowie die wichtigsten Methoden sowie Themenfelder der Kunstgeschichte und Philosophie geboten. Dazu werden ausgewählte Kunstwerke in Verbindung mit ausgewählten Texten (Primärquellen sowie Sekundärliteratur) gemeinsam diskutiert. Zudem besuchen wir die für die Geschichte und Theorie der Kunst wichtigen Museen und Bibliotheken. Der Bibliotheksbesuch dient auch der Einführung in die Literaturrecherche; zudem werden relevante Internetressourcen vorgestellt und Hinweise zum Erstellen von Referaten und Hausarbeiten gegeben.

 

Sommersemester 2021

Lehrstuhl für Philosophie | Ästhetische Theorie

Prof. Dr. Maria Muhle, Anne Gräfe, M.A., Lorenz Mayr (Lehrauftrag), M.A., David Weber (Lehrauftrag), Dipl. Phys.

 

Caillois und sein Milieu – Ästhetisch-politische Konstellationen

Seminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik E.02.09)

Prof. Dr. Maria Muhle; Lorenz Mayr, M.A.

Zeit: Freitag, 10-14 Uhr, Beginn: 23.04.2021

Raum: E.O1.23

Das Werk des französischen Soziologen, Philosophen, Insekten- und Steineforschers Roger Caillois (1913–1978) lässt sich weder in den Konturen einer einzigen Disziplin nachzeichnen, noch auf ein Themenspektrum reduzieren. Als das fortwährende Ringen eines „Abtrünnigen“, wie Caillois selbst schreibt, lesen sich seine frühen Auseinandersetzungen mit der Mimese der Insekten, soziologische Untersuchungen zum Spiel und dem Sakralen, seine Rehabilitierung des Mythos sowie seine Schriften über Steine. Caillois’ antisystematisches Denken, das sich in so verschiedenen Anläufen des Schreibens niedergeschlagen hat, ist von seinen Zeitgenoss*innen ebenso bewundert, wie einer vernichtenden Kritik unterzogen worden. Entsprechend ambivalent fällt die Rezeptionsgeschichte jener Texte aus, die von emphatischer Aufnahme (Foucault, Lacan) bis zum Vorwurf einer gefährlichen Nähe zum Faschismus reichen (Horkheimer, Adorno, Benjamin). Dabei zeigte sich Caillois jedoch oftmals als wichtiger Stichwortgeber für die ästhetisch-politischen Auseinandersetzungen seiner Zeit. Das Seminar bettet Caillois’ Schriften in diesen künstlerischen, politischen und (ideen-)geschichtlichen Kontext ein: Ausgehend von der frühen Beteiligung an der surrealistischen Bewegung, über seine federführende Rolle im 1937 gegründeten Collège de Sociologie hin zu den späteren Texten über die Mineralogie. Dabei werden etwa die Debatten mit Georges Bataille angesichts der sich aufdrängenden Frage einer angemessenen Entgegnung auf den Faschismus ebenso beleuchtet wie die Differenzen zur Kritischen Theorie der Frankfurter Schule. Das Seminar soll vor diesem Hintergrund besonders die noch weithin unerschlossenen Potentiale seiner Schriften hinsichtlich einer Ästhetik des Reproduktiven vermessen. Denn Caillois’ „Diagonalisierung der Wissenschaften“ birgt auch heute noch wichtige Einsichten, Irrwege und Impulse für ein „transversales Denken“ zwischen Ästhetik und Politik. Das lektüreintensive Seminar lädt dazu ein, diese Konstellationen anhand der Texte Caillois’ und seiner Zeitgenossen (Bataille, Benjamin, Adorno) und unter Rückgriff weiterer Rezeptionen in der Philosophie und Psychoanalyse, aber auch der Photographie- oder Performancetheorie (Rosalind Krauss, Kaja Silverman, Laura Levin) gemeinsam in den Blick zu nehmen und kritisch zu diskutieren.

Die Anzahl der Teilnehmenden muss aufgrund der weiterhin geltenden Abstandsregeln im Präsenzunterricht auf die zulässige Anzahl begrenzt werden. Auch im Fall der digital angebotenen Lehre bleibt die Begrenzung bestehen, da eine Rückkehr in den Präsenzunterricht angestrebt wird.

 

Einführung in die Ästhetik: Ästhetik des Anthropozän (Vorlesung)

Vorlesung (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik E.02.09)

Prof. Dr. Maria Muhle

Zeit: Donnerstag, 11–13 Uhr, Beginn: 22.04.

Raum: E.O1.23, , E.O2.29 (15.07.)

Die Vorlesung Einführung in die Ästhetik findet jeweils im Sommersemester statt und gibt grundlegende Einblicke in ästhetische Fragestellungen sowohl im historischen als auch zeitgenössischem Kontext: Was ist Kunst und wie wird sie erfahren? Was bedeutet Ästhetik im Sinne von aisthesis, als Lehre der sinnlichen Erfahrung? Welche Bezüge sind denkbar zwischen ästhetischem und politischem Handeln und Denken? Jedes Sommersemester wird zudem ein inhaltlicher Schwerpunkt gesetzt, dieses Sommersemester soll die Frage nach einer Ästhetik des Anthropozän untersucht werden. Der kontrovers diskutierte Begriff des Anthropozän bezeichnet zunächst einmal eine geochronologische Epoche, ein Zeitalter also, in dem der Mensch zum wichtigen Einfluss im globalen Ökosystem geworden ist. Auch im Kunst- und Ausstellungskontext ist der Begriff zum aktuellen Schlagwort avanciert, der politische Relevanz signalisieren soll, insofern sich hier thematisch mit den Fragen der „great acceleration“ und des menschengemachten Klimawandels auseinandergesetzt wird. Zugleich muss eine Ästhetik des Anthropozän über diese Thematisierung hinausgehen und die Übergängigkeit von Natur und Kultur, Wachsen und Produzieren, Sein und Schein, die das Zeitalter des Anthropozän kennzeichnen, in die Ästhetik hineintragen.

Zur Vorbereitung: Eva Horn, Hannes Bergthaller, Anthropozän. Zur Einführung, Hamburg: Junius 2019.

 

Kolloquium Philosophie

Prof. Dr. Maria Muhle und Anne Gräfe, M.A.

Zeit: Donnerstag, 17–21 Uhr; Termine: 29.4., 13.5. (entfällt Christi Himmelfahrt), 27.5., 10.6., 24.6., 1.7., 15.7.

Raum: E.O1.23, E.O2.29 (24.6./15.7.)

Das Kolloquium Philosophie / Ästhetische Theorie dient der Diskussion sowohl der eigenen Forschungsarbeiten als auch von Texten und Schwerpunktthemen, die jeweils zu Beginn des Semesters vereinbart werden. Alle Student*innen mit besonderem Interesse an der philosophischen und kunstwissenschaftlichen Auseinandersetzung sind eingeladen, an der gemeinsamen Diskussion teilzunehmen.

Studierende und Interessierte sind sehr herzlich eingeladen, ihre Arbeiten vorzustellen. Bei Interesse melden Sie sich bitte unter: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

  

„Air de Munich“ – ein künstlerisch-wissenschaftliches Projekt der Akademie der Bildenden Künste München und der École nationale supérieure d’arts de Paris-Cergy

(Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik E.02.09)

Prof. Dr. Maria Muhle

Zeit: vorauss. 12.–16. April (München, Altötting) und 7.–11. Juni (Paris) sowie weitere Termine, die nach Absprache bekannt gegeben werden

„Air de Munich“ stellt die Frage nach dem Werk und seiner Ausstellbarkeit, seines Displays und wird sich dabei von den sichtbaren Modalitäten zweier Orte inspirieren lassen, die so unterschiedlich sind wie das Deutsche Museum in München und das Jerusalem-Panorama in Alt-Ötting. Das 1903 gegründete Deutsche Museum ist das größte Natur- und Technikmuseum der Welt und inspirierte bereits Marcel Duchamp bei seinem Besuch in München 1912 zu seinen ersten Ready Mades. Das ebenfalls 1903 in Alt-Ötting eingeweihte Jerusalem-Panorama zeigt ein kreisförmiges, protokinematografisches Gemälde der Kreuzwegstationen, das eine Szene einer „historischen Wahrheit“ darstellt. Das Gemälde wird von einem „faux terrain“ eingefasst, d.h. von skulpturalen Elementen, die die gemalte Szene ergänzen und die Wirkung der Illusion verstärken – ein weit verbreiteter Kunstgriff des Panoramas, das als erstes Massenmedium des 19. Jahrhunderts gilt. Ausgehend von diesen beiden künstlerischen Orten soll die Frage untersucht, diskutiert und bearbeitet werden, inwiefern die Inszenierung, die Kontextualisierung und die Position des Zuschauers immer an der Produktion eines Werks beteiligt sind und inwiefern künstlerische Produktionen immer multimedial sind und nicht nur Genregrenzen, sondern auch die Grenzen zwischen Kunst, Wissenschaft, Technik, historiographischer Arbeit, Religion, Massenkultur etc. überschreiten.

Durch künstlerische Arbeiten, die die Inszenierung von Wissen in Frage stellen, werden die Studierenden dazu gebracht, über die Implikation der Künstler*in in der Wissensproduktion nachzudenken sowie darüber, wie diese Verquickung im Ausstellungsdispositiv „gezeigt“ werden kann. Das Projekt ist nicht auf bestimmte Praktiken beschränkt, sondern wendet sich an alle künstlerischen Medien sowie an Studierende aller Klassen. Das Projekt besteht aus einem aktiven Austausch zwischen den Studierenden der beiden Akademien (10 Studierende pro Akademie) und wird in zwei Phasen sowie in mehreren Sprachen (Französisch / Deutsch / Englisch mit Simultanübersetzungen, falls erforderlich) stattfinden. Neben den theoretischen Diskussionen über Fragen des Displays, der Kunst als Wissensproduktion und der künstlerischen Inszenierung von Wissen liegt der Schwerpunkt auf der künstlerischen Arbeit der Studierenden, die in zwei mehrtägigen Workshops in München und Paris konzipiert und in Paris abschließend ausgestellt werden soll. Eine Kooperation mit dem Goethe Institut in Paris ist angedacht.

Das Projekt „Air de Munich“ wird gemeinsam von der Akademie der Bildenden Künste München und der École nationale supérieure d’arts de Paris-Cergy organisiert und richtet sich an Studierende beider Schulen und aller Klassen – neben den unterschiedlichen Schwerpunkten der beteiligten künstlerischen Professor*innen (Tanz/Choreographie, Malerei, Neue Medien/Installation) werden auch alle anderen Medien und künstlerischen Produktionsformen explizit mit einbezogen.

Bitte bewerben Sie sich bis zum 22.3.2021 mit einer kurzen künstlerischen Projektbeschreibung per Mail (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!). Bewerbungen bitte ausschließlich für Studierende ab dem 3. Semester. Ein erstes, voraussichtlich digitales Treffen zur Vorbesprechung findet Ende März/Anfang April 2021 mit Anke Doberauer und Maria Muhle statt.

 

Forschungskolloquium (für Masterabsolvent*innen, Doktorand*innen und Post-Doktorand*innen)

Prof. Dr. Maria Muhle

Zeit: Mittwoch, 10-14 Uhr

Termine werden per Mail bekannt gegeben

Das Forschungskolloquium bietet die Möglichkeit, laufende philosophische, ästhetische oder kunsttheoretische Qualifikationsarbeiten vorzustellen und zu diskutieren. Ausschließlich nach vorheriger Anmeldung unter: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Dazwischen

Seminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik E.02.09)

Anne Gräfe, M.A.

Zeit: Mittwoch, 13 – 15 Uhr

Raum: E.01.23

„Der Zeitvertreib ist ganz eigentlich eine leere Zeit, welche zwischen die durch ernsthafte Beschäftigungen ausgefüllte Zeit in der Mitte gesetzt wird.“ (Adorno) Durch diese allgemeine Adressierung von Zeitlichkeit erhält wiederum jene Momenthaftigkeit besonderen Charakter, wenn zwischen jenen mit Handlung, Sinn und Zielsetzung konnotierten Zeitabschnitten vermeintlich nichts passiert, die Zeit vermeintlich leer bleibt. Zugleich definiert Adorno die freie Zeit der Freizeit als eigentlich reziprokes Verhältnis, welches eine Abhängigkeit der vermeintlich freien Zeit von einer unfreien Zeit, jener der (fremdbestimmten) Arbeit, aufscheinen lässt. Die Zeit der Freiheit wird somit als Freizeit verwaltet, unter- und eingeteilt und ist dabei alles andere als frei. Im Gegenteil sie muss als eigentliche Fortsetzung der Arbeitszeit verstanden werden. Adornos kulturpessimistische Version einer Zukunft der Freizeit, kulminiert in dem Verdacht „Freizeit tendiere zum Gegenteil ihres eigenen Begriffs, werde zu dessen Parodie. In ihr verlängert sich Unfreiheit, den meisten der unfreien Menschen so unbewußt wie ihre Unfreiheit selbst“. Das Subjekt der Gegenwart hat sich einerseits an die Ökonomisierung, Metrisierung und Beschleunigung der eigenen Lebenswelt weithin angepasst und ist sich andererseits der Abwesenheit dieser vermeintlich freien Zeit oft durchaus bewusst. Mit Verweisen auf Achtsamkeit, Ruhezeit und  Entschleunigung soll heute jene unfreie Zeit der Arbeitszeit befreit werden – um häufig noch tiefer in den Abhängigkeitsstrudel zwischen vermeintlich freier und unfreier Zeit zu geraten.

Es stellt sich die Frage, ob zwischen bewusstem Aushalten und unbewussten Umherschweifen, abseits von Bedürfnisproduktion und -befriedigung, ein Moment des Dazwischen zum Anders-Denken und Anders-Wahrnehmen als freie Zeit der Freiheit entstehen kann. Im Seminar werden wir sowohl philosophische wie soziologische Texte zur Zeit des Dazwischen als auch künstlerische Arbeiten diskutieren, welche den Fokus auf jene vermeintlich unernsten, unproduktiven und leeren Räume, Zeitlichkeiten und Themen eines Dazwischen verlagern.

Teilnahmevoraussetzung und Leistungsnachweis: regelmäßige Teilnahme (mind. 80 % Anwesenheit), Anfertigung einer Hausarbeit (je nach Schein, mind. 3 - 10 Seiten).

Die Anzahl der Teilnehmenden muss aufgrund der weiterhin geltenden Abstandsregeln im Präsenzunterricht auf die zulässige Anzahl begrenzt werden. Auch im Fall der digital angebotenen Lehre bleibt die Begrenzung bestehen, da eine Rückkehr in den Präsenzunterricht angestrebt wird.

 

Liebe als Entscheidung – von Eros, Philia und Agape

Seminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik E.02.09)

Anne Gräfe, M.A. 

Zeit: Donnerstag, 14-16 Uhr, Beginn: 22.4.

Raum: E.O1.23, E.O2.29 (15.7.)

Am Anfang jeder Beziehung steht eine Erfahrung von Unverfügbarkeit. So gründen zwischenmenschliche Verbindungen auf Unsicherheit, Ungewissheit und Zweifel – und sind zugleich Anker von Vertrauen, Mitgefühl und Gewogenheit. Die Liebe, verstanden als romantische, freundschaftliche oder altruistische Zugewandtheit, fügt das Eigene mit dem Anderen zusammen, verbindet Eigeninteressen mit Uneigennützigkeit. In der politischen Theorie ist diese Verbindlichkeit im zwischenmenschlichen Umgang konstitutiv für jede kommende Gemeinschaft. Soziologisch stellt Liebe die erste Stufe der reziproken Anerkennung dar, in der sich die Subjekte ihrer gegenseitigen Bedürftigkeit versichern. Zugleich erscheint das Phänomen Liebe paradox und die Ambivalenzen dieses grundierenden wie destabilisierenden Phänomens liegen auf der Hand: Die interessefreie Sorge scheint ein Garant für eine kommende Gemeinschaft der Pluralität, zugleich schwankt das vermeintlich stabile Gerüst derselben unter der grundierenden Erfahrung der Unverfügbarkeit. Und auch der Wunsch nach romantischer Verschmelzung scheint den Autonomiebestrebungen des Selbst der Gegenwart zu widersprechen. Doch in der zwischenmenschlichen Beziehung zueinander vollzieht sich eine Entäußerung, die einen Bezug zur Welt eröffnet.

Im Seminar werden exemplarisch Texte von der Antike bis zur Gegenwart gelesen und auf Fragen nach dem Stellenwert der Liebe in der Konstitution von Selbst, Gemeinschaft und Veränderung hin untersucht: zunächst aus der Philosophie, Soziologie und der Politischen Theorie, um dann die Diskussion auf die Ästhetik und Kunstwissenschaft auszuweiten.

Teilnahmevoraussetzung und Leistungsnachweis: regelmäßige Teilnahme (mind. 80 % Anwesenheit), Anfertigung einer Hausarbeit (je nach Schein, mind. 3 - 10 Seiten).

Die Anzahl der Teilnehmenden muss aufgrund der weiterhin geltenden Abstandsregeln im Präsenzunterricht auf die zulässige Anzahl begrenzt werden. Auch im Fall der digital angebotenen Lehre bleibt die Begrenzung bestehen, da eine Rückkehr in den Präsenzunterricht angestrebt wird.

 

Das perfekte Bild 

Blockseminar (vorrangig Diplomkandidat*innen, Freie Kunst FK-T2 und FK-T4)

David Weber,  (Lehrauftrag) 

Zeit: 20. - 22.05., jeweils 10-18 Uhr

Raum: E 01.23

Im Englischen bezeichnet der Ausdruck picture-perfect etwas, das „completely lacking in defects or flaws“ (Oxford Dictionary of English) wäre, und stellt damit einen bemerkenswerten Zusammenhang her zwischen Bild und Perfektion. Einerseits erscheint dieser Konnex in der technologischen Gegenwart allzu gängig: Jederzeit wird das, endlich, „perfekte Bild“ behauptet und angepriesen in Termini von High-Definition (in saisonaler Klimax von HD, Full-HD, Ultra-HD, 4K, 8K, usw.) und hohen Kontrastumfängen (HDR). Perfektion wird hier buchstabiert als technische Spezifikation. Im Ergebnis wird ein „What you see is what you get“ annonciert, das einmal mehr die Realisierung des „ultimate display“ (I. Sutherland apropos der Techniken Virtueller Realität, 1965) behauptet, d. h. des jahrhundertealten Traums vom Darstellungsmittel, das in und hinter dem Dargestellten vollkommen verschwindet. Das perfekte Bild als Triumph des Willens zur Repräsentation.

Andererseits markiert die Rede vom picture-perfect das Bild als Vorlage, Vorgabe und Vorwurf: Das englische Attribut „perfect“ lässt sich auch als Verb lesen: „etwas perfekt machen, zu Ende bringen“. Hier lieferte das Bild die normative Maßgabe des (richtigen) Seins: Sei wie das Bild! Lebe wie im Bild! Das Bild als ein Imaginäres, wie es sich im Standard, Muster, Klischee, Ideal darstellt und anbietet. Als Betrachter*innen des Bildes verstehen wir es also als Vorgabe, ihm zu entsprechen, oder als Bezug auf eine, vorläufig abwesende, aber zu erreichende, Vervollkommnung. Diese Bild-Logik begegnet gewiss seit langem in der Werbung (und wurde als solche von der Kunst, prominent etwa in der Pop Art, aufgegriffen), zeitgenössisch aber vor allem auch in den Bild-Distributionen der sozialen Medien, die die Bild-(Un)mittelbarkeit des Selbst in technisch forcierter Weise implementieren. Das Problem dieser „exposure“ (O. Sudjic) gegenüber dem „sozialen Bild“ (N. Jurgenson) resultiert aus einem neuerlichen Double-Bind: Wir brauchen die Bilder, um unser Profil zu konturieren, sei es als Subjekt (J. Lacan), sei es als Profil-Subjekt (A. Reckwitz) in Wirtschaft und Gesellschaft — und erleben in diesen Bildgebungen doch die Spreizung einer gewissen Nicht-Identität von Imaginärem und (unterstelltem) Realen.

Das Seminar will die Idee des „perfekten Bildes“ diskutieren entlang historischer Beispiele und der Analyse zeitgenössischer Phänomene. In der Kunstgeschichte etwa anhand des Genres Stillleben, der „Klassischen Darstellung“ im französischen Klassizismus, von Fotorealismus, Finish Fetish (West Coast Art) und des „perfect tense“ der Pictures Generation; des picture window im US-amerikanischen Melodrama. In der Geschichte jüngerer westlicher visueller Kultur figurieren „perfekte Bilder“ als die Ikonen aufeinander folgender Epochen: Der Atompilz des atomic age, die „Blue Marble“ eines ökologischen Globalismus, das Spektrum von Photo-Op und Future Shock in der medialen Persona eines Kennedy oder Trump. Es gilt dabei, den allfälligen Reflex eines kritischen Ikonoklasmus zu hinterfragen („Spektakel“, „Bilderflut“), der jedes Bild rasch als falschen Fetisch abtut. Aber gerade im Fetisch kehrt der Double-Bind einer Perfektion im Bild wieder: Die scheinbare Tilgung und Behebung jedweden Mangels in der bildlichen Perfektion ist nur zu haben um den Preis der Mahnung und Erinnerung dieses Mangels, eben gerade in der gleißenden spleißenden Oberfläche des perfekten Bildes. So erweist sich, vielleicht wider Erwarten, das perfekte Bild als Akteur von Differenz.

 

black feminist poetic thinkers – Ein Lektüreseminar zu Audre Lorde, Christina Sharpe und Saidiya Hartman

Seminar (Freie Kunst FK-T2; Fk-T4 nach Absprache mit Fanti Baum und Anne Gräfe möglich)

Fanti Baum (Lehrauftrag der Frauenbeauftragten)

Termine: 4.6. (12-14 Uhr digital); Blockseminar Ende Juni, genauere Termine werden noch bekanntgegeben

Raum: 

Um Anmeldung per Studierendenportal wird gebeten.

The white fathers told us, I think therefore I am; and the black mothers in each of us – the poet – whispers in our dreams, I feel therefore I can be free. Poetry coins the language to express and charter this revolutionary awareness and demand, the implementation of that freedom.

Audre Lorde

the black mother […] – the poet – whispers in our dreams, I feel therefore I can be free – dieses Verständnis von Poesie stellt Audre Lorde einem weißen Denken des I think therefore I am entgegen. Mehr noch begreift Audre Lorde Poesie – hier vielleicht verstanden in ihrem weitesten Sinne als künstlerische Praxis – als „vital necessity of our existence“ und Voraussetzung für Freiheit: Poetry is not a luxury. It is a vital necessity of our existence. It forms the quality of the light within which we predicate our hopes and dreams toward survival and change, first made into language, then into idea, then into more tangible action. Poetry is the way we help give name to the nameless so it can be thought. The farthest horizons of our hopes and fears are cobbled by our poems, carved from the rock experiences of our daily lives. Jene Vorstellung von Poesie – nicht als Traum oder Vision, sondern als „skeleton architecture of our lives“ (Lorde) begreift die Saidiya Hartmann als das Entscheidende Schwarzer feministischer Poesie – und genau jener Moment prägt wohl auch auf besondere Weise ihr eigenes Denken und Schreiben. Schwarze Feministinnen, ergänzt Christina Sharpe, „destroy the world as it is, and imagine, make possible, and make present, all of these ways, the kinds of worlds that we want to inhabit“. 

Das Seminar black feminist poetic thinkers wendet sich vor dem hier skizzierten Hintergrund drei feministisch poetischen Denkweisen zu, die nicht zuletzt mit ihrem besonderen – einem beinahe nicht-akademischen – Schreiben über Schwarzes Leben in the wake of slavery (Christina Sharpe) den Diskurs in der zeitgenössischen kritischen Theorie wie in der zeitgenössischen Kunst prägen oder vielmehr umkehren, verkehren, in ihren kritischen Fabulationen (critical fabulation, Saidiya Hartman) von der Position des Ungedachten schreiben (writing from the position of the unthought) – dessen Ausgangpunkt vor allem weibliches Leben ist. Dem feministischen Denken von Audre Lorde, Christina Sharpe und Saidiya Hartman wollen wir im Seminar nachspüren, uns in einem thinking with oder einem thinking in presence of  üben – und das heißt zugleich sich radikal zu vergegenwärtigen, dass die westliche Philosophie das Subjekt als radikalen Ausschluss von und als Gewalt gegen Schwarzes Leben denkt.

Das Seminar möchte neben der Lektüre unbedingt auch fragen, wie dekoloniale Praktiken in den Künsten aussehen oder aussehen könnten. Welche künstlerischen Mittel kommen in den vielfältigen Praktiken zum Einsatz – im Vorhaben weiße Institutionen (Museen, Musikorte, Theater, Archive, Kunstakademien) zu dekolonialisieren oder wenn sie fern davon wirken? Und nicht zuletzt: Was ist uns – in aller möglichen Unterschiedlichkeit –, die wir an einer weißen, europäischen Kunstakademie studieren und lehren, mit diesem Denken aufgetragen? Wie können wir mit-denken, ohne Schwarzes feministisches Denken zu vereinnahmen? Und: Inwiefern wirkt zu allererst das eigene Denken und Sprechen gewaltsam? Wie gelingt es über koloniale Gewalt zu reflektieren, ohne diese zugleich zu reproduzieren? 

Teilnahmevoraussetzung und Leistungsnachweis: Es braucht die Bereitschaft längere Texte auf Englisch zu lesen. Diskussionen finden vornehmlich auf Deutsch statt, können sich aber auch bilingual (deutsch und englisch) ereignen.

Zur allgemeinen Einführung sei empfohlen: Natasha A. Kelly (Hg.) Schwarzer Feminismus. Grundlagentexte. Münster: unrast 2019, aber auch: Liepsch, Warner, Pees: Allianzen. Kritische Praxis an weißen Institutionen. Bielefeld: transcript 2018

  

 

Wintersemester 2020/21

Lehrstuhl für Philosophie | Ästhetische Theorie

Prof. Dr. Marina Martinez Mateo (Lehrstuhlvertretung), Anne Gräfe, M.A., Nisaar Ulama, M.A., Leo Heinik, M.A. (Lehrauftrag), David Weber (Lehrauftrag), Dipl. Phys. 

 

All happy families. Glück und Scheitern der Familie im Film

Seminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik E.02.09)

Prof. Dr. Marina Martinez Mateo

Termin: Dienstag, 16.00-20.00 Uhr, zweiwöchentlich, beginnend am 20.10.

Raum: E.O1.23

„All happy families are alike – each unhappy family is unhappy in its own way.“ Mit diesem berühmten Satz lässt Leo Tolstoi seine Ana Karenina beginnen. Alle glücklichen Familien gleichen einander – wieso? Weil die „glückliche Familie“ ein Versprechen ist, ein Bild oder Ideal. In Bildern von lachenden Kindern und sorgenden Müttern, von Sonntagsausflügen und Spieleabenden formuliert die Institution der Familie ein Glücksversprechen, das für viele reale (insbesondere für weiße und bürgerliche) Familien als handlungsanleitende Orientierung wirkt. Zugleich gibt es – wahrscheinlich bereits seit dem historischen Beginn der bürgerlichen Kleinfamilie – auch Bilder und Geschichten, die vom Scheitern erzählen, dieses versprochene Glück zu erreichen; von den verschiedenen „jeweils eigenen“ Arten des Unglücks, das die Orientierung am Ideal der Familie produziert. Gerade diese verschiedenen Weisen zu scheitern und die Formen von Gewalt und Verunsicherung, mit denen sie verbunden sein können, sind eine reichhaltige Quelle ästhetischer Auseinandersetzungen mit der Familie. Der Film nimmt bei dieser Dopplung von Bildern einen zentralen Stellenwert ein. Schließlich ist der Film ebenso ein bevorzugtes Medium zur Etablierung des Versprechens und Ideals der Familie wie er – auf dieser Grundlage – auch ein besonderes subversives Potential besitzt, um die Brüche und strukturelle Krisenhaftigkeit, die in diesem Versprechen liegen, in ihrer Eigenheit und Unterschiedlichkeit zum Ausdruck zu bringen.

Im Seminar werden wir uns mit der doppelten Struktur – Glücksversprechen und Krisenhaftigkeit der Familie – beschäftigen und uns dabei auf zwei Säulen stützen: Auf der einen Seite werden wir ausgewählte Filme zu diesem Themenkomplex anschauen und auf der anderen Seite werden wir theoretische Ansätze zur Bestimmung und Kritik der Familie lesen, die uns auch eine Grundlage bieten sollen, um die Filme gemeinsam zu diskutieren.

 

Subversive Lebensformen

Seminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik E.02.09

Prof. Dr. Marina Martinez Mateo

Zeit: Dienstag, 16.00-20.00 Uhr, zweiwöchentlich, beginnend am 27.10.

Raum: E.O1.23

Was sind subversive Lebensformen? Was kann das Anliegen, subversiv zu leben, bedeuten? „Subversion“ meint die Idee einer kritischen und auf Transformation zielenden Politik, die nicht in deklarierten politischen Institutionen oder in organisierten Kollektiven operiert, sondern eher auf unterwandernde Weise funktioniert – im Kleinen oder Verborgenen. Subversiv zu leben bedeutet demnach, dass eine solche Unterwanderung auch im Alltag, im jeweils individuellen Leben geschehen kann und darin vielleicht sogar ihren privilegierten Ort hat. Dieses Verständnis von Politik ist etwa in der feministischen Theorie und Praxis bedeutsam oder auch in bestimmten anarchistischen Ansätzen sowie in der Politik der „‘68er“. Slogans wie „Das Private ist politisch“ oder „Politik der ersten Person“ zeugen von einer solchen Perspektive, die Politik im Leben verortet  und in der Transformation des eigenen Lebens gar die Grundlage für gesellschaftliche und revolutionäre Umwälzungen sieht. Dabei kann – je nach Ansatz – die Politisierung des eigenen Lebens gänzlich Unterschiedliches bedeuten: von der Bildung neuer und solidarischer „Beziehungsweisen“ (wie Bini Adamczak vorschlägt), über die Verweigerung von Aktivität (wie die klassische Figur des „Bartleby“ gedeutet wurde) und dem Rückzug aus der Gesellschaft (wie es Henry-David Thoreau erprobte) zu praktiziertem Antifaschismus (wozu Natasha Lennard in ihren aktuellen „Essays on Non-Fascist Life“ aufruft), feministischer Alltagspraxis (so Sara Ahmed in „Living a Feminist Life“) und der Transformation des eigenen Körpers (wie sie Paul Preciado in seinen jüngst erschienen „Chroniken des Übergangs“ beschreibt).

Wir wollen uns im Seminar der Unterschiedlichkeit und auch internen Spannung dieser Ansätze stellen und dabei das jeweilige Verständnis von Politik sowie von Leben und dessen Gestaltung diskutieren. Wie individualistisch, wie utopisch, wie interventionistisch, wie konstruktiv oder wie negativ erscheint jeweils Politik? Was passiert mit dem Bezug auf den Alltag, auf Privatheit, auf Beziehungen oder auf den eigenen Körper, wenn diese zu politischen Schauplätzen werden? Und was geht dabei womöglich verloren? Welche Möglichkeiten der Emanzipation, aber auch welche Probleme und Gefahren, können in der Engführung von Politik und Leben liegen und was können wir selbst aus den diskutierten Ansätzen und Vorschlägen mitnehmen?

 

Futurismen: Politik und Ästhetik der Zukunft

Oberseminar und Forschungskolloquium Philosophie

Prof. Dr. Marina Martinez Mateo und Anne Gräfe, M.A.

Zeit: Mittwoch 17.00–21.00 Uhr, zweiwöchentlich.

Termine: 28.10., 11.11., 25.11., 09.12., 13.01., 27.01., 10.02.

Termine Doktorand_innenkolloquium: 09.12., 10.02.

Raum: E.EG.28

Was bedeutet „Zukunft“ als ästhetisch-politische Kategorie und was impliziert deren Verwendung? Wenn man verschiedene Weisen der ästhetischen und politischen Bezugnahme auf „Zukunft“ betrachtet, zeigt sich, dass dies sehr Unterschiedliches bedeuten kann. So forderte der italienische Futurismus der 1910er und ‘20er Jahre eine Befreiung der Kunst von ihrer nostalgischen Bindung an die Vergangenheit, um sich durch die volle Entfaltung kreativer Energien in „Schöpfung und Tat“ der „Zukunft“ zu öffnen. Dabei wollte man – in immer expliziterer Nähe zum Faschismus – von der Modernisierung der Kunst zu einer Politik übergehen, die „gewalttätig“, „freiheitlich“, „dynamisch“ und von der „Schönheit“ des Krieges und der Gefahr geleitet sei. Wenn heute der sogenannte „Akzelerationismus“ ebenfalls verspricht, die Zukunft zurückzuholen, so gibt es dabei klare Bezüge zur Kategorie der Zukunft im historischen Futurismus, auch wenn hier explizit ein anderes politisches Programm im Zentrum steht. Das Beispiel des „Afrofuturismus“ bringt wiederum die Bezugnahme auf eine utopische, aber nicht konkret bestimmbare, Zukunft ein, um über rassistische Verhältnisse hinauszudenken, während auf der anderen Seite die – kritisch gemeinte – Kategorie „Reproductive Futurism“ (Lee Edelman) verdeutlicht, wie die Zukunft zu einer eigenen normativen Instanz werden kann (etwa in der Rede von den „zukünftigen Generationen“), durch die politische Handlungsfähigkeit in der Gegenwart begrenzt wird. Mit der Kategorie „Zukunft“ ist außerdem auch der Anspruch auf Verbesserung, Optimierung und Fortschritt verbunden – Kategorien, die im Kontext des „Neoliberalismus“ deutlich bestimmend sind und mittlerweile in sämtliche Gesellschaftsbereiche hineinragen.

„Zukunft“ bedeutet eine Öffnung, die Hoffnung auf eine Bewegung der Veränderung, in der die Gegenwart zur Vergangenheit geworden ist. Dass dies sowohl auf ein utopisches Moment verweisen als auch repressiv und zerstörerisch funktionieren kann, soll im Oberseminar diskutiert werden. Indem wir uns mit verschiedenen hier genannten „Futurismen“ auseinandersetzen, versuchen wir die verschiedenen Stränge, Bedeutungsdimensionen und internen Ambivalenzen im Zukunftsbezug zu verstehen und zu systematisieren.

Zum Seminar gehört auch das Forschungskolloquium Philosophie. In zwei der Sitzungen (09.12. und 10.02.) wird es die Möglichkeit geben, (zukünftige) Dissertationen, Abschlussarbeiten und Forschungsprojekte zu besprechen. Studierende und Interessierte sind sehr herzlich eingeladen, ihre Arbeiten vorzustellen. Bei Interesse melden Sie sich bitte bei Anne Gräfe.

 

Grundlagen der Kunst- und Kulturgeschichte / Einführung in die Kunstgeschichte und Philosophie

Freie Kunst FK-T1 sowie KP D.01.09 (Pflichtveranstaltung für Studierende im 1. Sem. der Freien Kunst und der Kunstpädagogik)

Dozent*innen: Prof. Dr. Marina Martinez Mateo, Prof. Dr. Florian Matzner, Prof. Dr. Dietmar Rübel.

Zeit: Mittwoch, 14.00–14.45 oder 15.00–15.45 Uhr (wöchentlich), beginnend am 21.10.2020

Raum: E.EG.28 oder E.O1.23 oder E.EG.29 (je nach Anmeldung)

Die wöchentliche Veranstaltung zielt auf die Vermittlung von Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens, insbesondere in Kunstgeschichte und Philosophie. An exemplarischen Beispielen wird ein Überblick über die Geschichte der Kunst sowie die wichtigsten Methoden sowie Themenfelder der Kunstgeschichte und Philosophie geboten. Dazu werden ausgewählte Kunstwerke in Verbindung mit ausgewählten Texten (Primärquellen sowie Sekundärliteratur) gemeinsam diskutiert. Zudem besuchen wir die für die Geschichte und Theorie der Kunst wichtigen Museen und Bibliotheken. Der Bibliotheksbesuch dient auch der Einführung in die Literaturrecherche; zudem werden relevante Internetressourcen vorgestellt und Hinweise zum Erstellen von Referaten und Hausarbeiten gegeben.

Leistungsnachweis: regelmäßige Teilnahme (mind. 80 % Anwesenheit)

 

Singularitäten und Singularisierung

Seminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik E.02.09)

Anne Gräfe, M.A.

Zeit: Donnerstag, 15.00-17.00 Uhr, wöchentlich, beginnend am 29.10.

Raum: A.EG.01, E.EG.28 (10.12.)

In seinem Buch Die Gesellschaft der Singularitäten erklärt der Kultursoziologe Andreas Reckwitz, dass sich anhand des Prozesses der Singularisierung die kulturellen, politischen und sozialen Entwicklungen der Gegenwart erklären ließen. Die Singularisierung beschreibt demnach den Entstehungsprozess der Singularitäten. Aber was sind eigentlich Singularitäten? Denn je nach theoretischer sowie politischer Perspektive subsummieren sich unter dem Begriff der Singularität eigentlich äußerst diverse Vorstellungen: So wird Singularität mal als einheitliche Einheit des Singulars als „Single“ (Jameson), als prozessual (Haraway), als individuell einzigartig (Reckwitz), als universell (Badiou), als plural (Nancy), als nichtmenschliche Kraft (Deleuze), sowie als technologisches Ereignis verstanden, welches „die menschliche Zivilisation radikal verändern wird“ (Eden, Moor). Für Felix Guattari ist der Prozess der Singularisierung darüber hinaus eine mögliche Gegenkraft zu Standardisierung und Normierung im Kapitalismus, da dieser „neue soziale und ästhetische Praktiken, neue Praktiken des Selbst“ ermögliche und somit gerade nicht das Singuläre als normativ einzigartig beschreibe, sondern als divers und stetig in Veränderung begriffen.

Die verschiedenen theoretischen Ansätze sollen im Seminar dahingehend diskutiert werden, wie Singularität ein pluralistisches „Eins“ anspricht, wie es sich von der Idee des Spezifischen und Individuellen unterscheidet und inwiefern der Prozess der Singularisierung stets eine (kritische?) Reaktion auf als gegeben und normiert gesetzte Lebensweisen der Gegenwart zu verstehen ist, die sich in dem Gebot der Gleichheit in Verschiedenartigkeit ausdrücken ließen.

Leistungsnachweis: regelmäßige Teilnahme (mind. 80 % Anwesenheit), Anfertigung einer Hausarbeit (mind. 10 Seiten)

 

Camp, Gegen-Interpretation und eine neue ästhetische Erlebnisweise

Seminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik E.02.09)

Anne Gräfe, M.A.

Zeit: Freitag, 10.00-14.00 Uhr, zweiwöchentlich, beginnend am 06.11., weitere Termine: 20.11. / 4.12. / 18.12. / 8.1. / 22.01. / 5.2.

Raum: E.O1.23

„Es gibt außer der ‚Postmoderne‘ in der ästhetischen Theorie wohl keinen Begriff, der so diffus und gleichzeitig so wirkungsmächtig ist“, wie ‚camp‘, schrieb Felix Stephan in der Süddeutschen Zeitung. Was ‚camp‘ ist, sei dafür umso problematischer zu fassen. 1964 definiert Susan Sontag 'camp' als eine Erlebnisweise, eine Sensibilität in der Art und Weise der Betrachtung der Kunst und der Welt unter rein ästhetischen Gesichtspunkten. Dabei wird das Ästhetische derart überhöht, dass das Moralische und das Politische scheinbar dahinter verschwinden. Das Teilnahmslose, Coole und dabei vermeintlich nicht Identifizierende ist es, was Camp einerseits ausmacht. Andererseits ist Camp verwandt mit Ironie, Kitsch und Popkultur. „Reines Camp ist immer naiv. Camp, das weiß, dass es Camp ist, überzeugt in der Regel weniger.“ Die als camp rezipierte Kunst, ist somit in aller Regel ernst gemeint und wird dadurch zugleich als camp wie nicht-camp rezipiert, also sowohl als camp als auch als ernst gemeinte, sich damit zu identifizierender Kunst verstanden. Bei Camp wurde in Form der ironischen Überhöhung und Übertreibung von sich selbst ernstnehmenden stereotypen Vorstellungen innerhalb der Gesellschaft gerade jene stereotype Vorstellung als solche vorgeführt und entlarvt (auch wenn das nicht primäres Ziel der Camp-Bewegung gewesen sein mag). Interessant ist, dass Camp, von dem Susan Sontag selbst schrieb, es sei nicht zu beschreiben möglich, sich von einer ironischen Brechung mit der Massenkultur der 1960er und -70er Jahre, „Kultur in Anführungszeichen zu konsumieren“, in der Gegenwart zu einer Retro-Mode und damit einem Massenphänomen entwickelte, dabei mittlerweile als oftmals ironiefreie Aneignung und Überhöhung, mithin als Produkt wie Motor, dieser Massenkultur fungiert. Und nicht zuletzt sah Sontag im Erleben der Psychopathologien des Überflusses den Erfahrungsraum für Camp abgesteckt. Diese Psychopathologien des Überflusses haben sich seit damals jedoch intensiviert und verändert. Was kann dann heute camp sein?

Ausgehend von Susan Sontags Essays wird das Seminar mit Blick auf aktuelle künstlerische Positionen und andere theoretische Texte untersuchen, welche Aktualisierungen sich seit Sontags Essays in Kunst, Popkultur und Ästhetik ausmachen lassen und wie Sontags Überlegungen in Zeiten von Identitätspolitik und Spätkapitalismus weiterhin helfen könnten, eine andere Perspektive, als neue ästhetische Erlebnisweise, einzunehmen.

Leistungsnachweis: regelmäßige Teilnahme (mind. 80 % Anwesenheit), Anfertigung einer Hausarbeit (mind. 10 Seiten).

 

Unter anderen Bedingungen

Blockseminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik E.02.09)

Nisaar Ulama, M.A.

Termine: Do 29.10., 18.00-20.00 Uhr, Fr 30.10., 10.00-18.00 Uhr, Sa 31.10., 10.00-16.00 Uhr

Raum: A.EG.01

Unter anderen Bedingungen wäre die Akademie ein Ort des freien Austausches und ein Seminar der Raum, in dem nichts außer Frage steht – auch das, was Theorie und Praxis, Philosophie und Kunst überhaupt sein können. Nun steht dies selbst in Frage, für ungewisse Zeit. Wie andere Orte der Zusammenkunft und der Zusammenarbeit ist auch die Akademie damit konfrontiert, eigentlich unmögliche Bedingungen festlegen zu müssen, um eine Minimalform des Austausches garantieren zu können.

Doch zwischen der Sehnsucht nach Normalität und der Erschöpfung durch Improvisation lässt sich ein Ausnahmezustand auch als Gelegenheit verstehen, ganz Grundsätzliches anzuzweifeln. Mehr denn je stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen unsere Kunst- und Wissensproduktion eigentlich stattgefunden hat und in Zukunft stattfinden soll. Was kann die Souveränität einer Institution wie der Akademie der Bildenden Künste, als Garant theoretischer und praktischer Freiheit noch bedeuten? Was bleibt von unseren Klagen, wenn wir das Selbstmitleid der Privilegierten abziehen? Wogegen sollen die dicken Mauern der Akademie eigentlich noch schützen?

Dies sind einige Fragen, durch die wir nicht unbedingt zu Antworten, aber möglicherweise zu anderen Bedingungen gelangen könnten. Das Seminar findet als Blockseminar statt, und frei nach Derrida gilt daher: Lassen wir uns Zeit, aber tun wir es schnell, denn wir wissen nicht, was uns erwartet.

Lektüre zur Vorbereitung:

Rosi Braidotti, How To Do Posthuman Thinking, in: Dies., Posthuman Knowledge, Polity Press 2019

Jacques Derrida, Die unbedingte Universität, Suhrkamp 2001

Zoe Todd, An Indigenous Feminist’s Take On The Ontological Turn: ‘Ontology’ Is Just Another Word For Colonialism, in: Journal of Historical Sociology Vol. 29 (1), 2016

 

Das Gewebe der Dämonischen Leinwand – Bildräume jenseits von Sichtbarkeit

Lehrauftrag

Seminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik E.02.09)

Leo Heinik, M.A.

Zeit: Freitag, 10.00-14.00 Uhr, zweiwöchentlich, beginnend am 23.10.

Weitere Termine: Termine: 23.10., 30.10., 13.11., 27.11., 11.12., 15.01., 29.01.

Raum: E.O1.23

Die Dämonische Leinwand ist der Titel, den Lotte H. Eisner für ihr 1952 erschienenes Buch über die Entwicklung der Filmproduktion im Deutschland der 1920er Jahre gewählt hat. Eisner ist keine distanzierte Beobachterin – ist die Geschichte, die sie bis zum Nationalsozialismus nachzeichnet, doch auch eng mit ihrer eigenen Biografie verknüpft. Mit vielen ihrer Protagonist*innen verband sie eine enge Freundschaft. Als oppositionelle, jüdische Autorin sah sie sich 1933 nach der Machtübernahme durch die Nazis gezwungen, aus Deutschland zu fliehen. Mit der Figur des Dämonischen legt sie einen Zugang zu den Widersprüchen und Abgründen, die sich in den Verwerfungen der Leinwand verbergen. Wenn sich auf ihrer Oberfläche Doppel- und Wiedergänger*innen aus dem Helldunkel schälen und mit ausufernden, abgehackten Bewegungen wieder in die expressiven Hintergründe stürzen, gibt sich die Leinwand als besessene, heimgesuchte Struktur zu erkennen. Sie wölbt und sträubt sich unter den Spannungen, die an ihr zerren, richtet sich auf und faltet sich zum Spukhaus, in dem sich eine Bewohner*in wiederfindet, die kurz zuvor noch dachte, sie sei lediglich Betrachter*in.

Von Eisner, die sich auf Goethes Sprachgebrauch des Dämonischen als unerbittlicher Schicksalskraft bezieht, führt das Seminar zu Jacques Derridas Hantologie. Als Gegenkonzept zur Ontologie, der Lehre vom Seienden, besetzt diese materialistische Lehre von der Heimsuchung die Lücken, die sich an den Übergängen zwischen den Zeit- und Bedeutungsebenen von Ware, Gebrauchsgegenstand und Erinnerungsträger auftun. Wendy Hui Kyong Chun zeigt, dass auch in zeitgenössischen Technologien dämonische Kräfte am Werk sind. In der Gestalt von Hintergrundprozessen sind sie an der Aufrechterhaltung von Interfaces beteiligt, die ihren User*innen Gefühle von Kontrolle und Handlungsfreiheit vermitteln. In aktuellen Filmen von Nia DaCosta, Mati Diop, Bong Joon-ho und Jordan Peele sind Besessenheit und Heimsuchung Werkzeuge, mit denen rassistische und klassistische Strukturen greifbar werden.

In jeder Sitzung werden ausgewählte Texte und Filme zueinander in Bezug gesetzt und diskutiert. Damit folgt das Seminar den Dynamiken des Dämonischen und der Heimsuchung in der Hoffnung, das Feld des Sichtbaren letztlich zu verlassen. Denn der Blick ist träge und der visuellen Flüchtigkeit der Geister nicht gewachsen. Ist es möglich, die Erscheinungen zu fassen zu bekommen? Wie fühlt sich ein Gespenst an, wie eine Projektion?

 

Reproduktion, Zirkulation, Migration. Gegenwärtige Positionen der Ästhetik

Lehrauftrag

Blockseminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4)

David Weber, Dipl. Phys. 
Termine: 13.01. 14.00–18.00 Uhr, 14.01. 10.00–18.00 Uhr, 15.01. 10.00–16.00 Uhr

Raum: A.EG.01 (13.01.), E.EG.28 (14./15.01.)

Das Blockseminar bietet eine schlaglichtartige Kartierung zeitgenössischer ästhetischer Theorie im Anschluss an prominente Positionen der Moderne und Postmoderne. Aufgegriffen werden Begriffe wie Reproduktion und Reproduzierbarkeit (Benjamin), der Medienspezifik (Greenberg, Fried, Krauss), der Dissemination (Derrida, Barthes) und des Simulakrums (Baudrillard, Deleuze), um ihre diskursgeschichtlichen Transfers in Theorieentwürfe nachzuzeichnen, die sich bemühen, spezifisch zeitgenössische Phänomene zu erfassen. Es geht dabei u.a. um die Verflüssigung und Entgrenzung der Reproduktion im Zeitalter digitaler Netzwerke, wo Aspekte der Dematerialisierung (Lucy Lippard) und der Rematerialisierung („Post-Digital“, Diana Coole) in einem eigentümlichen Double-Bind verschaltet sind. Schon spätestens in den 70er Jahren (Pictures, Crimp) hatte sich die gleißende Tiefe reproduzierter Oberflächen erwiesen; diese gewinnt unterdessen als Zirkulation in den Netzen eine veränderte Dynamik und propagiert Modifikationen im Status der Werke und Autor*innenschaft (Joselit, Steyerl, Price). Gibt es also eine New Aesthetic (Bridle, Sterling, Manovich, Galloway) im Kontext eines post-postmodernen, millennialen Mindsets (New Sincerity, Foster Wallace, Tao Lin)? Die Globalisierung qua Datennetzen ist dabei nicht zu trennen von den Bewegungen der Kulturen, Waren und Menschen: Phänomene der Afroisierung markieren, neben anderen, die Tatsachen verallgemeinerter Migration: Sei es modernistisch-optimistisch: Afro-Futurismus (Anderson, Delaney, Eshun); skeptisch-militant: Afro-Pessimismus (Sexton, Moten, Wilderson); oder post-Ferguson thetisch: This is … Afro-Surrealismus (T. Francis, D. Glover, T. Nance).

 

Full Surrogacy now

Lehrauftrag der Frauenbeauftragten

Seminar (Freie Kunst FK-T2)

Yanna Thönnes

Termine: Fr 27.11., 14.00-17.00 Uhr, Fr 04.12., 10.00-17.00 Uhr, Sa 05.12., 10.00-17.00 Uhr

Raum: E.O1.23 (27.11.), E.EG.28 (04.12.), A.EG.01 (05.12.)

Um Anmeldung wird gebeten per Studierendenportal

“Where pregnancy is concerned, let every pregnancy be for everyone. Let us
overthrow, in short, the family.”

Schwangerschaft ist immer noch ein ungelöstes Problem.

Das Seminar “Full Surrogacy Now” wird sich mit dem Mythos Mutterschaft beschäftigen, indem es eine Gegenfigur analysiert: Die Leihmutter. Anhand der Lektüre von “Full Surrogacy Now - Feminism Against Family” von Sophie Lewis werden wir verschiedene Themen rund um das Phänomen Leihmutterschaft beleuchten: Surrogacy (von lat surrogare: ersetzen) interessiert uns zunächst als Phänomen der bezahlten Reproduktionsarbeit, welche in neoliberale Machtgefälle entlang von Gender, Klasse, Race und Kaste verstrickt ist.

In der Untersuchung der Mechanismen, die reproduktive globale Ungleichheiten hervorbringen, werden wir den Markt rund um den “Traum vom genetisch verwandten Kind” sondieren: Fallstudien von indischen sogenannten Baby-Farmen und die globalen Wege von Eizellen, Spermien, den sogenannten commissioning parents und Leihmüttern dienen uns als Grundlage, um das ökonomische Feld zu verstehen. Schließlich fokussieren wir uns auf die Arbeit der Leihmütter selbst, die sich zwischen Affektkontrolle, emotionalem Management, ständiger Verfügbarkeit und Stigmatisierung abspielt.

Im zweiten Teil des Seminars soll der Mythos Mutterschaft als Darstellungsthema der jüngeren Kunstgeschichte sowie zeitgenössischer Positionen beleuchtet werden. Abschließend gilt es, zu diskutieren, wie Leihmutterschaft als theoretische Figur und als Praxis ihr queeres Potential entfalten und patriarchale, kapitalistische Konstruktionen von Familie auf den Kopf stellen kann - und nicht zuletzt, wie wir als junge Künstler*innen mit der Frage von Elternschaft persönlich konfrontiert sind.

 

Sommersemester 2020

 

Lehrstuhl für Philosophie | Ästhetische Theorie

Prof. Dr. Marina Martinez Mateo (Lehrstuhlvertretung), Anne Gräfe, M.A., Nisaar Ulama, M.A., Dr. des Hanna Sohns (Lehrauftrag), David Weber (Lehrauftrag), Dipl. Phys. 

 

Von Aisthesis zu Ästhetik

Vorlesung (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik Modul E.01.09)

Prof. Dr. Marina Martinez Mateo

Termin: Donnerstag 11.00–13.00 Uhr (wöchentlich), Beginn: 30.04.2020

Die Veranstaltung wird (zunächst) online stattfinden. 

 

(Raum: E.O1.23, E.EG.22 (16.07.))

Anmeldung über das Studierendenportal

 

Was ist Ästhetik? Diese Frage ist nicht nur deshalb unmöglich zu beantworten, weil „Ästhetik“ ein umkämpfter und deutungsabhängiger Begriff ist. Sie ist darüber hinaus auch historisch höchst spezifisch und selbst – nicht nur in der möglichen Antwort, sondern bereits in der Formulierung der Frage – Ergebnis einer historischen

Entwicklung, mit der das Ästhetische erstmals zu einem (philosophischen) Thema wurde. Bezog sich das alte Verständnis von Ästhetik (unter dem Begriff „Aisthesis“) eher auf Sinneswahrnehmung im Allgemeinen, lässt sich im 18. Jahrhundert ein Umbruch verzeichnen: Erstmals wurde Ästhetik mit einer besonderen Form der Erfahrung und einer besonderen Form des Ausdrucks in Verbindung gebracht, die sich von einer unmittelbar-unreflektierten, „natürlichen“ Form der Wahrnehmung unterschieden und darin philosophisch bedeutsam wurden.

Wie lässt sich dieser Umbruch beschreiben und was genau bedeutet er? Inwiefern geht die alte Bedeutung (in neuer Form) in den modernen Ästhetikbegriff ein und wo kommt dabei das Neue her? Zum Verständnis des „modernen“ Begriffs der Ästhetik ist es von wesentlicher Bedeutung, diesen Bruch genauer in den Blick zu nehmen, und zu verstehen, wie (und wogegen) sich dieser Begriff herausgebildet hat. Entscheidend ist dabei auch, den politischen Kontext zu berücksichtigen. Schließlich liegen diese begrifflichen Verschiebungen in einer Zeit revolutionärer Umbrüche – was Jacques Rancière zur Aussage gebracht hat, „die gesellschaftliche Revolution ist eine Tochter der ästhetischen Revolution“. Die Vorlesung wird entsprechend zwei Strategien verfolgen: Auf der einen Seite werden wir die zentralen philosophischen Texte der Zeit betrachten, an denen sich die Herausbildung eines neuen Begriffs der Ästhetik nicht nur zeigt, sondern teilweise auch explizit vorgenommen wird. Auf der anderen Seite werden wir aktuelle (bzw. aktuellere) Texte diskutieren, in denen dieser Umbruch reflektiert und in seiner historischen Bedeutung gedeutet wird. Am Ende der Vorlesung werden wir die Frage „Was ist Ästhetik?“ sicherlich nicht beantwortet, aber womöglich einen Eindruck davon bekommen haben, was in dieser Frage alles impliziert und angenommen ist.

 

Dekoloniale Ästhetik und Negritude

Seminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik Modul E.02.09)

Prof. Dr. Marina Martinez Mateo

Termin: Dienstag, 16.00–20.00 Uhr (zweiwöchentlich), Beginn: 28.04.2020

Das Seminar wird als Kombination aus gemeinsam gestaltetem Blog und online-Diskussion stattfinden.

 

(Raum: E.O1.23, E.EG.22 (14.07.))

Anmeldung über das Studierendenportal

 

Was Ästhetik ist, was als schön gilt oder was es wert erscheint, in den Kanon der Kunstgeschichte aufgenommen zu werden, ist geprägt durch eine Geschichte des Kolonialismus und eine Gegenwart rassistischer Verhältnisse. Nicht nur ist die Gültigkeit ästhetischer Kategorien eurozentrisch geprägt, sondern die Institution des Museums hat darüber hinaus an der Etablierung des Kolonialismus auch aktiv mitgewirkt – wie sich etwa an der aktuellen Diskussion um Restitution zeigt.

Diese Verwobenheit von Ästhetik und Kolonialismus wird im Zentrum des Seminars stehen. Dabei werden wir einerseits Ansätze in den Blick nehmen, die sich kritisch damit auseinandersetzen und sowohl die gängigen ästhetischen Kategorien als auch etablierte Kunst- und Ausstellungspraktiken aus dieser Perspektive in Frage stellen. Andererseits werden wir verschiedene künstlerische, theoretische wie politische Bewegungen diskutieren, die versucht haben (bzw. versuchen), durch eine neue Ästhetik diesen weißen Eurozentrismus zu durchbrechen, und darin auch eine anti-koloniale politische Praxis zu vollziehen suchen. Dazu gehört etwa die Negritude-Bewegung der 1930er Jahre, die in ihrem literarischen wie theoretischen Ausdruck einen Kampf um politische wie ästhetische Selbstbestimmung – um eine Neubestimmung dessen, was „schwarz“ sein bedeutet – sah (besonders bekannt sind hier etwa Aime Césaire, Léopolod Sédar Senghor oder Paulette Nardal). Die Negritude hat nicht nur eine Reihe von (teilweise äußerst kritischen) Diskussionen entfacht (hier sind etwa Frantz Fanon und Jean-Paul Sartre zu nennen), sondern auch die europäische Kunst der Zeit sichtbar beeinflusst. In aktuellen Ansätzen einer „black radical aesthetics“ werden diese Diskussionen gewissermaßen aufgegriffen, um – von dort ausgehend und gegen ihre Fallstricke – die Erfahrung des „Schwarzseins“ ästhetisch zu deuten, um nach widerständigen Ausdrucksmöglichkeiten zu suchen. Dieser ästhetische Ausdruck wird zu einer politischen Positionierung und zu einem Mittel antirassistischer Kämpfe – aus einer Situation radikalen Ausschlusses heraus, in der jede politische Handlungsmöglichkeit abgeschnitten scheint (zentrale Ansätze sind hier etwa diejenigen von Fred Morten und Hortense Spiller).

In Auseinandersetzung mit diesen Positionen und Ansätzen wird das Seminar die Frage adressieren, wie eine dekoloniale Ästhetik aussehen könnte und welche Rolle die Kategorie „race“ dafür spielen müsste. Damit steht auch der Zusammenhang von ästhetischem Ausdruck und politischer Transformation ganz im Zentrum der Diskussion. Orientieren werden wir uns dabei an den drei genannten thematischen Blöcken: 1. Kritische Perspektiven auf Kolonialismus und Ästhetik; 2. Diskussionen um Negritude; 3. Black Radical Aesthetics.

 

Hannah Arendt – Denken ohne Geländer

Seminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik Modul E.02.09)

Anne Gräfe, M. A.   

Das Seminar ist aufgrund der gegenwärtigen Situation als Home- und Onlineseminar geplant. Die Anmeldung erfolgt weiterhin über das Studierendenportal. Via Sync&Share werden Seminarplan, Medien, Links, sowie alle weiteren Informationen zur Verfügung gestellt. Der Link zu Sync&Share sowie zum Online-Konferenz-Raum wird in der ersten Vorlesungswoche via Mail an alle über das Studierendenportal registrierten Teilnehmenden versendet.

  

Die Exkursion nach Berlin (siehe unten) bleibt erst einmal wie geplant und wird je nach Entwicklung verschoben.

 

Bei Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen und daraus erfolgendem 'normalen' Akademiebetrieb:

Donnerstag 15.00–17.00 Uhr (wöchentlich); Beginn: 30.04.2020; Raum: E.EG.22, E.ZG.04 (16.07.)

 

Ein „Denken ohne Geländer“ nennt Hannah Arendt (1906 – 1975) ihre Methode des radikal unabhängigen Denkens, das frei von allgemeinen Glaubenssätzen, modischen Denkrichtungen, feststehenden Prinzipien, tradierten Normen und gängigen Vorurteilen ein selbstständiges, reflektiertes Urteilen ermöglicht und Fragen aufzuwerfen imstande ist, deren Aktualität auch in unserer Gegenwart ungebrochen erscheinen. So fragt Arendt beispielsweise angesichts der politischen Ereignisse ihrer Zeit, „Hat Politik überhaupt noch einen Sinn?“. Denn die Krisen der Welt lassen sich oft nicht mit herkömmlichen Erklärungsmustern deuten, noch ließe sich laut Arendt das Ereignis des Totalitarismus als ungebrochene Kontinuität begreifen. Das bedeutet, dass das Denken neu gelernt werden muss, „als wenn niemand zuvor gedacht hätte“. Das Seminar übt mit Arendt, „wie man denkt“, ohne „Vorschriften darüber, was gedacht werden soll oder welche Wahrheiten hochzuhalten wären“. Arendts Antwort auf ihre obige Frage ist denn auch: „Der Sinn von Politik ist Freiheit“. Denn politische Freiheit, Freiheit überhaupt, ist für Hannah Arendt unabdingbar verknüpft mit dem, was Kant sensus communis nennt, Gemeinsinn. Der Gemeinsinn begründet einen stets offen zu haltenden Zwischenraum, in dem sich frei bewegt, gedacht, verhandelt und reflektiert geurteilt werden kann. 

Das Seminar wird jenes reflektierte Urteilen, das aus dem Denken ohne Geländer erwächst, anhand verschiedener Texte Hannah Arendts, u.a. zur Lage der Geflüchteten, zum Eichmann-Prozess, über Revolutionen, Feminismus, Studierendenbewegungen aber auch zu Philosophie und Politik, diskutieren und anhand eigener gegenwartsbezogener Fragen aktualiseren.

 

Exkursion:

Vom 27. – 29.05. wird es eine das Seminar begleitende Exkursion zur Ausstellung „Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert“ im Deutschen Historischen Museum Berlin geben.

27.05. 15 Uhr: Besuch der Ausstellung inkl. Kuratorinnenführung + Abendveranstaltung zu Hannah Arendt und die Studierendenbewegung; mit Monika Boll (Kuratorin), Norbert Frei (Historiker, Uni Jena), Philipp Felsch (Kulturwissenschaftler HU), Mathias Schloßberger (Philosoph, Viadrina)

28.05. 16-20 Uhr: gemeinsamer Workshop am Institut für Kulturwissenschaft der HU zusammen mit dem Seminar „Links-Mitte-Rechts“ von Mathias Schloßberger, Europa-Universität Viadrina

29.05.: angefragter Vortrag * Diskussion zu "Hannah Arendt und der Populismus"

Die Teilnehmerzahl ist beschränkt, um vorherige Anmeldung wird gebeten.

 

 

Gesellschaft in Überforderung

 

Seminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik Modul E.02.09)

Anne Gräfe, M. A.

Das Seminar wird aufgrund der gegenwärtigen Situation nicht wie geplant als Präsenzseminar sondern in anderer Form stattfinden. Unter Sync&Share werden Seminarplan, Medien, Links, sowie alle weiteren Informationen zur Verfügung gestellt. Der Link zu Sync&Share sowie zum Online-Konferenz-Raum wird in der ersten Vorlesungswoche via Mail an alle über das Studierendenportal registrierten Teilnehmenden versendet.

 

Bei Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen und daraus erfolgendem 'normalen' Akademiebetrieb:

Freitag 10.00–14.00 Uhr (zweiwöchentlich);  Beginn: 08.05.2020; weitere Termine: 05.06., 12.06., 19.06., 03.07., 17.07.; Raum: E.O1.23, E.EG.22 (17.07.)

 

Die Ermüdung, Indifferenz oder gar Langeweile, die Betrachter/innen zeitgenössischer Kunst ereilt, kann als jene Art von Aufmerksamkeitsüberforderung verstanden werden, die man erleidet, wenn man versucht, ein Wörterbuch zu lesen (Sianne Ngai). Dass diese Überforderung in Langeweile umschlägt, diese Langeweile wiederum ein kritisches Potential entwickeln kann, soll im Seminar diskutiert werden.

Die Subjekte der Gegenwart unterstehen einem stetigen Aktualisierungsprozess, welcher sich nicht zuletzt in den Arbeiten der Gegenwartskunst niederschlägt. Wurde das Subjekt in der Vergangenheit noch fremdbestimmt und durch ein fremdes „Außen“ diszipliniert, hat sich das Subjekt der Gegenwart oft genug bereits diesen Anforderungen angepasst und Disziplinierung und Kontrolle finden von „Innen“ her statt (Michel Foucault): Die entgrenzten Arbeitsverhältnisse, in denen Flexibilität, ständige Erreichbarkeit und Selbstkontrolle vorausgesetzt werden, wo nicht mehr von 9 bis 5 sondern auf Projektbasis gearbeitet, Zeiterfassung in Vertrauensarbeitszeit und der Arbeitsplatz in Homeoffice umgewandelt wird, wirken sich also weiterhin auch auf das Subjekt der Gegenwart aus, indem sie dieses auch weiterhin „von außen“ disziplinieren. Aber darüber hinaus vollzieht sich innerhalb bestimmter Arbeitsbereiche eine Selbstdisziplinierung qua Anpassung, Autonomisierung und Flexibilisierung, die einer Inkorporierung dieser oben genannten entgrenzenden Anrufungen gleichkommt. In der Leistungsgesellschaft steigern die Subjekte der Gegenwart als „Homo oeconomicus“ (Ulrich Bröckling) ihre eigene Leistungsfähigkeit. Arbeit wird zu einem Lebensprojekt in dem sich Arbeitszeit und Lebenszeit nicht nur überschneiden sondern eins werden. So werden vermeintlich private Momente weiterhin als Optimierungszeit in Form von Sinnerfüllung und Auslastung der Lebenszeit genutzt. Die freie, leere Zeit muss mit Sinn erfüllt werden.

Wenn sich jedoch, trotz aller Bemühungen die Langeweile zu besiegen, gegenüber dem vermeintlich Interessanten und Informativen nicht Sinnerfüllung sondern Indifferenz und Lagenweile einstellen, weil die Überforderung zu groß wird, zeigt sich, wie nah beieinander das Interessante und das Langweilige liegen.

Welche Praktiken und Positionen in der Gegenwartskunst diesen depressiven Hedonismus (Marc Fisher) als neuen buddhistischen Geist des Kapitalismus (Greta Wagner) umsetzen, soll im Seminar neben verschiedenen Gegenwartsanalysen aus Philosophie und Sozialwissenschaft mitdiskutiert werden.

 

Kybernetik und Revolte

Seminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik Modul E.02.09)

Nisaar Ulama, M.A.

Das Seminar wird auf das Semesterende verschoben. Texte zur Vorbereitung werden zu Semesterbeginn bereitgestellt. Anmeldung über das Studierendenportal (Teilnehmerbegrenzung).

 

Das Seminar ist nach einem Text des anonymen Autorenkollektivs Tiqqun betitelt. Verhandelt wird dort eine „kybernetische Hypothese“, nämlich die spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg vorherrschende Überzeugung, dass unsere „biologischen, physischen und sozialen Verhaltensweisen als voll und ganz programmiert und neu programmierbar“ zu betrachten sind.

Tiqqun reihen sich in eine Theorietradition ein, für die politische, technische, ästhetische und ökonomische Entwicklungen der Moderne nur als miteinander verschränkte Phänomene zu analysieren sind. Solche Theorien, von denen einige zu historischen Klassikern und prominenten Stichwortgebern der Kulturkritik geworden sind, sollen im Zentrum des Seminars stehen. Hierzu gehören u.a. Jean-François Lyotards Vorstellungen einer ‚postmodernen‘ Wissensgesellschaft; Paul Virilios Dromologie, der zufolge wir in einem ‚rasenden Stillstand‘ gefangen sind; oder Jean Baudrillards These einer Gesellschaft der Simulakren, in der Kunst und Politik tot sind, da die „Realität selbst […] mit ihrem eigenen Bild verschmolzen ist“. Gegenwärtig werden diese Kritiken von Denkerinnen wie Shoshanna Zuboff oder Luciana Parisi fortgeschrieben, die algorithmische Entscheidungsprozesse und die Totalität eines digitalen Überwachungskapitalismus analysieren.

Doch gibt es auch Stimmen, die auf ein emanzipatorisches Potential des Technischen beharren. Warten wir nicht schon zu lange auf eine befreite menschliche Natur irgendwo jenseits des Technokapitalismus? Das Kollektiv Laboria Cuboniks fordert in ihrem Xenofeministischen Manifest deswegen eine „Politik der Entfremdung“, um andere Realitäten zu ermöglichen: „If nature is unjust, change nature!“

Um die Frage nach gesellschaftlichem Wandel angesichts einer Ohnmacht des Politischen kreisen alle hier genannten Texte, und insofern markiert der Titel von Tiqqun ein Paradox: Lässt die Macht eines abgeschlossenen kybernetischen Systems überhaupt so etwas wie Revolte zu? Wird nicht jedes Außen durch sämtliche Informations- und Bildkanäle zu einem Innen? Ist, mit anderen Worten, alle Rhetorik von Subversion und Widerstand immer schon einberechnet und daher wertlos?

 

Ästhetik des Wahns. Perspektiven auf Kunst und Psychiatrie

Blockseminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik Modul E.02.09)

Prof. Dr. Marina Martinez Mateo

Termine: 06.05. 17.00–19.00 Uhr, 05.06. 10.00–18.00 Uhr, 06.06. 10.00–18.00 Uhr.

Das Seminar wird möglicherweise verschoben. Nähere Informationen werden rechtzeitig zur Verfügung gestellt. 

 

Raum: E.O2.29 (06.05.), E.EG.28 (05.06., 06.06.)

Anmeldung über das Studierendenportal

 

Der Zusammenhang von Ästhetik und Wahnsinn ist vielschichtig und ambivalent. Das Ideal des Genies postuliert seine Nähe zum Wahnsinn, während die Zuschreibung als „psychisch krank“ zugleich einen Ausschluss – und darin auch eine Absprache ästhetischen Werts – beinhaltet (wie die Rede von „Patientenkunst“ nahelegt). Wenn Genie und Wahnsinn eng beieinander liegen – wer gilt dann als genial und wer als wahnsinnig? Dass diese Aufteilung nicht zufällig und auch nicht unabhängig von Geschlechtszuschreibungen geschieht, lässt sich anhand einer Reihe historischer Beispiele diskutieren. So zeigt sich ein ambivalentes Verhältnis – nicht nur im Verhältnis von Ästhetik und Wahn, sondern auch im Verhältnis von Kunst und Psychiatrie. Auf der einen Seite gibt es eine Idealisierung des Wahns als eines „wahren“ Ausdrucks tiefer und unverfremdeter Innerlichkeit, die auch mit dem modernen Begriff der Ästhetik verbunden ist. Auf der anderen Seite bildet gerade diese Vorstellung – wie Foucault in Wahnsinn und Gesellschaft eindrücklich zeigt – historisch die Grundlage für die Herausbildung der Psychiatrie und die Etablierung eines repressiven sozialen Ausschlusses des Wahnsinns. Gibt es auf der einen Seite in der Kunst der Moderne, etwa im Surrealismus, eine Faszination für den Wahnsinn, sind auf der anderen Seite visuelle Methoden wie die Fotografie für die Erfindung der Hysterie (Georges Didi-Huberman) und anderer psychischer Krankheiten sowie ihrer Verwissenschaftlichung zentral gewesen. Wie lässt sich dieses Zusammenspiel begreifen? Wir wollen im Seminar verschiedene Stränge verfolgen, um das Verhältnis von Ästhetik und Wahn oder Kunst und Psychiatrie zu beleuchten. Zusätzlich zu den genannten Texten werden wir etwa Antonin Artaud, Friedrich Nietzsche, Luce Irigaray und Hubert Fichte lesen und uns auch Beispiele einzelner Künstler und Künstlerinnen anschauen, die die Erfahrung der Psychiatrie in ihre Arbeiten einfließen lassen.

Das Seminar wird in Kooperation mit dem Psychologen Prof. Dr. Sören Krach (Lübeck) und dem Psychiater und Kunsthistoriker Dr. Maurice Cabanis (Stuttgart) durchgeführt. Es soll aus zwei Blöcken bestehen: Zunächst wird ein Block an der Akademie stattfinden, an dem wir uns anhand von Textdiskussionen dem Thema nähern. Der zweite Block wird eine Exkursion sein, bei der wir die „Sammlung Prinzhorn“ in Heidelberg besuchen, welche die weltweit größte Sammlung künstlerischer Arbeiten von Menschen mit „psychischen Ausnahme-Erfahrungen“ darstellt. Hier sollen die ausgestellten Werke vor dem Hintergrund der Frage des Seminars diskutiert, sowie Form und Rahmung der Ausstellung selbst zum Thema gemacht werden.

 

Reproduktion, Zirkulation, Migration. Gegenwärtige Positionen der Ästhetik

Lehrauftrag

Blockseminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4)

David Weber, Dipl. Phys. 

Termine: 14.05. 14.00–18.00 Uhr, 15.05. 10.00–18.00 Uhr, 16.05. 10.00–16.00 Uhr

Das Seminar wird möglicherweise online stattfinden. Nähere Informationen werden rechtzeitig zur Verfügung gestellt.

Raum: E.O2.29

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Das Blockseminar bietet eine schlaglichtartige Kartierung zeitgenössischer ästhetischer Theorie im Anschluss an prominente Positionen der Moderne und Postmoderne. Aufgegriffen werden Begriffe wie Reproduktion und Reproduzierbarkeit (Benjamin), der Medienspezifik (Greenberg, Fried, Krauss), der Dissemination (Derrida, Barthes) und des Simulakrums (Baudrillard, Deleuze), um ihre diskursgeschichtlichen Transfers in Theorieentwürfe nachzuzeichnen, die sich bemühen, spezifisch zeitgenössische Phänomene zu erfassen. Es geht dabei u.a. um die Verflüssigung und Entgrenzung der Reproduktion im Zeitalter digitaler Netzwerke, wo Aspekte der Dematerialisierung (Lucy Lippard) und der Rematerialisierung („Post-Digital“, Diana Coole) in einem eigentümlichen Double-Bind verschaltet sind. Schon spätestens in den 70er Jahren (Pictures, Crimp) hatte sich die gleißende Tiefe reproduzierter Oberflächen erwiesen; diese gewinnt unterdessen als Zirkulation in den Netzen eine veränderte Dynamik und propagiert Modifikationen im Status der Werke und Autor*innenschaft (Joselit, Steyerl, Price). Gibt es also eine New Aesthetic (Bridle, Sterling, Manovich, Galloway) im Kontext eines post-postmodernen, millennialen Mindsets (New Sincerity, Foster Wallace, Tao Lin)? Die Globalisierung qua Datennetzen ist dabei nicht zu trennen von den Bewegungen der Kulturen, Waren und Menschen: Phänomene der Afroisierung markieren, neben anderen, die Tatsachen verallgemeinerter Migration: Sei es modernistisch-optimistisch: Afro-Futurismus (Anderson, Delaney, Eshun); skeptisch-militant: Afro-Pessimismus (Sexton, Moten, Wilderson); oder post-Ferguson thetisch: This is … Afro-Surrealismus (T. Francis, D. Glover, T. Nance).

 

(Un)Writing gender / Schreiben und Geschlecht

Lehrauftrag

Blockseminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4, Kunstpädagogik E.02.09)

Dr. des. Hanna Sohns

 

Das Seminar wird wahrscheinlich auf Juni verschoben. Weitere Informationen folgen!

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Geschlecht ist nicht, zumindest niemals ausschließlich, eine rein natürliche Kategorie. Geschlecht ist das, was in unzähligen Texten, Erzählungen und Imaginationen hervorgebracht wird. Dabei ist die Bestimmung des Männlichen im Verhältnis zu dem, was Freud das zu allen Zeiten gestellte „Rätsel der Weiblichkeit“ genannt hat, Gegenstand eines lange Zeit rein männlich geführten Diskurses. Weiblichkeit wird hier vor allem zur „Kastration“ des Männlichen und ist von einer Bestimmung männlicher Identität nicht zu trennen. Die Erschütterung dieser Verhältnisse durch die feministische Kritik rüttelt so auch nicht nur an dem Verständnis dessen, was Weiblichkeit ‚ist‘, sondern hat grundlegende Konsequenzen für das Verhältnis und das (Selbst-)Verständnis von Geschlechtern.

Die Forderung nach der Stärkung weiblicher Künstlerschaft ist zentraler Bestandteil gegenwärtiger Debatten und stellt auch die institutionellen Strukturen und Abläufe des Kunstbetriebs grundlegend infrage. Das Potential dieser Forderung besteht aber nicht nur in einer bloßen Verschiebung von Machtverhältnissen, was gewiss schwierig genug ist. Noch etwas anderes könnte und müsste hier verstärkt befragt werden und ist doch in der gegenwärtigen Debatte teils auffallend wenig reflektiert: In welchem Verhältnis steht die eigene Künstlerschaft und besonders das Schreiben überhaupt zu geschlechtlichen / körperlichen Erfahrungen? In welchem Verhältnis steht das Schreiben zu den jahrhundertealten Imaginationen von Geschlechtern?

Das Seminar möchte diesen und damit verbundenen Fragen anhand der Lektüre von verschiedenen theoretischen und literarischen Texten nachgehen (insbesondere von Ovid, Sigmund Freud, Simone de Beauvoir, Luce Irigaray, Silvia Bovenschen, Klaus Theweleit, Judith Butler, Chris Kraus, Virginie Despentes, Sheila Heti). Zusätzlich ließe sich für diese gemeinsame Auseinandersetzung auch – sofern Interesse besteht – die eigene Kunstproduktion und hier v.a. die eigene Schreibpraxis in den Blick nehmen.

Das Seminar versteht sich als gemeinsame Diskussion und als Einführung in ein Nachdenken über Geschlechtertheorie und Geschlechterverhältnisse in ihrer Beziehung zur künstlerischen / literarischen Produktion und setzt keine theoretischen Vorkenntnisse voraus.

 

Futurismen: Politik und Ästhetik der Zukunft

Forschungskolloquium Philosophie

Prof. Dr. Marina Martinez Mateo und Anne Gräfe, M.A.

Mittwoch 17.00–21.00 Uhr,  Beginn: 29.04.2020

Termine: 06.05.; 20.05.; 03.06.; 17.06.; 01.07.; 15.07.

Das Kolloquium wird (zunächst) online stattfinden. 

 

(Raum: E.ZG.04 (22.04.), E.O2.29 (29.04., 13.05., 17.06.), E.EG.22 (27.05.), E.O1.23 (24.06., 08.07.))

 

Was für eine Art von ästhetisch-politischer Kategorie ist „Zukunft“? Was bedeutet und was impliziert es, sich auf die Zukunft zu berufen? Offenbar kann „Zukunft“ nicht nur sehr unterschiedliches meinen, sondern auf sehr unterschiedliche Weise eine wirksame Kategorie sein.

Der italienische Futurismus der 1910er und ‘20er Jahre fordert eine Befreiung der Kunst von ihrer nostalgischen Bindung an die Vergangenheit, um sich durch die volle Entfaltung kreativer Energien in „Schöpfung und Tat“ der „Zukunft“ zu öffnen, worin eine deutliche – und in ihrem Verlauf immer explizitere – Nähe zum Faschismus lag. Von einer Modernisierung der Kunst wollte man zu einer Politik übergehen, die „gewalttätig“, „freiheitlich“, „dynamisch“ und von der „Schönheit“ des Krieges und der Gefahr geleitet sei. Wenn heute der sogenannte „Akzelerationismus“ ebenfalls verspricht, die Zukunft zurückzuholen, so ist damit explizit ein anderes politisches Programm gemeint, das sich als antikapitalistisch und emanzipatorisch versteht. Dennoch gibt es hier klare Bezüge zum historischen Futurismus, die sich insbesondere in der Kategorie der „Zukunft“ zeigen. Das Beispiel des „Afrofuturismus“ zeigt, dass die fiktive Bezugnahme auf eine utopische, aber nicht konkret bestimmbare, Zukunft auch die Möglichkeit öffnet, über schlechte – rassistische – Verhältnisse hinauszudenken. Eine solche Zukunft ermöglicht eine antirassistische Politik, in der die Kategorien und Identitäten, gegen die man sich wehrt, nicht festgeschrieben werden. Auf der anderen Seite verdeutlicht die – kritisch gemeinte – Kategorie „Reproductive Futurism“ (Lee Edelman), wie die Zukunft zu einer unhinterfragbaren normativen Instanz werden kann (etwa in der Rede von den „zukünftigen Generationen“), durch die jede politische Handlungsfähigkeit in der Gegenwart begrenzt wird. Es stellt sich von hier aus unmittelbar die Frage, inwiefern sich dies auch über die Bezugnahme auf die Zukunft in der „Fridays for Future-Bewegung“ sagen lässt. Darüber hinaus verbindet sich mit der Kategorie „Zukunft“ stets auch der strategische Anspruch von Verbesserung, Optimierung, Fortschritt – Kategorien, die ihrerseits stark neoliberal geprägt wurden und mittlerweile in sämtliche Gesellschaftsbereiche hineinragen.

„Zukunft“ bedeutet eine Öffnung, eine Unbestimmtheit, die Hoffnung auf eine Bewegung der Veränderung, in der die Gegenwart zur Vergangenheit geworden ist. Dass dies in gänzlich unterschiedlicher Weise geschehen kann und sowohl auf ein utopisches Moment verweisen als auch repressiv und zerstörerisch funktionieren kann, soll im Oberseminar diskutiert werden. Indem wir uns mit verschiedenen hier genannten „Futurismen“ auseinandersetzen, versuchen wir die verschiedenen Stränge, Bedeutungsdimensionen und internen Ambivalenzen im Zukunftsbezug zu verstehen und zu systematisieren. Zwei der Sitzungen (13.05. und 17.06.) fungieren als Doktorand_innenkolloquium, in denen zukünftige Dissertationen, Abschlussarbeiten und Forschungsprojekte besprochen werden.

 

Forschungskolloquium (für Masterabsolvent_innen, Doktorand_innen und Post-Doktorand_innen)

Prof. Dr. Marina Martinez Mateo; Anne Gräfe, M.A.

Mittwoch, 17.00 – 21.00 Uhr; Termine: 13.5.2020, 17.6.2020

Das Kolloquium wird wahrscheinlich im Sommer als Blockveranstaltung stattfinden. Nähere Informationen werden rechtzeitig zur Verfügung gestellt. 

Das Forschungskolloquium bietet die Möglichkeit, laufende philosophische, ästhetische oder kunsttheoretische Qualifikationsarbeiten vorzustellen und zu diskutieren.

Teilnahme nach vorheriger Anmeldung unter: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

 

Full Surrogacy Now

Lehrauftrag der Frauenbeauftragten

Yana Thönnes (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Das Seminar wird auf das Wintersemester 2020/21 verschoben.

 

 

 

Studientag "Materialität der Maschinen"

Nisaar Ulama, M.A. (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Mit Dr. Anna Fricke (Museum Folkwang Essen) und Lena Sophie Trüper, M.A. (DFG-Graduiertenkolleg "Das Wissen der Künste", UdK Berlin)

Entfällt