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Maria Muhle ist von März bis Mai 2018 Fellow an der KollegForschergruppe BildEvidenz. Geschichte und Ästhetik, Freie Universität Berlin 

 

Mimetische Milieus – eine technikästhetische Annäherung

In seinem Text „Mimese und legendäre Psychasthenie“ (1935) widmet sich Roger Caillois Formen exzessiver Nachahmung anhand der Insektenmimese und eröffnet mit dem Begriff der „legendären Psychasthenie“ zugleich eine Fluchtlinie hin auf die psychische Verfasstheit menschlicher Subjekte und ihre Raumpathologien. Entgegen der These, das mimetische Anpassungsverhalten der Insekten an ihre Umwelt sei ein Abwehrmechanismus, zeigt Caillois, dass es sich hierbei keineswegs um eine Artikulation des Selbsterhaltungstriebs, sondern um einen „Trieb zur Selbstaufgabe“ handele. Mimese wird zur Pathologie, insofern sie die Unterscheidung zwischen Organismus und Umgebung zersetzt. Zugleich beschreibt Caillois die morphologische Mimese als eine „echte Photographie […]: eine Skulptur-Photographie oder besser eine Teleplastik“, als eine Art 3D-Print oder volumetrisches Bild avant la lettre. Das Projekt möchte diesen Zusammenhang von (Insekten-)Mimese und Fotografie untersuchen und sich dabei auf einschlägige Caillois-Lektüren – besonders von Rosalind Krauss und Jacques Lacan – beziehen, die im Anschluss an Caillois sowohl den Ästhetik- als auch den Subjektbegriff aufweichen und so Anhaltspunkte geben für die Bestimmung einer Technikästhetik. So ergeben sich hier Anschlüsse für Fragen nach environmentalen Medien genauso wie für die zeitgenössische Rede von „Bildermilieus“ (Joselit), die sich qua Aneignungs- und Anähnlichungsprozessen von Bildern an Bildern ausbilden. Daneben möchte das Projekt auch historischen Allianzen und v.a. Mesallianzen nachgehen, besonders steht hier das (Nicht-)Verhältnis von Caillois zu Benjamin und Adorno im Zentrum, das sich auch hinsichtlich der Frage nach dem Mimesis-Begriff der beiden „Schulen“ (Collège de Sociologie vs. Institut für Sozialforschung) als interessant erweisen kann.