"Die Farben wiegen mich, wärmen mich und streicheln meine Sinne. Die Farben sind die Melodie, die uns den Zugang gewähren. Meine Augen werden
schwer, während ich den Duft der Nadelbäume und der überreifen Magnolien einatme. Es ist eine ewige Dämmerung. Ich spüre den saftigen, farbigen
Körper der reifen Blüten unter meinen Füßen, und die jungen Triebe unter meiner Haut, die vor Lebenslust strotzen. Sie sind ich und ich bin sie und ihr seid sie auch. Ich höre den Windhauch, der durch die durchscheinenden Stoffbahnen und das grüne Gras zieht. Der Windhauch, der die Rehe aufhorchen und ihre wohlgeformten Nüstern in alle Himmelsrichtungen wittern lässt. Alles in dieser Welt ergibt einen Sinn und ist miteinander verbunden. Alles ist seit Urzeiten entstanden, als wir auch in der sichtbaren Welt eins waren. Meine Erinnerung an diesen Zustand kann ich nur mit unsichtbaren Fäden festhalten, Fäden, die mir als Kind wie ein magisches Instrument in die Hände gelegt wurden. Damit ich nicht vergesse, wo wir herkommen. Damit ich erzähle, um nicht zu vergessen, und auch andere daran erinnere. Damit es mir gelingt, das Licht leuchten zu lassen und die Wesen zum Leben zu erwecken, die lebendiger sind als jede Erinnerung es je sein kann. Schau dich an, und du wirst sehen, wie deine Haare im Wasser schwimmen, wie unzählige kleine Flüsse der Gedanken und Fragen. Schau dich an, und du wirst sehen, wie dein Herz aus deinem Inneren leuchtet. Schau mich an, und du wirst sehen, wie ich die Sterne pflücke, auf dem Spielhaus lauere und alle Sprachen des Lichts und der Farben mit dir spreche. Schau mich an, und du wirst uns alle sehen, wie wir träumen, und dann träumst du."
In ihrer ersten Einzelausstellung in der Galerie Jochen Hempel/Colorado projects in Leipzig präsentiert die Künstlerin ihre neuesten Gemälde und Zeichnungen sowie ihr Künstlerbuch, das in dieser Ausstellung erstmals vorgestellt wird.
Text: Tinatin Ghughunishvili-Brück, Kunsthistorikerin