• Jordan Troeller, Hannah Cooke, Christina Wessely | Vortragsreihe
  • Datum & Uhrzeit 2025-01-15 19:00
  • Ort Akademie der Bildenden Künste München | Akademiestr. 4
  • Raum Neubau | E.O2.29
There is no translation available.

 

Vortragsreihe "BETWEEN CARE AND (PRO)CREATION"

Organisiert von: Marina Martinez Mateo, Mascha Salgado de Matos und Sabine Weingartner

 

In Zusammenarbeit zwischen Philosophie und Kunstgeschichte wird es im kommenden Wintersemester einen gemeinsamen Semesterschwerpunkt zu Mutterschaft und Fürsorge geben, in dem zwei Fragen diskutiert werden sollen. Erstens: Wie lassen sich die Ambivalenzen und Widersprüche in (Für-)Sorgebeziehungen im Allgemeinen und Mutterschaft im Besonderen beschreiben und was bedeuten diese Ambivalenzen für das Verständnis von Mutterschaft und Praktiken der Sorge und Fürsorge? Zweitens: Welche Rolle spielt Mutterschaft in der (zeitgenössischen) Kunst? Wie lässt sich das Verhältnis von „Procreation“, also Reproduktion, und „Creation“ im Sinn von künstlerischem Schaffen begreifen und inwiefern sollte dieses Verhältnis das Verständnis von künstlerischem Arbeiten informieren?

 

Den Auftakt bildet der von Marina Martinez Mateo organisierte Workshop Ambivalenzen der Fürsorge, der am 17. und 18. Oktober stattfindet. In sieben Vorträgen sollen verschiedene interdisziplinäre Ansätze miteinander ins Gespräch gebracht werden, die aus je unterschiedlicher Perspektive und mit je unterschiedlichen Anliegen die Ambivalenzen von Fürsorge oder Care diskutieren und an der Entwicklung eines Begriffs von Fürsorge arbeiten, der sein Potential aus diesen Ambivalenzen gewinnt.

 

Darüber hinaus wird es eine dreiteilige Vortragsreihe geben, in der aus Perspektive der Kunstgeschichte, der künstlerischen Praxis sowie des künstlerisch-theoretischen Schreibens verschiedene Formen der Auseinandersetzung mit Mutterschaft zur Diskussion gestellt werden.

 

Erster Gast der Vortragsreihe ist am 13. November die Kunsthistorikerin Jordan Troeller, die an der Leuphana Universität Lüneburg das Projekt „The M/Other Project: Creativity, Procreation, And Contemporary Art“ leitet. Ihr Vortrag untersucht, wie sich die Künstler:innen der queeren Subkultur im San Francisco der 1950er-Jahre mit radikalen Konzepten von Geschlecht, Mutterschaft und Modernismus auseinandersetzten.

 

Am 08. Januar 2025 stellt Christina Wessely, Professorin für Kulturgeschichte an der Leuphana Universität Lüneburg, ihren autofiktiven Roman „Liebesmühe“ vor, in dem sie sich mit dem weitgehend tabuisierten Thema der postpartalen Depression auseinandersetzt. In ihrem Vortrag wird sie zunächst einige Ausschnitte aus ihrem Roman lesen und im Anschluss auf das Schreiben und die Form des autofiktionalen Essays reflektieren. Inwiefern kann diese Form Wissen über Elternschaft, Care und Mutterliebe zum Ausdruck bringen, das ansonsten verloren gehen könnte?

 

Am 15. Januar 2025 wird die Künstlerin Hannah Cooke im Rahmen eines Artist-Lecture-Gesprächs ihre Arbeiten vorstellen. In diesen dekonstruiert sie die immer noch präsente Mythologie des schöpferischen Genies in der Kunstwelt. Die Vorstellung, dass die Rollen der Künstlerin und der Mutter unvereinbar seien, hinterfragt Cooke in Werken wie "Ada vs. Emin" (2018), in denen sie bewusst ihre Identität als Mutter und Künstlerin thematisiert. Im Gespräch wird diese Konstellation im Kontext der Machtstrukturen untersucht, die solche Ausschlüsse und Widersprüche in der Kunstwelt bedingen.

 

 

Programm

 

 

Queering Matricidal Modernism — Art and Motherhood in Midcentury San Francisco
Künstlerin und Mutter zu sein, galt um die Jahrhundertmitte in den Worten der feministischen Schriftstellerin Ursula K. Le Guin als „unnatürlicher Akt“, dessen Strafe „unter den Kritikern und Kanonikern der Tod ist“. Dieser Vortrag untersucht das Leben nach dem Tod einer Gruppe von Künstler:inmüttern in der kalifornischen Bay Area, die sich diesem Tabu widersetzten und damit ein neues Paradigma für die Kunst und ihr Publikum in der Mitte des Jahrhunderts aufstellten. Ausgehend von queeren und nicht-normativen Definitionen von Mutterschaft betrachte ich, wie die Künstler:in-Mutter die Erfahrung von Kunst in den Haushalt, die Nachbarschaft und das öffentliche Schulsystem ausdehnte. In einer Zeit, in der zahllose Ausstellungen und Konferenzen die Care-Arbeit in den Vordergrund stellen, ist dies eine Geschichte, die das Potenzial hat, die aktuellen Bemühungen um eine Aufwertung der Care-Arbeit und der Nachhaltigkeit in der Kunstproduktion zu unterstützen.

 

To be an artist and a mother at midcentury was regarded to be, in the words of the feminist writer Ursula K. Le Guin, an “unnatural act,” whose punishment, “among the critics and Canoneers, is death.” This talk explores the life after death of a group of artist-mothers in the California Bay Area who defied this taboo and, in doing so, staked out a new paradigm for what art and its audiences could be at midcentury. Drawing on queer and nonnormative definitions of motherhood, I consider how the artist-mother expanded the experience of art into the household, the neighborhood, and the public school system. At a moment in which countless exhibitions and conferences foreground care-work, this is a history with the potential to support current efforts around revalorizing care-work and sustainability in the production of art.

 

Jordan Troeller ist Juniorprofessorin für Kunstwissenschaft und Ästhetische Praxis am Institut für Kunst Musik und ihre Vermittlung (IKMV) an der Leuphana Universität Lüneburg. Als Freigeist-Fellow, gefördert durch die VolkswagenStiftung, leitet sie das Forschungsprojekt „The M/Other Project: Creation, Procreation, and Contemporary Art.“ Ihre Veröffentlichungen zu diesem Thema finden sich in The Art Bulletin, kritische berichte und October. Ihr Buch Ruth Asawa and the Artist-Mother at Midcentury wird im Mai 2025 bei MIT Press erscheinen.

Der Vortrag findet in englischer Sprache statt.

 

 

Liebesmühe — Geschichte einer Mutterwerdung

Am 08. Januar 2025 stellt Christina Wessely, Professorin für Kulturgeschichte an der Leuphana Universität Lüneburg, ihren autofiktiven Roman „Liebesmühe“ vor, in dem sie sich mit dem weitgehend tabuisierten Thema der postpartalen Depression auseinandersetzt. In ihrem Vortrag wird sie zunächst einige Ausschnitte aus ihrem Roman lesen und im Anschluss auf das Schreiben und die Form des autofiktionalen Essays reflektieren. Inwiefern kann diese Form Wissen über Elternschaft, Care und Mutterliebe zum Ausdruck bringen, das ansonsten verloren gehen könnte? Und welche allgemeineren Überlegungen über das Verhältnis (geistes)wissenschaftlichen und literarischen Schreibens lassen sich davon ausgehend anstellen? So wird auch eine Reflexion über das Verhältnis von Mutterschaft und Schreiben – im Zusammenhang mit Erfahrungen von Depression und Ohnmacht – möglich.

Christina Wessely, 1976 in Wien geboren, ist Professorin für Kulturgeschichte des Wissens an der Leuphana Universität Lüneburg, wo sie insbesondere zur Kulturgeschichte der Natur lehrt und forscht. Im Anschluss an ein Studium der Geschichte und Germanistik an der Universität Wien und der Freien Universität Berlin und der Promotion an der Universität Wien erhielt sie postdoctoral fellowships vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin und vom Department of the History of Science der Harvard University. Danach war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Doktoratskolleg ‚Naturwissenschaften im historischen, philosophischen und kulturellen Kontext’ an der Universität Wien sowie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichtswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin tätig, wo sie 2014 auch habilitiert wurde. Publikationen (Auswahl): Welteis. Eine wahre Geschichte, Berlin (Matthes & Seitz) 2013; Löwenbaby, Berlin (Matthes & Seitz) 2019; Liebesmühe, München (Hanser) 2024.

 

Der Vortrag findet in deutscher Sprache statt und wird online übertragen.

 

 

power

Im Rahmen des Semesterschwerpunkts stellt die Künstlerin Hannah Cooke in einem Artist-Lecture-Gespräch ihre Arbeiten vor. In diesen dekonstruiert sie die immer noch präsente Mythologie des schöpferischen Genies in der Kunstwelt. Unter anderem hinterfragt Cooke die Vorstellung, dass die Rollen der Künstlerin und der Mutter unvereinbar seien. In Werken wie "Ada vs. Emin" (2018) thematisiert sie bewusst ihre Identität als Mutter und Künstlerin. Im gemeinsamen Gespräch wird diese Konstellation im Kontext der Machtstrukturen untersucht, die solche Ausschlüsse und Widersprüche in der Kunstwelt bedingen.

 

Die 1986 in München geborene Künstlerin Hannah Cooke setzt sich mit ihren medienübergreifenden Arbeiten mit den Strukturen und Erwartungen an unsere Gesellschaft auseinander. Die zentralen Themen sind Institutions-und Hierarchiekritik, die Unterwanderung von Systemen, sowie das Aufbrechen festgelegter Normen und Rollenverständnisse. Die Arbeiten basieren auf sorgfältigen Recherchen deren Ergebnisse medienübergreifend ihre Form in Performances, Videos, Fotografie, sowie installativen Elementen finden. So werden auch auf humorvolle Weise festgesetzte Machtstrukturen in Frage gestellt und unter anderem die Eigenarten der Kunstwelt offengelegt. Einer größeren Öffentlichkeit wurde sie mit ihren Videoarbeiten „Ada vs. Emin“ und „Ada vs. Abramović“ bekannt, mit denen sie ihre Rolle und ihre Möglichkeiten als Mutter und Künstlerin innerhalb des Kunstbetriebs kritisch reflektiert.

 

Die Veranstaltung wird online übertragen.