Buchpräsentation von: Doris Maximiliane Würgert
Datum & Uhrzeit: 2020-01-26 15:00
Ort: Kallmann-Museum Ismaning | Schloßstr. 3b | 5737 Ismaning

 

Unter dem Titel "blurred memory" zeigt das Kallmann-Museum die Ausstellung der diesjährigen Kallmann-Preisträgerin Doris M. Würgert. Neben der Museumsausstellung besteht die Auszeichnung aus einer Publikation, die nun am Sonntag, den 26. Januar um 15 Uhr im Kallmann-Museum erstmals vorgestellt wird. Doris M. Würgert konzipierte und gestaltete keinen Ausstellungskatalog, sondern ein Künstlerbuch, das neben einzelnen ausgestellten Werken ausschließlich auf den Buchseiten vorhandene Arbeiten und Raumsituationen enthält. Die Textbeiträge stammen von Rasmus Kleine (Kallmann-Museum), Franz Schneider (Neue Galerie Landshut e.V.) und Julia Lachenmann (BELLEPARAIS_raum fuer kunst). Zur Buchpräsentation spricht Franz Schneider. Nach einem Rundgang durch die Ausstellung mit der Künstlerin spielt ab ca. 16 Uhr das Michael Armann Trio (Michael Armann, Piano, Benjamin Bergmann, Schlagzeug, Michael Schöne, Bass).

 

Doris Maximiliane Würgert erhielt die Auszeichnung des Kallmann-Museums für ihre Auseinandersetzung mit dem Thema „Porträt“. Sie arbeitet vorwiegend in fotografisch basierten Medien und erforscht inhaltlich und technisch Grenzbereiche zu bildnerischen Nachbardisziplinen wie Malerei, Videokunst oder Installation. Doris M. Würgerts weit gefasster Porträtbegriff stellt eine eigenständige Position innerhalb der zeitgenössischen Auseinandersetzung mit der klassischen Bildgattung dar. Er beinhaltet Raumsituationen, thematisiert Zeit, Phänomene des Erinnerns und weist stets über das Dargestellte hinaus. Ihre konzeptuell reflektierten Bildfindungen tragen eine sachliche, ästhetisch unverwechselbare Handschrift.

 

Erwartet man von einem Porträt das Nachzeichnen der äußeren Züge eines Menschen, so erfüllt Doris M. Würgert diese Voraussetzung. Sie arbeitet figürlich, Dargestelltes ist lesbar, doch verschiebt die Künstlerin sowohl Schwerpunkt als auch Kennzeichen der Gattung „Porträt“ grundlegend. Symbole oder auch nur Hinweise auf Herkunft und Bedeutung der Porträtierten fehlen, selbst die Zuordnung zu feminin oder maskulin hat keine Relevanz. Der Fokus in Doris M. Würgerts Werk liegt auf Situationen zwischen Präsenz und Absenz. Ihre Ausstellung „blurred memory“ thematisiert Divergenzen von Gefühl und Vernunft, Wahrnehmen und Wissen, Betrachten und Erkennen in privatem und öffentlichem Entstehen von Erinnerung und Gedächtnis. Eine zentrale Bildgruppe in der Ausstellung besteht aus großformatigen Leinwandarbeiten mit Frontalansichten menschlicher Gesichter. Würgerts Technik des Gummidrucks (ein auf die Anfänge der Farbfotografie zurückgehendes Verfahren) bedingt eine Unschärfe in der Pigmentierung der Leinwand, die die fotografische Wirklichkeit dieser Porträts zu gemalter Fiktion werden lässt. Die überlebensgroß Dargestellten besitzen eine starke Präsenz, doch erscheinen sie in sich gekehrt, abwesend, wie Prototypen ihrer selbst und eigentümlich distanziert.

 

Häufig nimmt die Künstlerin in ihren Arbeiten direkten Bezug auf einen Ort. So entstanden im Kallmann-Museum Werke, die sich unter anderem mit Archiv und Depot, also dem Gedächtnis eines Museums befassen und sich auf erzählerische Weise zentralen, normalerweise der Öffentlichkeit verborgenen Bereichen und Funktionen des Hauses annähern. Durch die künstlerische Intervention, konkrete Schauplätze des Konservierens und Aufbewahrens aufzusuchen, werden archetypische Kennzeichen eines Museums zum Bildgegenstand und erzeugen quasi ein Porträt des Museums an sich.

 

Erinnerung und Zeit, die Begriffe, die sich durch die gesamte Ausstellung ziehen, stehen auch im Zentrum ihrer Videoarbeiten, deren Positionierung zwischen den Bildern exakt kalkuliert ist. In „memories to keep“ projiziert Doris M. Würgert ihre eigenen Erinnerungsspeicher in Form eines Bilderstroms aus dem Fundus ihres Smartphones als Endlosschleife auf den Boden. In Hochgeschwindigkeit wiederholen sich Bilder eines Lebens und heben das lineare Kontinuum der Zeit auf. Im Gegensatz dazu thematisiert die Video-Installation „Rückblick aus dem Jahr 2030“ in einem Guckkasten einen intimen Einblick in eine Art -selbstredend fiktives- Tagebuch aus der Zukunft. Die Künstlerin mischt Szenen aus Literatur, Film und Alltag zu einem Konglomerat aus Erfindung, Erinnerung und Vorstellung, bis sich bei uns jede Gewissheit verflüchtigt. Fragen nach objektivierbaren Wahrheitsgehalten bleiben schwebend im Raum. Doris M. Würgert initiiert einen Vorgang, der vom Individuellen zum Allgemeinen, vom Konkreten zum Abstrakten – und wieder zurück führt. Im medialen Zeitalter von Selbstdarstellung, Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz sind ihre Arbeiten zudem als künstlerisch gestellte Frage nach der eigenen Identität zu begreifen.

 

Doris M. Würgert (*1960 in Osterhofen) absolvierte nach einem Studium der Mathematik- und Psychologie ihre Ausbildung an der Münchener Akademie der Bildenden Künste und war als künstlerische Mitarbeiterin von Prof. Dieter Rehm tätig. Seit 2007 lehrt sie dort grafische Gestaltung. Die Arbeiten der mehrfach ausgezeichneten Künstlerin waren national und international in zahlreichen Ausstellungen zu sehen.

 

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