Vortrag von Alexander G. Weheliye | „Menschsein dekolonisieren“
Datum & Uhrzeit: 2019-05-07 19:00
Ort: Historische Aula | Altbau der Akademie

Alexander G. Weheliye, Professor für Afroamerikanische Studien, North western University, Evanston/Chicago

Vortrag (in Englisch) mit anschließender moderierter Diskus­sion


Alexander G. Weheliye
, Professor für Afroamerikanische Studien an der North-western University, Evanston/Chicago wird in seiner Keynote insbesondere die Techniken des Menschseins von BlackFem beleuchten. Er konzentriert sich dabei auf schwarze populäre Musik, insbesondere R&B, und deren zunehmende Politisie­rung angesichts der Bedeutung von #blacklivesmatter und der umfassenderen Bewegung für 
das Leben von Schwarzen. R&B Musik fokussiert aus der Perspektive von BlackFem auf die alltägliche schwarze Lebendigkeit, Innerlichkeit und zwischenmenschli­chen Beziehungen und beleuchtet damit die ‚minoritären’ Aspekte der genozidalen Konditio­nen, welche die Existenz des schwarzen Lebens in der westlichen Welt kennzeichnet. Sie bietet nach Weheliye einen Schauplatz, den „affektgeladenen Zwischenräume von ‚Ich kann nicht atmen‘ und dem ‚Warten auf das Ausatmen‘ zu begegnen und über sie nachzudenken.“ 




Human after Man

 

Angesichts der enormen Herausforderungen der Gegenwart und ihren ökologischen und gesellschaftlichen Krisen steht auch das Ideal des westlichen weißen Mannes als universaler Repräsentant des Menschlichen wiederholt in der Kritik. Nicht nur die transdisziplinären Diskurse des Posthumanismus und Post-Anthropozentrismus attackieren diese Normierung des Menschseins und dekonstruieren sie gemeinsam mit der Annahme, der Mensch würde eine herausragende Sonderstellung unter den vielfältigen Lebensformen der Erde einnehmen. Auch die Künste, für die das Menschenbild schon immer von genuinem Interesse war, arbeiten intensiv an der Aufhebung lang etablierter Festlegungen des Menschseins und entwerfen in radikaler und teils höchst spekulativer Art und Weise alternative Formen des Humanum.

 

Der Titel des Jahresthemas bezieht sich auf die Formulierung „Towards Human after Man“ von Sylvia Wynter. Die jamaikanische Autorin und Philosophin plädiert bereits seit mehreren Jahrzehnten für eine Perspektive, die in den Rand- und Schwellenbezirken der vorherrschenden westlich normierten und rassifizierten Konfiguration des Menschen angesiedelt ist, um das Menschsein anders zu denken. Sie schlägt damit parallel zu einer Reihe weiterer Theoretiker_innen der Black Studies eine dekoloniale Konzeption des Menschlichen vor, die in den gegenwärtigen posthumanistischen Diskursen häufig unterbelichtet bleibt. Human after Man versucht dezidiert diese dekoloniale Perspektive mit Ansätzen in Bezug zu setzen, die vorrangig im Klimawandel, gegenwärtigen Artensterben (Ursula K. Heise) oder einer immer engeren Verschmelzung von Lebendigem und Technischem und den damit verbundenen kapitalistischen Ausbeutungsmechanismen (Rosi Braidotti) den zwingenden Anlass für eine Neubestimmung des Menschlichen sehen. Die Vortragsreihe geht dabei in kritische Distanz zum Super- oder Transhumanismus und seiner Idee der technischen Verbesserung oder Erweiterung des Menschen. Der Mensch erscheint in ihr nicht nur als biologisches Wesen, sondern als ein vielgestaltiges Humanum, dessen Formen auch von diversen sozialen und mythologisch-fiktiven Narrativen geprägt sind. 

 

 

Termine der Vorträge

Beginn jeweils um 19 Uhr in der Historischen Aula im Altbau der Akademie 

 

Dienstag, 23. Oktober 2018

Monströse Re-Figurationen

 

Morehshin Allahyari, Künstlerin, New York 

Die in New York lebende iranische Künstlerin Morehshin Allahyari bezieht sich in ihrem Vortrag „Monströse Re-Figurationen“ vor allem auf ihre 2017 begonnene Werkreihe „She Who Sees The Unknown“ zu digitalem Kolonialismus und Re-Figuration als feministische und aktivistische Praxis. Der in dieser Werkreihe stattfindende Rekonstruktionsprozess weiblicher Gottheiten, Monster und Djinns aus dem Nahen Osten dient Morehshin dazu, den weiblichen farbigen Körpern Macht zu verleihen, um den von ihnen erzählten Geschichten der Segregation und Kolonialisation entgegenzutreten und alternative Zukünfte zu imaginieren. Dabei steht für die Künstlerin, die hierin wiederum Rosi Braidotti folgt, das Monströse für eine Grenzfigur, „wel­che die Grenzen zwischen hierarchisch etablierten Unterscheidungen (zwischen Mensch/ Nichtmensch, Westlich/Nicht-Westlich) verschwimmen lässt.“

So machen wir es dann immer mit den vergangenen Vorträgen/Texten.

 



Dienstag, 30. Oktober 2018

Menschsein dekolonialisieren

 

Jean-Pierre Bekolo, Filmregisseur, Yaoundé

Mit seinem siebten Jahresthema widmet sich das cx centrum für interdisziplinäre studien der Frage, wie das Menschliche in den Künsten und Wissenschaften aktuell neu bestimmt wird.

Der in Paris und Yaoundé lebende Filmemacher Jean-Pierre Bekolo ist ein avantgardistischer Filmemacher, der sich in seinen Filmen intensiv mit der Vergangenheit und Zukunft von Kamerun während der Longue durée der Dekolonialisierung beschäftigt. Sein Werk umfasst alle Filmgattungen von Science Fiction, Thriller, gefälschte (und echte) Dokumentationen, und ist dabei stets bemüht, Stereotypen über Afrika und sein Kino zu dekonstruieren, und sich damit aktiv andere Zukünfte und andere Akteure vorzustellen. Bekolo verbindet in seinen Filmen theoretische Reflexionen über Transformationen u. a. der patriarchalischen Strukturen in der Regierung mit seiner praktischen Filmarbeit. Gerade zeigte das Musée du Quai Branly in Paris–Jacques Chirac erstmals eine Retrospektive des nicht klassifizierbaren kamerunischen Regisseurs in Frankreich.

 

Jean-Pierre Bekolo ist ein Filmemacher, dessen fantasievolle Werke stereotype Vorstellungen von Afrika und vom afrikanischen Film unterlaufen. Seine Filme operieren auf verschiedenen Ebenen und fesseln die Betrachter mit packenden Geschichten, bissigem Humor und einer dramatischen Ästhetik. Bekolo wurde in Yaoundé, Kamerun geboren, studierte Physik an der dortigen Universität sowie Fernsehproduktion (Editing) und Semiotik bei Christian Metz am Institut National de l'Audiovisuel (INA) in Paris.

Bekolo unterrichtete Film am Virginia Tech sowie an der University of North Carolina in Chapel Hill und an der Duke University. Seine Filme wurden international gezeigt und vielfach ausgezeichnet. Zu seinen neueren Werken zählen der Dokumentarfilm Les Choses et Les Mots de Mudimbe (2015) über den bekannten kongolesischen Philosophen, Anthropologen und Linguisten Valentin-Yves Mudimbe (Teil der offiziellen Auswahl der Berlinale 2015), der umstrittene Fake-Dokumentarfilm Le President (2015 AMAA-Preis für das beste Drehbuch und Spezialpreis der Jury), der in Kamerun verboten wurde sowie die Fernsehdramaserie Our Wishes (2017), eine afrikanische Sicht auf die erste Begegnung zwischen der indigenen Bevölkerung in Kamerun und den deutschen Kolonialisten kurz vor der Berliner Konferenz 1884. 2017 wurde sein Film Les Saignantes (2015) vom MoMA New York in die Reihe der 70 Klassiker des Science-Fiction-Films gewählt.

 


Dienstag, 6. November 2018

Der Co/Sympoietische Mensch

 

Bracha L. Ettinger, Künstlerin, Theoretikerin, Psychoanalytikerin, Paris/Tel Aviv 

Kathrin Thiele, außerordentliche Professorin für Gender Studies und Kritische Theorie, Department of Media and Culture Studies, Utrecht University 

Kathrin Thieles Vortrag “Co/Sympoietic Human(e)-ness as Praxis” beginnt mit der kritischen Frage, ob und wie ein Neudenken des Menschseins die Fallstricke der klassischen Register von Teleologie und Normativität (und folglich der Begründungen einer „Ordnung des Menschen“) vermeiden kann. Ausgehend hiervon diskutiert sie die Möglichkeit Diffraktionsmuster anderer Narrationen des Menschseins zu entwerfen, die sich auf Konzepte von Sylvia Wynter, Bracha L. Ettinger sowie Lynn Margulis und Donna Haraway beziehen.

 

Im Mittelpunkt von Bracha L. Ettingers ästhetischer sowie theoretischer Praxis steht eine feministische Revision der psychoanalytischen Herangehensweise an die (menschliche) Subjektivität – eine, die der Verbundenheit eine zentrale Bedeutung zumisst. In ihrer Präsentation wird Ettinger – auch anhand ihrer praktisch-künstlerischen Arbeiten – zeigen, was sie in diesem Zusammenhang unter einem Matrixialen Grenzraum („matrixial borderspace“) als psychische Sphäre der Trans-Subjektivität bzw. unter Copoiesis versteht und erläutern wie im Anschluss an diese Konzepte Menschsein neu gedacht werden könnte.

 

An die Präsentationen von Kathrin Thiele und Bracha L. Ettinger schließt wie üblich eine moderierte Diskussion an. Der Abend findet in Englischer Sprache statt.

 

Bracha L. Ettinger ist eine einflussreiche Künstlerin-Malerin und Künstlerin-Theoretikerin, Philosophin und Psychoanalytikerin, deren Werke der 1990er Jahre auf den Gebieten der zeitgenössischen europäischen Malerei, der Philosophie, Psychoanalyse, der kritischen Studien, Kunsttheorie und -geschichte, Film- und Literaturstudien sowie des Feminismus wegbreitend waren. Ihre sowohl abstrakte als auch symbolische Kunst erforscht Tiefe und Farbe als Licht sowie archivarische Spuren von Trauma und setzt sich mit historischen und persönlichen Erinnerungen im Bezug auf Frauen im Krieg, Vergessenheit und Zeugenschaft auseinander. Ettinger, die in Paris und Tel Aviv lebt und arbeitet, hat den Marcel Duchamp-Lehrstuhl inne und ist Professorin für Psychoanalyse und Kunst an der European Graduate School und Distinguished Professor of Philosophy am GCAS College Dublin. Sie ist eine der führenden Theoretikerinnen auf dem Gebiet der zeitgenössischen französischen Philosophie und Psychoanalyse. Ihre Matrix-Theorie bietet ein metaphysisches Paradigma für ein Neudenken von Subjektivität, Transjektivität und Weiblichkeit. Sie selbst betrachtet ihren Ansatz als Metafeminismus. Ihre Kunstwerke, vor allem Gemälde, Zeichnungen, Künstler-Notizbücher und Fotografien, wurden weltweit in bedeutenden Museen zeitgenössischer Kunst ausgestellt und waren Gegenstand mehrerer Bücher. Zu ihren jüngsten Ausstellungen zählen die im Schlesischen Museum im polnischen Kattowitz (2017) und in der UB Anderson Gallery, Buffalo, USA (2018), und sie nimmt an der nächsten Kochi-Muziris-Biennale (2018–2019) teil. Zu ihren eigenen Publikationen zählen And My Heart Wound-Space, das 2015 anlässlich der 14. Biennale von Istanbul veröffentlicht wurde (eine Monografie, die vier ihrer frühen und neuen Essays sowie Reproduktionen ihrer Kunstwerke enthält), und eine unter dem TitelThe Matrixial Borderspace (University of Minnesota Press, 2006) veröffentlichte Sammlung ihrer Aufsätze. Eine zweibändige Auswahl ihrer Essays erscheint derzeit bei Palgrave-Macmillan (Hrsg. Griselda Pollock).

 

Kathrin Thiele ist Professorin für Gender-Studien und Kritische Theorie an der Fakultät für Medien- und Kulturstudien der Universität Utrecht. Nach ihrem die Fachgebiete Gender-Studien, Soziologie, Literaturwissenschaft und Kritische Theorie umfassenden Studium konzentriert sich ihre Forschung auf ethische und politische Fragen aus einer queer-feministischen, dekolonialen und posthuman(istisch)en Perspektive. Ihre Texte, deren spezifisches Augenmerk Fragen der Relationalität, Impliziertheit und ontologischen Verstrickungen gilt, intervenieren in zeitgenössischen feministischen Debatten zu (sexuellen) Differenzen, De-/Kolonialität und neuem Materialismus/neuen Posthumanismen. Sie denkt mit zeitgenössischen, queeren, feministischen und dekolonialen Ansätzen, um ein vielversprechendes theoretisches Potenzial sowie dringende ethisch-politische Herausforderungen einer feministischen anderen Differenz darzulegen. Derzeit untersucht sie aus einer feministischen philosophischen Perspektive die Komplexität und Nicht-Unschuld kritischer Behauptungen, die Relationalität und Verstrickung als primäre Faktoren der zeitgenössischen planetaren Existenz betonen (erscheint in Kürze). Gemeinsam mit Birgit M. Kaiser ist sie die Gründerin und Koordinatorin des Forschungsnetzwerks Terra Critica: Interdisciplinary Network for the Critical Humanities (terracritica.net). Zu ihren jüngsten Veröffentlichungen zählen Doing Gender in Media, Art and Culture (hrsg. mit Rosemarie Buikema und Liedeke Plate, Routledge 2018).



Dienstag, 20. November 2018

Jenseits der Heteronormativität

 

Maja Gunn, Modedesignerin, Designforscherin, Professorin für Handwerk (Textilkunst), HDK-Academy of Design and Crafts, Göteborg 

 

Zairong Xiang, Gender- und dekolonialer Theoretiker, Komparatist, Universität Potsdam

 

Die Modedesignerin Maja Gunn und der Gender- und dekoloniale Theoretiker Zairong Xiang fragen, mit welchen Strategien sich heteronormative Strukturen und Praktiken, die eine binäre Geschlechterordnung als soziale Norm artikulieren, hinterfragen und überwinden lassen. 

Maja Gunns experimentelle Arbeiten mit Mode basieren auf einer kritischen Entwurfspraxis und umfassen Situationen, in denen die performativen und queeren Potentiale von Kleidung am Körper erforscht werden. Dabei geht die schwedische Designerin von der Annahme aus, dass Mode als Gendermarker funktionieren kann, aber ebenso als ein Werkzeug, um Gender zu dekonstruieren. Im Rahmen ihrer Doktorarbeit „Body Acts Queer“ (2016) hat sie eine Reihe experimenteller Entwürfe und Situationen entwickelt, die auf unterschiedliche Weise die heteronormativen Zuordnungen, die sich in Mode und Kleidungsstücken, aber auch im Tragen und in der Wahrnehmung von Kleidung manifestieren, kritisch erforschen und queeren. Darüber hinausgehend fragt Gunn grundsätzlich nach dem Potenzial von Design, hierarchische und heteronormative Strukturen zu kritisieren und plädiert dafür, mit normkritischen Entwürfen eine offene und inklusive Gesellschaft zu schaffen. 

Zairong Xiang beschäftigt sich aus dekolonialer und gendertheoretischer Perspektive mit der vorherrschenden binären Geschlechterordnung und formuliert in seinem Vortrag die These, dass es fruchtbarer sein könnte, Heteronormativität zu unterlaufen anstatt sie überwinden zu wollen. Entlang einer kritischen Lesart der Yinyang-Philosophie entwirft er das Konzept des Transdualismus als eine Möglichkeit, bestehende Dualismen zu kritisieren, ohne seinerseits einem dualistischen Modell der Kritik verhaftet zu bleiben. Xiangs Ziel ist es damit, die binäre Logik des entweder/oder zu unterlaufen und gleichzeitig das postmoderne Modell „beides-und“ („das berüchtigte ‚alles-geht’“) durch ein transdualistisches „entweder-und“ zu ersetzen. Letzteres versteht binäre Paarungen als operative Kategorien, sieht aber gleichzeitig deren Durchlässigkeit vor. 

 

Maja Gunn ist Modedesignerin und Forscherin, die in ihrer theoretischen sowie gestalterischen Arbeit erkundet, wie sich queere Designpraxis performen lässt. In ihrer Doktorarbeit Body Acts Queer: Clothing as a performative challenge to heteronormativity (Universität Borås, 2016) hat sie untersucht, wie sich die performativen und ideologischen Funktionen von Kleidung und Mode aneignen lassen, um heteronormative Strukturen in Frage zu stellen. Seit 2017 ist Gunn Professorin für Handwerk (Textilkunst) an der Akademie für Gestaltung und Kunsthandwerk an der Universität Göteborg, wo sie derzeit ein neues künstlerisches Forschungsprojekt initiiert, das Kunsthandwerk hinsichtlich seiner normativen Implikationen kritisch untersuchen will. Zuvor erkundete sie in der Ausstellung Norm Form (2017), die sie am ArkDes, Schwedens Nationalem Zentrum für Architektur und Gestaltung, ko-kuratierte, das Potenzial von Design, vorherrschende Normen zu hinterfragen. Gunns Entwürfe wurden international ausgestellt, zuletzt in ihrer Einzelausstellung Play (Schwedisches Textilmuseum, Borås, 2018) und in der Ausstellung A Queen Within Adorned Archetypes (New Orleans Museum of Art, USA, 2018).

 

Zairong Xiang ist Postdoktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Potsdam am Internationalen Graduiertenkolleg Minor Cosmopolitanisms der DFG. Er erhielt eine Cotutelle in Vergleichenden Literaturwissenschaften (summa cum laude) von der Eberhard Karls Universität Tübingen und der Université de Perpignan Via Domitia mit dem Erasmus Mundus Joint Doctorate Cultural Studies in Literary Interzones. Von 2014-2016 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am ICI-Berlin Institute for Cultural Inquiry. In seiner Forschung überschneiden sich Feminismen und queere Theorien, literarische und visuelle Studien sowie philosophische und religiöse Untersuchungen zu ihren dekolonialen Varianten auf Spanisch, Englisch, Chinesisch, Französisch und Nahuatl. Er hat im akademischen, künstlerischen und journalistischen Umfeld zu Themen wie Camp, feministische Theologie, Darkroom, (De)Kolonialität, Übersetzung, Nahuatl, Fotografie, Pedro Almodóvar, Maskulinität und der Toilette veröffentlicht. Seine erste Monografie Queer Ancienct Way: A Decolonial Exploration erscheint in Kürze bei punctum books. Er ist Mitherausgeber der Sonderausgaben „Hyperimage“ für 新美 New Arts: Journal of National Academy of Art (February 2018) und „Translation as Concept“ für Siyi Journal (Herbst 2018) und bereitet derzeit „The Ontology of the Couple“ für GLQ – A Journal of Lesbian and Gay Studies vor (erscheint 2019).

 

 

Dienstag, 18. Dezember 2018

Avatar-Werden

 

Louisa Gagliardi, Künstlerin, Zürich

Luciana Parisi, außerordentliche Professorin für Kulturtheorie, Goldsmith University London 

 

Die Kulturtheoretikerin Luciana Parisi (Goldsmith Universität, London) und die Schweizer Künstlerin Louisa Gagliardi fragen unter dem Titel „Avatar-Werden“, welche Konzepte des Menschlichen die jüngsten technologischen Entwicklungen unseres digitalen Zeitalters – beispielsweise neuronale Netzwerke, soziale Medien und eine immer weitreichendere automatisierte Auswertung von Nutzer_innen-Daten – hervorbringen. 

 

Luciana Parisi beschäftigt sich mit den philosophischen Konsequenzen dieser techno-logischen Entwicklungen, und wie sich durch diese das Bild der nicht-menschlichen und menschlichen Intelligenz verschiebt. Frühere Ansätze der kritischen Theorie scheinen ihr nicht ausreichend, um die aktuelle Rolle von „Big-Data“, computergestützten Rechen-prozessen und medialen Infrastrukturen bei der Rekonfiguration des Menschen zu bestimmen. Sie formuliert ein Zukunftsszenario, in dem sie die Perspektive des maschinellen Denkens einnimmt, anstatt weiterhin das menschliche Projekt des Programmierens von Maschinen zu verfolgen. 

Louisa Gagliardi betont selbst die starke Verbindung ihrer Malerei zu den Bildwelten der sozialen Medien. So suggeriert sie bereits durch die Art und Weise, wie sie Licht verwendet, „die Anwesenheit von Bildschirmen außerhalb der Bildebene. Wir sind allein“, erläutert die Künstlerin, „aber nie wirklich allein – dieses digitale Fenster durch die Welt ist immer da." Das in ihrer malerischen Praxis präsentierte Menschenbild ist insofern nicht von der digitalen Welt zu trennen und verortet den Einzelnen in einem ständigen Spannungsverhältnis zwischen Isolation und unendlicher Vernetzung. Dabei vervielfältigen sich auch unsere Avatare. Die digital erzeugten Stellvertreterfiguren existieren einerseits nur als abstrakte Oberflächen, andererseits lassen sich mit ihnen jedoch konkrete Handlungen ausführen, die sich auch auf das Reale auswirken.

 

Luciana Parisi ist Außerordentliche Professorin für Kulturtheorie an der Goldsmiths University in London und leitet dort das PhD-Programm für Kulturwissenschaften sowie – als Kodirektorin – die Digital Culture Unit. In ihrem philosophisch geprägten Werk untersucht sie Technologie in der Kultur, Ästhetik und Politik und hat Beiträge auf dem Gebiet der Medienphilosophie und des Computational Design veröffentlicht. Parisi ist Autorin von Abstract Sex: Philosophy, Biotechnology and the Mutations of Desire (Continuum Press, 2004) und Contagious Architecture. Computation, Aesthetics and Space (MIT Press, 2013). Derzeit erforscht sie die Geschichte des automatisierten Denkens und schreibt über den Ursprung der Maschinenphilosophie in der Moderne.

 

Louisa Gagliardi ist eine Schweizer Künstlerin, die in Zürich und Paris arbeitet. 2012 erhielt sie ihren BFA in Grafikdesign von der ECAL und arbeitet unter anderem an kommerziellen Aufträgen für L’Officiel, Kenzo, Hublot und Mousse Magazine. 2014 wurde ihr der Schweizer Designpreis verliehen. 2016 erhielt Gagliardi, unterstützt vom Kanton Wallis, eine Residency bei der La Fondation Suisse in Paris sowie eine Künstlerresidenz am La Brea Studio in Los Angeles. Ihre Werke wurden weltweit ausgestellt, zuletzt im Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk, DK; der LUMA Foundation, Zürich, CH; Aargauer Kunsthaus, Aarau, CH; Rodolphe Janssen, Brüssel, BE; bei Pilar Corrias, London, UK; Antenna Space, Schanghai, CN. Ihre Arbeit wurde im Buch Vitamin P3: New Perspective on Painting (Phaidon, 2016) veröffentlicht. 


Dienstag, 8. Januar 2019

Animistische Konzepte des Menschlichen

Istvan Praet, außerordentlicher Professor für Anthropologie, University of Roehampton, London

Einer der zentralen Forschungsschwerpunkte des belgischen Anthropologen Istvan Praet liegt auf dem Vergleich von indigenen und westlich-wissenschaftlichen Konzepten des Menschlichen und des Lebens. Nach Praet, der intensive Feldforschungen in Ecuador durchgeführt hat, kennen beispielsweise “Indianer und andere sogenannte animistische Personen“ kein Konzept des “anderen Menschen” oder anderen Lebewesens. Die Vorstellung des “Fremden” oder der “Tierwelt” sind, dem Anthropologen zu Folge, bis zu einem gewissen Grad für sie unmöglich. In seinem Vortrag geht Praet unter anderem der Frage nach, was diese animistische Perspektive für ein mögliches alternatives Bild des Menschen bedeuten könnte.

 

An die Präsentation von Istvan Praet schließt wie üblich eine moderierte Diskussion an. In ihr soll auch auf Praets neuere Untersuchungen zu einer Revision der Humanität vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Weltraumerkundung eingegangen werden. In ihnen arbeitet der Anthropologe auch mit künstlerischen Forscher_innen zusammen.

 

Istvan Praet ist Außerordentlicher Professor in Anthropologie an der University of Roehampton, London. Zu seinem akademischen Interesse zählt die ethnografische und vergleichende Untersuchung von Konzepten der Humanität und des Lebens im westlichen wie im nicht-westlichen Kontext. Er studierte Sozial- und Kulturanthropologie an der Universität Oxford und wurde dort 2006 promoviert. Es folgten mehrere internationale Forschungsstipendien (Wenner-Gren Hunt Fellowship in Cambridge, mehrere Forschungsstipendien im Laboratoire d’Anthropologie Sociale in Paris sowie eine Rachel Carson Fellowship an der LMU in München). Praet führte langfristige Feldforschungen mit den Chachi in Esmeraldas, Ecuador, durch und hat zahlreiche Publikationen zu indigenen Konzepten von Menschlichkeit in Südamerika und andernorts vorgelegt. Er ist der Verfasser von Animism and the Question of Life (Routledge, 2014), wo er kulturübergreifende Begriffe von Humanität und Leben untersucht. In den letzten Jahren arbeitete Praet verstärkt an der Schnittstelle von naturwissenschaftlichen und technologischen Studien (STS) und der Anthropologie der Wissenschaft. Im Fokus steht dabei der moderne wissenschaftliche Begriff der Humanität und des Lebens und wie dieser im Kontext der Erkundung des Weltraums neu definiert werden kann (siehe Praet und Salazar 2017, Sonderausgabe von Environmental Humanities). Er vollendet derzeit ein neues Buch, das auf ethnografischen Forschungen mit Astrobiolog_innen, Planetenforscher_innen und künstlerischen Forscher_innen beruht.  


 

Die Vorträge finden in deutscher oder englischer Sprache statt.

An die Vorträge schließt jeweils eine moderierte Diskussion an.

Eine Veröffentlichung mit den Beiträgen der Vortragsreihe ist in Planung.

  

Konzipiert und moderiert von

Susanne Witzgall, Leitung cx, Akademie der Bildenden Künste München

Marietta Kesting, Juniorprofessorin für Medientheorie, cx, Akademie der Bildenden Künste München

 

in Zusammenarbeit mit

Tanja Seiner, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Design- und Architekturtheorie im SS 2018 

Karianne Fogelberg, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Design- und Architekturtheorie am cx

 

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Das Programm des cx centrum für interdisziplinäre studien wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01PL16023 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autor_innen.