Vor dem Hintergrund aktueller philosophischer Diskurse über den anthropozentrischen Blick auf die Pflanzen- und Tierwelt wird der dänische Konzeptkünstler Tue Greenfort (*1973 in Holbaek / Dänemark) in seinem Vortrag dem Menschen dienende Naturbetrachtungen hinterfragen und am Beispiel seiner künstlerischen Praxis davon abweichende Sichtweisen eröffnen. Dabei wird es auch um Gedanken zum heutigen Status des Klimawandels gehen.
In seiner künstlerischen Praxis geht es Greenfort zentral um die Beziehung zwischen Mensch und anderen Lebewesen sowie um Ökologie als ein – wie er selbst sagt –„systemisches Modell für soziale, ökonomische und kulturelle Phänomene und Kontexte.“ Ihn nur als „nachhaltigen“ Künstler zu bezeichnen, greift zu kurz.
Seine Projekte gehen meist über den White Cube hinaus, untersuchen mit scharfer Beobachtung in weiten Radien die Umgebung des Ausstellungsorts und stellen so einen Bezug zwischen Außen- und Innenraum her. Dabei arrangiert er häufig nur die Rahmenbedingungen eines Projekts oder Researchs und lässt die Prozesse dann geschehen. Fliegen oder Algen können so zu natürlichen Künstlern werden. Mittels Selbstauslöser lässt er Tiere sich selbst fotografieren und versucht so, auch formal eine Koexistenz auf Augenhöhe mit anderen Lebewesen herzustellen.
International bekannt wurde Tue Greenfort 2007 mit dem Projekt „Diffuse Einträge“ für die Skulptur Projekte Münster 2007. Ins Zentrum des innerstädtischen Aasees in Münster platzierte er damals einen Güllewagen, der über eine mächtige Fontäne „neutralisierendes" Eisen-III-Chlorid in den See versprühte. Mit dieser Arbeit thematisierte Greenfort die Überdüngung des Aasees durch die intensive landwirtschaftliche Nutzung der umliegenden Felder für die Fleischindustrie. See und Umland sind durch den Fluss Aa verbunden.
Viel Beachtung fand auch sein Beitrag für die documenta13 (2012). Hier belebte Greenfort in der Karlsaue ein von Wasser umgebenes Schwanenhaus, das in den 1950er Jahren für die schwarzen Schwäne des Barockgartens errichtet worden war. Die Holzhütte verwandelte er in ein Archivierungsprojekt, das der „Multispezies-Koevolution“ im Geist der feministischen Theoretikerin und Naturwissenschaftshistorikerin Donna Haraway gewidmet war und die Verbindungen zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Lebewesen untersuchte. Dabei lud er zahlreiche Künstlerinnen und Künstler ein, Arbeiten zu zeigen, die sich mit diesem Themenkomplex befasst hatten. Titel der Arbeit: „An Archive Inspired by Donna Haraways Writing on Multispecies Co-Evolution Compiled and Presented by Tue Greenfort.“
Noch bis Samstag, den 29.01. ist seine Solo-Schau ALGA in der Münchner ERES-Stiftung zu sehen.
Greenfort lebt und arbeitet in Dänemark und Berlin.
Öffentlicher Artist Talk mit Tue Greenfort in der ERES-Stiftung: 27. Januar 2022, 19:00 Uhr (Anmeldung erforderlich unter This email address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it.)