Michael Hofstetter | Vortrag
Datum & Uhrzeit: 2022-10-08 19:00
Ort: Heilig-Kreuz- Kirche | Stiftsplatz 3 | Neuzelle

 

In seinem Vortrag Oh Heilige Materie widerspreche meinem Geist spannt Hofstetter einen Bogen von der Sehnsucht nach einem ordnenden Ganzen hin zur modernen Realität eines Daseins im Ausschnitthaften und Vereinzelten.

 

Michael Hofstetter spricht in der Barockkirche Zum Heiligen Kreuz, der Pfarrkirche der evangelischen Gemeinde von Neuzelle. Der Barock wollte nichts Geringeres als das Ganze der Welt in seinen Bauwerken darstellen. Danach zerbrach die Welt und der Mensch widmete sich allein noch einzelnen Aspekten der Wirklichkeit. Diesem Verlust des Ganzen geht Hofstetter in seinen Werken und seinem Vortrag nach. Aber, um es gleich zu sagen: eine glaubwürdige Erzählung, die die Welt wieder zu einem Kosmos zusammenfügt, kann es nicht mehr geben. Wir kleben gerade unsere Welt mit dem Kit eines Mediums, der Digitalität, nach unserem Gutdünken zusammen. Der Barock hatte dafür den Gips. Er modellierte sich damit ein totales Innen, eine Innenwelt wie in einer Gebärmutter: Dort fließt alles ineinander und fügt sich zu einer einzigen Oberfläche. Erkauft wurde diese Gipswelt mit dem Verlust der widerständigen naturhaften Materie – in Hofstetters Vortrag ein Beispiel für den Weg des Fortschritts in Richtung Herrschaft der Ideen, für das Ersetzen von – mitunter auch frustrierender – Wirklichkeitserfahrung durch Wirklichkeitseinbildung. Heute unterstützt von Smartphone, Instagram, Twitter und Co. Hofstetters Konsequenz daraus: zuerst einmal die Zusammenhangs- und Orientierungslosigkeit einer in Pixeln aufgesprengten Welt anerkennen. Und in dieser Beziehungen schaffen, die nichts kitten, nichts verschleiern, sondern die Brüche offen stehen lassen, und den Dingen ihre Sprache zurückgeben.

 

Zu dem Vortrag wird in der Kirche Hofstetters große Installation ES, die er 2021 in Eisenhüttenstadt auf der Lindenallee präsentierte, in einer Einrichtung für die Kirche gezeigt, ebenfalls ein Modell seines Werkes Verzückung [black box] Inkarnation, das 2019 auf dem Stiftsplatz zu sehen war. Die beiden Werke, die Michael Hofstetter für den Vortrag neu in Beziehung setzt, stellen noch einmal eine räumliche, gesellschaftliche und utopische Beziehung zwischen den beiden Architekturdenkmälern Kloster Neuzelle und Planstadt Eisenhüttenstadt her. Die Beziehung der beiden Orte war Fokus der drei ersten Ausstellungsprojekte des Kunstvereins im Kloster Neuzelle, Utopie Passion (2019) und Eisenhüttenstadt – Zwischen Modell und Museum (2020 und 2021) sowie der begleitenden Symposien. Dieser Projektzyklus der letzten drei Jahre erforschte den Gegensatz und die Gemeinsamkeit von Neuzelle und Eisenhüttenstadt und die Möglichkeit, das Spannungsfeld zwischen den beiden Orten mit Hilfe der Kunst zu beleben.

 

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