Eröffnung Mi | 13.02. mit einem Künstlergespräch mit Karen Pontoppidan und Dr. Ellen Maurer-Zilioli, Kuratorin
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog
Mit der künstlerischen Position von Karen Pontoppidan (geb. 1968 in Kerteminde / DK) geht ein
fundamentaler Umbruch für die zeitgenössische Schmuckkunst einher. Vor dem Hintergrund aktueller
Erkenntnisse zur gesellschaftlichen Bedeutung von Identität und Geschlecht, wie etwa im Rahmen der
Gender Studies, von politischem und sozialem Auftrag der Kunst, postuliert Pontoppidan in Werk und
Lehre (2006 – 2015 als Professorin an der Konstfack Stockholm, seit 2015 als Professorin an der
Akademie der Bildenden Künste München) die Forderung nach einer Bewusstseinserweiterung ihrer
Disziplin, nach einer Demontage und innovativen Erneuerung ihrer Materie unter entsprechenden
Prämissen und gestalterischen Vorzeichen. Damit stellt die Künstlerin die Thematik in den Raum, wie
eine von Tradition und Gattungsgeschichte so stark konditionierte Fachrichtung auf unsere Epoche, auf
brisante Anliegen, auf existentielle Problematiken reagieren kann.
Sie selbst entwickelt in ihren Arbeiten eine vielfältige und auf den ersten Blick widersprüchlich
erscheinende Ästhetik. Daher bot sich der Ausstellungstitel „THE ONE WOMAN GROUP EXHIBITION “
an, da er Publikumserwartung, Künstlerbilder und Werkkonzeptionen, die uns seit dem Zeitalter des
bürgerlichen Idealismus begleiten, konterkariert und unterwandert.
Mit dieser Präsentation von ca. 150 Arbeiten aus den letzten zwanzig Jahren lässt die Künstlerin
erstmals eine breitere Öffentlichkeit Anteil nehmen an einem komplexen Diskurs und Einblick gewinnen
in die anspruchsvolle und kritische Wandlung des Schmuckgenres ihrer Generation.
Im Ablauf der Ausstellung spiegelt sich das Spiel der vorgetäuschten „Camouflage“ und Spaltung einer
einzigen Schöpferin der Objekte in zahlreiche Autorinnen wider. Jedem Kapitel ist daher eine Urheberin
„gefaked“ zu geteilt. Tatsächlich aber entfaltet sich vor unseren Augen ein konsequentes und in sich
letztlich logisches Oeuvre. Bereits während des Studiums bei Otto Künzli in München, dessen
Assistentin dann auch Pontoppidan wurde, beschäftigt sie sich mit abweisenden Empfindungen wie
Ekel und Hässlichkeit, die doch eigentlich für den Schmuck vollkommen verpönt sind. Das Ergebnis
allerdings erweist sich als frappierend, denn die bunten „BLUMEN&BOLLER“ – so diese Werkgruppe
betitelt – eignen sich durchaus für die körperliche Adaption. Daraufhin widmet sich Pontoppidan der
Konfrontation absurder, abwegiger Attribute, die sich via Gravur und Email in die Arbeiten einfügen.
Diesen folgen Werkgruppen von skulpturalem Charakter, die sich auf soziales Umfeld und individuelle
Kontexte beziehen. Das Unförmige als ästhetisches Element und als scharfsinniger Störfaktor verleiht
den Anhängern, dem Halsschmuck aus dem Zyklus „FAMILY PORTRAITS“ etwa, eine befremdliche
Erscheinung, die gleichwohl durch ihre poetische, ja fast melancholische Ausstrahlung eine
atmosphärische Wirkung erhalten, die den Bruch mildert und den „Absturz“ des konventionellen
Schmuckbildes abfedert. In jüngster Zeit analysiert Pontoppidan Beziehungen zwischen den gemeinhin
als „angewandte“ und „freie“ bezeichneten Künsten. Die Trilogie „CANVAS_CONTEXT_CASH“ aus
dem Zeitraum 2010-2014 kombiniert Verhaltensweisen und Zitate aus beiden Bereichen und mixt
ironisierend diese Instrumente im schmucktauglichen Objekt. Mit „KNELL – THE GENDER BELL“
(2016/2018) kommentiert die Autorin – in glockenartigen Gebilden als Anhänger – das Thema der
Stimme, ihres Raumes, ihrer Tragweite und Daseinsberechtigung. Das Innenleben dieser „Klangkörper“
verbirgt geheimnisvolle Klöppel in assoziationsreicher Gestalt oder Materie, welche dann den durchaus
dezenten Ton hervorbringen können. Dazu werden sich des Weiteren völlig neu geschaffene Zyklen
gesellen, die den Schmuckkorpus ergänzen, aber auch sprengen.
Pontoppidan hat sich über diese Jahre vollkommen vom klassischen Schmuckdogma befreit und
changiert – überlegt und stets mit der verinnerlichten gelernten Goldschmiedin ringend – frech und
provokant zwischen der experimentellen Demontage in konzeptuell geprägten Arbeitsserien, dem
Anspruch freier künstlerischer Geste und Gestaltfindung, ihrer intellektuellen Durchdringung und
ästhetischen Darstellung hin und her, ein „Spagat“ auf hohem Niveau und keineswegs harmlos.
Damit ist Schmuck erneut ins Kunstlager gewechselt, diesmal allerdings zusätzlich angereichert durch
Inhalte, die bislang in dieser Form so noch nicht aufgetreten sind und ihn – den Schmuck – in einen
übergeordneten gesellschaftlichen Wandel einbetten, welcher den künstlerischen Ausdrucksmedien
zunehmend eine offene und uneindeutige Montur verleiht ohne jedoch in unserem Fall das Vergnügen
am Schmuck vollkommen zu negieren.
Gerade in München mit seiner weltweit berühmten und mit der Welt verknüpften Schmuckszene, die
einmal jährlich in einen „Mega-Event“ mündet, der sich um die beteiligten Museumsausstellungen und
Galerien, um die Sonderschau Schmuck auf der IHM und anderen Aktivitäten herum ansiedelt, ist ein
solches „Statement“, wie es die Ausstellung von Karen Pontoppidan im Museum Villa Stuck bietet,
mehr als Verpflichtung. Hier ist die Avantgarde zu Hause und hier wird die Avantgarde in diesem Genre
stets weiterhin und fortwährend ihre Äußerungen vorstellen.