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Fabian Beger – Das Diplom, der Talk
Mit Das Diplom, der Talk verwandelt Fabian Beger die offizielle Abschlussprüfung an der Münchner Akademie der Bildenden Künste in eine Performance, in der die gewohnten Rollen zwischen Künstler und Prüfungskommission, Publikum und Werk, Institution und Individuum verschwimmen. Beger imitiert die Situation einer klassischen Talkshow, indem er das Prüfungskomitee in der Rolle der Talkshow-Gäste auf einer roten Couch platziert. Die klassische Prüfungssituation wird in eine offene Diskursplattform umgewandelt, in der es nicht um einfache Antworten geht, sondern um das gemeinsame Aushandeln bestehender Formen der Kunst sowie ihrer Rahmenbedingungen innerhalb der institutionellen Praxis.


Die Talkshow setzt sich kritisch mit den Mechanismen der Kunstwelt auseinander. Ist die Kunstakademie ein Ort der Freiheit und Kreativität, oder unterliegen die Produktionsbedingungen von Kunst festen Erwartungen und Hierarchien? Welche Parameter liegen der Bewertung von Kunst zugrunde? Und wer besitzt die Deutungshoheit darüber – die Institution, das Publikum oder die Künstler*innen selbst?


Zwei Videoeinspieler untermalen diese Auseinandersetzung: Eine parodistische Immobilienwerbung inszeniert die Privatisierung von Atelierplätzen an der Akademie, während Peanut Butter Baby den Künstler zeigt, wie er sich bedeutungsschwanger und doch ohne erkennbare Sinnhaftigkeit in einem White Cube mit Erdnussbutter einreibt – eine groteske Reflexion über Selbstinszenierung, Körperlichkeit und Konsum in der Kunstwelt.


Beger greift Ansätze der Relationalen Ästhetik auf, die in den 1990er Jahren von Nicolas Bourriaud entwickelt wurden. Anstatt ein abgeschlossenes Kunstwerk zu präsentieren, schafft er eine Situation, die durch die Partizipation der Anwesenden geformt wird. Im Zentrum steht das soziale Experiment, dessen Ausgang offenbleibt. Das Publikum wird aus der Rolle des passiven Betrachters herausgelöst und selbst zu einem Akteur. Anstelle eines objekthaften Kunstwerks, dem sich der/die Betrachter*in gegenüber befindet, tritt der tatsächliche zwischenmenschliche Austausch, der von dem Künstler durch die Partizipation des Publikums bzw. des Akademiekomitees im Prüfungskontext initiiert wird. Begers Diplomarbeit bleibt objektlos; sie konstituiert sich aus dem ephemeren Moment und verzichtet bewusst auf eine videografische Dokumentation.


Die Arbeit hinterfragt die Mechanismen von Ausstellungspraxis und Bewertungssystemen: Kann Kunst unabhängig von institutionellen Strukturen existieren? Wird selbst die radikalste Geste in bestehende Kunstmarktdynamiken integriert?


In einer Gesellschaft, die auf Erfolg und Messbarkeit basiert, stellt sich darüber hinaus die Frage: Ist das bewusste Scheitern eine Form des Widerstands? Angelehnt an die Künstlerkritik der 1960er Jahre und die Kapitalismuskritik der Situationistischen Internationale zeigt Beger, wie Kunst nicht nur Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse ist, sondern auch subversives Potenzial besitzt. Beger formuliert seine Kritik auf humorvolle Art, ohne sie mit den überholten Strategien der 1968er Jahre zu kodieren.


Das Diplom, der Talk ist kein Abschluss, sondern ein Ausgangspunkt. Ein Raum des Dialogs. Ein Moment des Infragestellens. Und vielleicht: ein Anfang.

Text: C. Sperling M.A.

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