"Nach ihrem Abschluss an der AdBK München in diesem Jahr und am Beginn ihrer Laufbahn als professionelle Künstlerin kehrt Hannah Jeong bewusst zurück zu den Ursprüngen ihrer Vorstellungskraft: zur Welt der Kindheit, dem Quell ihrer Imagination, dem Impuls ihrer Kunst. Während viele Erwachsene die in Tagträumen verbrachte Kindheit mit dem Übergang ins Erwachsenenleben hinter sich lassen, bewahren sich Künstler*innen oft diesen Zugang – vielleicht als Gabe, vielleicht als Entscheidung. Denn der kreative und phantastische Reichtum dieser frühen Jahre ist unvergleichlich. Hannah Jeong hat nicht nur ihre Kindheit, ihre kulturellen Wurzeln und ihre Erinnerungen mitgenommen – sie hat sich entschieden, all dies aktiv in ihre erwachsene Welt zu integrieren. Ihre Kunst wird so zur lebendigen Erinnerung, zum Ort, an dem das Gewesene und das Erdachte eine gemeinsame Wirklichkeit entfalten. Es beginnt mit einer Erinnerung: Ein Kind träumt von durchscheinenden Flügeln. Hannah Jeong erinnert sich an eine noch konkretere Szene – an die Vorstellung, Flügel an den Knöcheln zu tragen, wie Hermes. Damals kannte sie die Figuren der griechischen Mythologie vermutlich noch nicht, aber diese Variante erschien ihr schöner, vielleicht auch weniger schmerzhaft als Flügel, die sich aus den Schulterblättern brechen müssten. Diese ikonografische Nähe ist bemerkenswert: Sie zeigt, wie tief archetypische Bilder im kollektiven Gedächtnis verankert sind – und wie universell der menschliche Wunsch nach anderen Welten, anderen Daseinsformen ist. Alles scheint miteinander verbunden – Erinnerung, Mythos, Körper und Imagination."
Text: Tinatin Ghughunischvili-Brück