mit Arbeiten von:
Hannah Hyun Jeong, Ju Young Kim, Younsik Kim, Chaeeun Lee & Jimmy Vuong
Manche Zugvogelarten legen jedes Jahr beeindruckende Strecken von bis zu 10.000 Kilometern zurück, um ihr Überleben zu sichern. Einige der kleineren Vögel, wie die Nachtigall und Schwalben, überqueren die Alpen, das Mittelmeer und die Sahara, um beispielsweise in Westafrika zu überwintern. Diese Vögel passen sich erstaunlich schnell an ihre neuen klimatischen Umgebungen an, nachdem sie eine äußerst anspruchsvolle Reise hinter sich gebracht haben. Einige von ihnen gehen sogar alleine auf diese Reisen und gehören damit zu den wenigen Arten neben dem Menschen, die diese „Wanderung“ auch außerhalb von Gruppen praktizieren und ihre ursprünglichen Lebensräume verlassen. Diese von der Natur den Vögeln auferlegte Überlebensstrategie ist beschwerlich und beeindruckend zugleich und lässt an die Herausforderungen denken, denen Menschen oft gegenüberstehen, die aus unterschiedlichen Gründen in die Fremde ziehen. Im Gegensatz zu den Vögeln haben Menschen jedoch oft Schwierigkeiten, sich an neue Umgebungen anzupassen. Dies mag unter anderem daran liegen, dass die Vorurteile und Ängste gegenüber Fremden sich in bürokratischen Prozessen und im Alltag widerspiegeln. Dabei war der Homo sapiens über den längsten Zeitraum seiner Existenz ein Homo migrans. Erst mit dem Beginn des Neolithikums zwischen 20.000 und 10.000 v. Chr. begann der Mensch, Landwirtschaft zu betreiben und sesshafte Lebensformen anzunehmen. Die Sesshaftigkeit, die Entwicklung und letztendlich das, was wir Fortschritt nennen, brachte die ausgeprägte geographische und kulturelle Zugehörigkeit mit sich und neben all den wundervollen Errungenschaften der Menschheit, ließ es uns unseren gemeinsamen Ursprung vergessen. Die Ausdehnung dieser Perspektive auf den Ursprung nicht nur der menschlichen Spezies, sondern aller Lebewesen in unserem bekannten Universum, eröffnet eine äußerst tiefgreifende Sichtweise. Diese erweiterte Perspektive kann als ein bedeutendes Instrument zur Überwindung von Xenophobie betrachtet werden, da sie uns auf den Weg zur Förderung von Akzeptanz und Anerkennung der vielfältigen Nuancen und fließenden Grenzen von Identitäten führen kann. Der Hinweis auf die „Identifizierung" mit den Vögeln in einem konzeptionellen Rahmen dieser Ausstellung wirft ein helles Licht auf die Idee, dass unsere menschliche Identität nicht in Stein gemeißelt ist, sondern vielmehr ein facettenreiches Gewebe darstellt. Die Akzeptanz von Tieren als Teil der menschlichen Identität öffnet die Tür für eine breitere Akzeptanz und Wertschätzung von Vielfalt. Es ermutigt uns, queer- und diversitätsbezogene Identitäten zu feiern und zu fördern. Dies führt zu einer Gesellschaft, die nicht nur die verschiedenen Facetten der menschlichen Erfahrung respektiert, sondern sie auch als eine Bereicherung für uns alle betrachtet.
Der Titel der Ausstellung ist eine Anspielung darauf.
In diesem Zusammenhang ist es wenig überraschend, dass die Künstler*innen in dieser Ausstellung ein tiefes Interesse an Themen wie Identitätsveränderung, Anpassung, Veränderung der Lebensumgebung und vorübergehende Zustände zeigen. Alle fünf haben ihre vertraute Umgebung verlassen oder sind in Familien mit Migrationshintergrund aufgewachsen. Die Metapher der Zugvögel spiegelt in gewisser Weise die fortwährende Anpassung an das Leben in einer Art Übergangsraum wieder, sei es physisch oder emotional.
Text: Tinatin Ghughunishvili-Brück