Esther Zahel:
Wer lange kein echtes Zuhause findet, könnte sich – wie Esther Zahel – eines malen, um nicht länger umziehen zu müssen. Oder eines, das zumindest mit umzieht.
Esther Zahels ebenso raumgreifende wie raumbildende Arbeiten gehen mit ihr auf Reisen. Dabei wachsen sie und verändern sich. Der fertige Zustand wäre auch ein ungeliebter Stillstand, denn Zahels Interesse gilt dem Prozesshaften. Sie will erkunden, wie es an Rand der Bilder weitergeht – malerisch und erzählerisch. Ihre Malerei erzählt Geschichten in Schichten. Die Motive entwickeln sich mit der Zeit wie Jahresringe um die Malerin. Sie entstehen als Layer auf den Leinwänden ihrer Einhausung. Ergänzende Setzungen und Übermalungen folgen dabei der jeweiligen Raumnutzung oder verweisen auf eine frühere. Bilder im Bild erinnern an einstige Gäste, Künstlerfreund*innen, die als konkretes Motiv aber ebenso wenig in Erscheinung treten wie die Hausherrin selbst oder andere Bewohner*innen. Deren Präsenz zeigt sich allein in Gebrauchsspuren auf dem Mobiliar und auf Gegenständen, die dadurch Charakter bekommen. Denn es sind gerade die kleinen Fehler, die Spuren der Abnutzung, die sie von der Ebene des Belanglosen in private Sphären heben.
Esther Zahel lädt mit ihrer Arbeit im Kunstverein die Besucher*innen zum Hausfriedensbruch ein, lässt sie Eindringen ins Private. Sie kehrt dabei sogar Inneres nach außen: Texte auf den Rückseiten ihrer Leinwände lassen die Fassade ihres Zuhauses eben nicht zur anonymen, perfekten, Fassade werden. Stattdessen erlauben sie Einblicke in die Gedankenwelt der Künstlerin. Aufgekommen während der malerischen Arbeit am Inneren, stehen die Gedanken da nun für jeden sichtbar – ungeordnet, irreversibel, als Splitter oder flüchtige Tagebucheinträge zu einem noch nicht enden wollenden Prozesses.
Peter Langenhahn:
„Worum geht es beim Wohnen?“, fragt sich Peter Langenhahn, der von seiner Lebensgefährtin Esther Zahel aufgefordert wurde, mit ihr den Groundfloor Playground im Kunstverein zu bespielen. „Darum, geschützt zu sein, wenn man es am dringendsten braucht.“ Das ist im Schlaf und in den intimen Momenten des Lebens der Fall – in den Momenten, in denen Menschen angreifbar sind. Bei Reduktion aller Bedürfnisse ließe sich demnach Wohnraum auf den ultimativen Schutzraum reduzieren: das Bett.
Konsequent setzt Langenhahn mit seinem „Amphibienwohnwagen“ diesen Gedanken um. Ein Bett und etwas Stauraum darunter determinieren die Dimensionen seines vermeintlich mobilen Heims aus Birkenholz, Seekiefer und Bauwoll-Gewebe. Das Raumvolumen wurde auf das zum Aufstehen und Umkleiden erforderliche Minimum reduziert.
Wer sich im Kunstverein wie der Künstler und seine Lebensgefährtin mit dem „Ding“ auf eine imaginäre Reise begeben will, wird durch die in einem fast archaischen Prozess mit Bienenwachs getränkte Hülle zu Wasser und zu Lande vor Witterung geschützt. Der Ausstieg nach vorne erlaubt es den Reisenden auch nach Fahrten über Gewässer den Fuß aufs Trockene zu setzen.
Ausgangspunkt der Reisen des Künstlers, des Sohnes eines Seemanns, ist stets sein „Kosmos des Selbermachens“. Also der Ort, dem alle seine jüngeren Arbeiten entsprangen. Denn im Sich-Erarbeiten neuer handwerklicher Techniken sieht Peter Langenhahn nicht allein die Chance, seine Gefühle für andere bestmöglich zu visualisieren. Durch die Erfahrungen, die er dabei macht, werden diese Gefühle auch für ihn selbst greifbar, durch die Entwicklung entsprechender Werkzeuge vielleicht sogar reproduzierbar für andere.
Wohin Peter Langenhahns Reise nun gehen wird? Wer weiß? In jedem Fall wird die Route seiner Sehnsucht nach Selbstbestimmtheit folgen.
(Text: Christian Thöner)