• Ausstellung mit Nadine Kuffner und Jasmin Matzakow
  • Datum & Uhrzeit Mi | 11.03.2020 | 14:00 Uhr
  • Datum Mi | 11.03.2020
  • So | 15.03.2020
  • Öffnungszeiten Mo - Fr | 14.00 - 18.00
  • Ort Maurer-Zilioli | Schleißheimerstr. 42 | Innenhof | München

Die Vorstellung von Schmuck ist unweigerlich an handwerkliches Ehrgefühl, an handwerkliche Ausführung und Präzision gekoppelt.

Eine doppelte Bindung tut sich auf – wenn man an die Verquickung von weiblicher Handarbeit, kunsthandwerklicher Geschicklichkeit,  Verpflichtung und Tradition denkt. Ethos – Gewohnheit, Sitte, Brauch, Verantwortung und sittliche Haltung – als inhärente Werteskala, vermählt sich mit Pathos, mit der Bedeutungsgeste, mit dem kunsthandwerklichen Imperativ. Es ist eine Last mit dem Schmuckerbe. Die Bewegungsfreiheit erweist sich nachhaltig als eingeschränkt und die Materie nach wie vor belastet und kontaminiert von dogmatischen Richtlinien und sentimentalen ästhetischen Assoziationen.

 

THE GOOD CRAFTSWOMAN zeigt zwei Künstlerinnen, die sich für eine komplexere Sichtweise einsetzen, die den Schmuck im weitesten Sinne als künstlerische und damit nicht allein handwerkliche Disziplin betreiben, sondern als Denkform, als Ausdrucksform, als ästhetisches

Medium, um auf unterschiedlichen Ebenen zu agieren – sei es als tragbarer Schmuck, als Schmuck an der Grenze, als bildnerisches Element, als kritische Stellungnahme, als reflexives „handwriting“ im übertragenen Sinne.

 

Matzakow geht gerne vom Material aus, das sie stimuliert und die Weichen stellt für ihre inhaltliche Auseinandersetzung. Etwa Holz oder Brennnessel-Ranken. Deren Haptik und stoffliche Qualitäten, abgesehen von der Anwendung als Heilmittel oder in einem archaischen Lebensrhythmus, verweisen auf rituelle Zusammenhänge, auf kraftvolle symbolische Zeichen, auf die potentielle Wirkkraft der Natur, ihre Ornamente, auf die Verankerung menschlicher Handlung in einem fundamentalen Urgrund. An dieser Schnittstelle setzt Matzakow auf radikale Weise ein. Sie nimmt dem Schmuck den erworbenen gesellschaftlichen Schliff, sie baut ihn aus rohem Stoff, aus unwertem Fund, aus simplen Dingen auf und gesteht ihm nur eine direkt aus dem Material herauswachsende Ästhetik zu, die sich gleichwohl dem Schmuck zueignet.

 

Kuffner dagegen strebt zur freien, expansiven künstlerischen Geste und Aktion. Ihr wird ebenso eng im herkömmlichen Schmuckkonzept. Daher sprengen ihre Arbeiten hierarchische Ordnungen. Das Gewicht überschreitet die Tragfähigkeit, das Objekt widerspricht dem Format, der Produktionsprozess zeugt von der Absage an die saubere und exakte Formgebung, an das „bedeutende“ Metall, an das kalkulierte, kontrollierte Vorgehen. Kuffner überlässt sich – bis zu einem gewissen Grad – dem Zufall, der dem Material innewohnenden Bedingtheit – und demonstriert mutiges Loslassen von Diktion und Dogma. Sie wählt Spontaneität, den Respekt vor Eigenwillen und Eigengesetzlichkeit des Zinn, ihrer bislang bevorzugten Materie. „Wo hört Schmuck auf und wo fängt ein Bild oder eine Skulptur an?“, so Kuffner. In ihren Werken fließen Aspekte zusammen, die gemeinhin getrennt auftreten.

 

Ein ernstes, ironisches Spiel, eine Auflehnung, ein Postulat, eine entschiedene rebellische Position artikuliert sich in dieser Ausstellung. Es ist Zeit für eine offene Debatte, eine wiederholte Problematisierung und anhaltende Reflektion der Materie, ein im Fluss halten der Diskussion und der Perspektiven, die stets die Frage nach Identität und Erwartung aufwerfen und niemals entscheiden wollen. Kann es denn überhaupt noch fest geschriebene Kriterien geben? Die gemeinsame Präsentation dieser beiden Positionen bietet eine lebendige Konfrontation, ein spannendes fesselndes Schauspiel möglicher Tendenzen und Optionen für den Schmuck.