Zwischenspiel 2021: Wissen = Macht?
Sommersemester 2021
Anderes Wissen
(FK-T3, KP D.05.09)
Dr. Susanne Witzgall
Raum E.O1.23, Akademiestr. 2
Zeit Dienstag 14.00–16.00 Uhr, Beginn: 20.04. (Vorbesprechung), weitere Termine: 27.04., 04.05., 11.05., 18.05., 25.05., 01.06., 08.06., 15.06., 29.06., 06.07., 13.07.2021.
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Für Joseph Beuys, der dieses Jahr seinen 100. Geburtstag feiert, stellte die fast ausschließliche Fokussierung der westlichen Gesellschaften auf das wissenschaftliche Wissen die eigentlich zu heilende Wunde des Menschen dar. Dabei ging es ihm jedoch nicht um eine totale Zurückweisung des wissenschaftlichen Denkens, sondern um dessen Ergänzung durch andere Erkenntnisformen. In der Zwischenzeit wurde nicht nur der alleinige Wahrheitsanspruch des wissenschaftlichen Wissens einer Kritik unterzogen (sowie diese Kritik im „postfaktischen Zeitalter“ verdreht und missbraucht), sondern auch die Forderung lauter andere marginalisierte Wissensformen stärker zu berücksichtigen. Denn durch traditionelle Festlegungen, wer Wissen produzieren und was als Wissen gelten darf, werden koloniale Machtverhältnisse reproduziert und andere Perspektiven und Erkenntnisse negiert, die für die Bewältigung der gegenwärtigen Krisen von hoher Relevanz sind.
Das Seminar ist der Dekolonialisierung des Wissens bzw. dem anderen Wissen gewidmet: dem magischen und indigenen Wissen, dem verschwiegenen Körperwissen oder praktisch-handwerklichen Wissen. Diese Wissensformen oder ihre hybride Mixtur mit wissenschaftlichen Erkenntnissen sind gerade auch für die Künste von hoher Relevanz, denen selbst seit einigen Jahrzehnten im zeitgenössischen Kunstdiskurs eine besondere Form der Wissensgenerierung zugeschrieben wird. Wir analysieren zeitgenössische Künstler*innenpositionen von Minia Biabiany, Grada Kilomba, Desert ArtLAB, Mariechen Danz, Khvay Samnang, Zadie Xa und vielen mehr, die anderes Wissens evozieren oder sich bewusst auf andere marginalisierte Wissensformen beziehen und setzen sie in Bezug zu zentralen theoretischen Texten unter anderem von Karen Barad, Gilles Deleuze, Donna Haraway, Michael Polanyi oder Boaventura de Sousa Santos. Wir sprechen über Kunstausstellungen als mögliche Orte der Wissenserzeugung und diskutieren über die Rolle der Kunst in einer neoliberalen Ökonomie des Wissens, in der Erkenntnis und Bildung zunehmend Vermarktungsinteressen unterworfen werden. Wenn möglich, sollen die Seminarsitzungen durch Gespräche mit „Hüter*innen anderen Wissens“ und gemeinsame Besuche von Ausstellungen (z.B. Haus der Kunst / Lothringer 13) ergänzt werden.
How to imagine the Academy of the Future? Kunst, Bildung, Wissen und ihre Transfers im Digitalen
(FK-T4, KP C.01.09)
Prof. Dr. Marietta Kesting
Raum A.EG.01 (Alter Sitzungssaal)
Zeit Mittwoch 14.30-18.30, zweiwöchentlich, Beginn: 21.4.2021 (Einführung), weitere Termine: 5.5., 19.5., 2.6., 16.6.(Achtung: Raum Kollosssaal), 30. 6. 2021
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Wem gehört das Wissen und die Kunst? Gibt es legitime Eigentümer*innen von Archivmaterialien, Songs, Videos, Gebrauchsfotografien? Wie kann digitale Teilhabe und Demokratie aussehen? Ist das Internet Property (Eigentum) oder Commons? Wer kümmert sich um die Instandhaltung oder Einrichtung der digitalen Infrastruktur? Warum ist in Deutschland das Internet langsamer und teurer als beispielsweise in Rumänien oder Estland?
Nach einem Jahr, in dem wahrscheinlich viele mehr Zeit online als offline verbrachten, stellen sich diese Fragen mit neuer Intensität. Während das eflux Journal schon 2015 proklamierte „The Internet does not exist“, so hält es sich doch hartnäckig, als „a blur, a cloud, a friend, a deadline, a redirect, or a 404.“ Die Nutzung digitaler Inhalte ist mehr und mehr durch verschiedene Systeme wie Paywalls, Blockchain, NFTs (Non-fungible Tokens), Open Access und Fair Use organisiert, diese basieren auf grundlegend unterschiedlichen Vorstellungen von Wissenszirkulation, kreativem Eigentum und den digitalen Commons. Sie definieren Transparenz, Il/Legalisierung, Kommerz, Kontrolle, Aneignung und Zitate, Accountability und De/Zentralisierung jeweils unterschiedlich. Diese Diskussion ist besonders dringlich, da gegenwärtige Reformen der Universität und der Kunstakademie entworfen werden in Erwartung neuer Formen des Arbeitens, der Wertschöpfung und der Technologie. Sie schaffen damit einhergehend auch neue Formen von Subjektivität und Sozialität und definieren geistige und künstlerische Produktion und Autorschaft, sowie Möglichkeiten der gesellschaftlichen Partizipation.
Wie lassen sich andere Modelle der künstlerischen Arbeit und Nutzung in Bildung wie auch im Privaten, sowie der Zusammenarbeit und der Speicherung digitaler kultureller Inhalte für die Gegenwart und Zukunft entwerfen und propagieren, die sowohl fair den Urheber*innen gegenüber sind, aber auch sozio-ökonomisch Benachteiligten Teilhabe ermöglichen? Wie lassen sich die Machtgefälle als Teil des kolonialen Erbes auch im Digitalen nachverfolgen und adressieren? Wem gehören kulturelle und künstlerische Artefakte und warum wird Appropriation so unterschiedlich bewertet?
Falls unter Corona-Bedingungen möglich, wird eine Exkursion zu der Ausstellung „Bildungsschock“ kuratiert von Tom Holert, HKW Berlin, am Ende des Semesters stattfinden.
Künstlerische und aktivistische Positionen: Kollektiv Metahaven, Cheap Collective, Chaos Computer Club, Peng! Kollektiv, Raqs Media Collective, Filipa César, Ola Uduku, Street College, u.v.a.
Bitte beachten: Je nach Corona-Situation findet das Seminar bevorzugt in Präsenz oder online statt. Im Falle einer Online-Veranstaltung werden kürzere Sitzungen im wöchentlichen Rhythmus angeboten.
Ökologisches Denken/ökologische Praxis – Lektüreseminar und Kolloquium
(FK-T3, KP D.05.09)
Dr. Susanne Witzgall
Raum E.O1.23, Akademiestr. 2
Zeit Freitag 16.00–17.30 Uhr, Beginn: 23.04. (Vorbesprechung), weitere Termine: 30.04., 14.05., 21.05., 28.05., 04.06., 11.06., 18.06., 25.06., 02.07., 09.07.2021.
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Wir lesen und diskutieren gemeinsam aktuelle Texte der relativ jungen „Interdisziplinen“ des Material Ecocriticism, Ecomaterialism oder der Environmental Humanities – darunter Texte von David Abram, Stacy Alaimo, Rosi Braidotti, Timothy Ingold, Rob Nixon, Timothy Morton und anderen. Darüber hinaus sind Studierende herzlichen dazu eingeladen eigene künstlerische Arbeiten zu ökologischen bzw. ökosozialen Fragestellungen vorzustellen. Ziel ist es in den nächsten Semestern diese Veranstaltung mit ihrem spezifischen inhaltlichen Fokus zu einem flexiblen Format auszubauen, das auch Gespräche mit Expert*innen aus unterschiedlichen Umweltdisziplinen sowie Ortbegehungen miteinschließt.
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Lehrveranstaltungen Sommersemester 2020
Without Measure? Excess(es) in Contemporary Art
Virtual conference, June 17 and 18, 2020
Hosts: Ursula Ströbele (Study Center for Modern and Contemporary Art at Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Munich) / Susanne Witzgall (cx centre for interdisciplinary studies, Academy of Fine Arts Munich)
To participate, please register via e-mail by June 15th at
The word ‘excess’ comes from the Latin verb ‘excedere,’ meaning ‘to step outside, to go beyond something.’ Whether something is perceived as excess depends on cultural-social and historical normative frameworks. Yet excess implies not only the transgression of orders of values, but also of ecological, social, and human capacities, and suggests immoderateness, insatiability, lack of restraint, debauchery, or deviation. Today our reality seems to be saturated by various excesses: exaggerated increases in efficiency, the unrestrained consumption and squandering of resources in the modern economy, the verbal excesses of politics, the research-based excesses of the production and modularization of artificial life, and the algorithmic excesses of an increasingly wired and digitalized world are just a few 21st century examples of this phenomenon, which often has a negative connotation. At the same time, play with and the transgression of limits as anthropological constants entices us with its promise of transcendent experience, the liberation from social constraints, and creative flights of fancy. The term ‘excessive’ can be used to describe a dimension of experience or perception, a stylistic criterion, or a practice that crosses borders. Excesses have traditionally always been at home in visual art, given that they often operate beyond social etiquette and norms, evoking states of euphoria and intoxication, but also critically reflecting on economic and sociopolitical conditions.
The symposium “Ohne Maß? Exzess(e) in der zeitgenössischen Kunst” (Without Measure? Excess[es] in Contemporary Art) aims to explore how the art of the 21st century has confronted the theme of “excess.” How do current art practices approach this ambivalent phenomenon at a time when new excessive modes of behavior and processes are emerging, or at any rate seem to be increasingly coming to the fore? This symposium is dedicated to excess as a multilayered object of artistic investigation, but also as an artistic strategy for the creative transgression of boundaries and resistant practice. In connection with the 2019/20 theme of “excess” at the cx center for interdisciplinary studies, the symposium is a cooperation between the cx center for interdisciplinary studies at the Academy of Fine Arts, Munich, and the Study Center for Modern and Contemporary Art at the Central Institute for Art History, Munich. Lectures and Discussions will be in English.
Wednesday, June 17, 2020
1:30 pm
Welcome and Introduction
Ursula Ströbele and Susanne Witzgall
2:00–4:00 pm
Panel 1: Excessive Art?
Wouter Davidts (Gent)
Out of Scale. Excessive Size in Contemporary Sculpture
Dominik Brabant (Eichstätt-Ingolstadt)
Excesses of the real? Christoph Büchel’s Barca Nostra and art criticism
4:00–4:30 pm
Coffee Break
4:30–6:30 pm
Panel 2: Excessive Esthetic and (Queer) Identities
Julia Skelly (Montreal)
Interrogating Art History’s Excesses: Mickalene Thomas and Queer Black Decadence
Daniel Berndt (Berlin/Zürich)
More than Extra – Drag and Queer Identities in Ryan Trecartin’s and Lizzy Fitch’s Video Works
Thursday, June 18, 2020
10.30 am–12.30 pm
Panel 3: Art and the Excess of Objects
Rahma Khazam (London/Paris)
On Objects and their Excesses
André Rottmann (Berlin)
Another Vision of Excess: The Case of Cameron Rowland
12.30 pm–1:30 pm
Break
1:30 pm–3:30 pm
Panel 4: Accumulation and Excesses of Information in the Arts
Elisa Linseisen (Paderborn)
Digital | Monumental. Excessive Data Processing in the Work of Ryoji Ikeda
Serena De Dominicis (Rome)
Excess. Art Faced to the Productivist Economic Model
3:30 pm–4:00 pm
Final Discussion