Aktuelle Ausschreibung
Für das Sommersemester 2025 schreiben die Frauenbeauftragten der AdBK wieder einen Lehrauftrag aus.
Bewerber*innen für den Lehrauftrag der Frauenbeauftragten sollten sich ausdrücklich mit Fragen der Gleichstellung und Diversität vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Kunst befassen, eine sowohl theoretische als auch künstlerische Ausrichtung ist möglich. Bewerber*innen sollten über einen einschlägigen Hochschulabschluss sowie pädagogische Eignung verfügen. Die Bewerbungsfrist für den Lehrauftrag ist der 07.01.2025. Die Bewerbung findet in digitaler Form statt.
Die Auswahl des Lehrauftrags erfolgt über die Frauenbeauftragten. Bewerbungen mit einem Lehrprojekt für das Sommersemester (eine Din A4-Seite) und einem Lebenslauf bitte per Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. senden. Der eigenständige Lehrauftrag wird entsprechend der SWS und der an der Akademie üblichen Stundensätze vergütet.
Archiv
Sommersemester 2024
Anne Kristin Kristiansen: “Gendertopien”
Die Lehrveranstaltung hat das Ziel, eine Einführung in grundlegende Fragen von (Queer-)Feminismus aus sozialwissenschaftlicher, künstlerischer und politischer Sicht zu geben. Sie nähert sich dieser vielschichtigen Materie mit einer Mischung aus theoretischen Debatten und Betrachtung von Manifesten, die (queer- )feministische Bewegungen über die Jahrzehnte als Schlüsseltexte und in Schlüsselmomenten geprägt haben. Der Fokus liegt hier auf feministischen Manifesten von Künstlerinnen, allerdings nicht ausschließlich. Der Kurs beginnt mit einer der Schlüsselautorinnen der feministischen Theorie, Judith Butler. Mit Butler werden wir vor allem über Subjekt-Bildung an Hand zweier Texte sprechen: zum einen „Psyche der Macht. Das Subjekt der Unterwerfung“, zum anderen „Kritik der ethischen Gewalt“. Während der erste Text beschreibt, was es für ein Subjekt bedeutet unterworfen zu werden unter Strukturen und Normen als konstitutives und auch produktives Moment, geht sie im zweiten Text darauf ein, inwiefern das „Ich“ kein geschlossenes gefestigtes „Ich“ ist, sondern eines, dass sich in der Begegnung mit einem „Du“ immer wieder neu bildet. Beide Texte sind für das Verständnis von Butlers Theorie der Gender-Performativität maßgeblich.
Im nächsten Abschnitt des Seminars verschaffen wir uns einen (kurzen) Überblick über die Geschichte des Feminismus, um eine Grundlage zu schaffen, anhand derer wir die folgenden Texte und unsere eigene Positionalität besser verstehen können.
Im weiteren Verlauf des Seminars wenden wir uns der Rolle von Manifesten als Ausdruck und Teil (queer-)feministischer Bewegungen zu. Manifeste stellen primär ein Aufbegehren gegen existierende Normen dar – Normen, denen wir unterworfen sind, die uns Gewalt antun und gegen die wir aufbegehren. Sie sind ein utopisches Moment mit konstitutiver Kraft für die individuelle und kollektive Subjektbildung, die mit den vorherrschenden Normen nicht einverstanden sind. Manifeste liefern uns einen wertvollen Einblick in das Zeitgeschehen verschiedener Wellen des Feminismus und können uns deutlich machen, inwiefern sich der Feminismus verändert hat und wohin sich die Kernkonflikte verschoben haben. Manifeste sind zugleich Dokument einer historischen Situation und ein Appell für eine andere, bessere Zukunft – sie sind Dystopie und Utopie in einem. Im Folgenden einige Ausschnitte aus Manifesten, die wir gemeinsam lesen werden:
Isolation, Suburbs and Prevention of Community: Our society is not a community, but merely a collection of isolated family units. Desperately insecure, fearing his woman will leave him if she is exposed to other men or to anything remotely resembling life, the male seeks to isolate her from other men and from what little civilization there is, so he moves her out to the suburbs, a collection of self-absorbed couples and their kids. Isolation enables him to try to maintain his pretense of being an individual by becoming a “rugged individualist,” a loner, equating non-co-operation and solitariness with individuality. - S.C.U.M. Manifesto (1967)
B. Two basic systems: Development and Maintenance. The sourball of every revolution: after the revolution, who’s going to pick up the garbage on Monday morning? Development: pure individual creation; the new; change; progress, advance, excitement, flight or fleeing. Maintenance: keep the dust of the pure individual creation; preserve the new, sustain the change; protect progress; defend and prolong the advance; renew the excitement; repeat the flight. show your work – show it again keep the contemporaryartmuseum groovy keep the home fires burning - Manifesto for Maintenance Art (1969)
the arts can be understood as a medium of our self-definition adding new values to the arts. These values, transmitted via the cultural sign-process, will alter reality towards an accommodation of female needs. THE FUTURE OF WOMEN WILL BE THE HISTORIY OF WOMAN - Womens Art, A Manifesto (1972)
Die kontrasexuelle Gesellschaft erklärt und fordert die absolute Trennung von Sex und Fortpflanzungsaktivitäten. Kein kontrasexueller Vertrag führt zu einem Fortpflanzungsakt. Die Reproduktion wird von den Körpern, die zur Schwangerschaft fähig sind oder über Sperma verfügen, frei gewählt. Aus keinem dieser Fortpflanzungsakte geht eine »natürliche« elterliche Verwandtschaft zwischen reproduktivem und neugeborenem Körper hervor. Der neu geborene Körper hat das Recht auf eine kontrasexuelle Erziehung. - Kontrasexuelles Manifest* (2003)
“A feminism that is truly anti-racist and anti-imperialist must also be anticapitalist.” “They can command sexual services, and so some of them do. Here, the root is women's economic, professional, political, and racial vulnerability: our dependence on the paycheck, the reference, the willingness of the employer or foreman not to ask about immigration status. What enables this violence is a system of hierarchical power that fuses gender, race, and class. What results from it is that system's reinforcement and normalization. - Feminism for the 99% (2019)
Xenofeminismus will Geschlecht abschaffen. «Geschlechterabschaffung» ist aber kein Kode für die Beseitigung dessen, was derzeit als «vergeschlechtlichte» Merkmale der menschlichen Population gilt. Im Patriarchat könnte ein solches Projekt nur eine Katastrophe bedeuten, da die Vorstellung davon, was «vergeschlechtlicht» ist, unverhältnismäßig dem Weiblichen anhaftet. Doch sogar, wenn dieses Ungleichgewicht überwunden wäre, hätten wir kein Interesse daran, die geschlechtliche Vielfalt auf der Welt zu verringern. Lasst Hunderte von Geschlechtern blühen! Xenofeminism is gender-abolitionist. ‘Gender abolitionism’ is not code for the eradication of what are currently considered ‘gendered’ traits from the human population. Under patriarchy, such a project could only spell disaster–the notion of what is ‘gendered’ sticks disproportionately to the feminine. But even if this balance were redressed, we have no interest in seeing the sexuate diversity of the world reduced. Let a hundred sexes bloom! - Xenofeminism (2020)
Bislang wird behauptet, dass, wenn wir gewisse Facetten unserer Identität, nämlich unsere sexuelle sowie Geschlechtsidentität offenlegten, wir mit einem Mal bestimmte Figuren und Beziehungen nicht mehr darstellen könnten. Als wäre deren Sichtbarkeit unvereinbar mit unserer Fähigkeit, Rollen überzeugend und glaubhaft für das Publikum zu verkörpern. - ActOut Manifest (2021)
Sommersemester 2023
Anne Brannys, Edith Kollath: “Hope Chorus”
Critical thinking without hope is cynicism. Hope without critical thinking is naïveté.
Maria Popova
„Hope Labour“ beschreibt un-/unterbezahlte Arbeit, die in der Gegenwart in der Spekulation auf ein berufliches Fortkommen in der Zukunft geleistet wird und fügt sich ein in neoliberale Skripte, in denen Verantwortung gänzlich auf das Individuum übertragen werden. Eine Verbreitung von Hoffnungsarbeit v.a. in künstlerischen Arbeitsbereichen liegt sicher auch daran, dass jene Berufe oft als „Berufung“ empfunden werden und trotz des oft geringen Einkommens gesellschaftlich hoch angesehen sind und über sie „kulturelles und soziales Kapital“ erwirtschaftet wird.
Da Frauen einen großen Prozentsatz der im kulturellen Bereich beschäftigten Personen darstellen und gleichermaßen Personen mit einer langen Tradition in der Verrichtung unbezahlter (Care-)Arbeit sind, soll im Projekt die sogenannte „Hope Labour“ aus feministischer Perspektive betrachtet werden. Und damit das „Prinzip Hoffnung“ nicht als naive und passive Haltung, sondern als entwerfendes, also als ermächtigendes und emanzipatorisches Potential untersucht werden, welches verantwortungsvolles Handeln und Veränderung initiieren kann. Denn Hoffnungslosigkeit auf der anderen Seite, die angesichts gesellschaftlicher, ökologischer und politischer Entwicklungen entstehen kann, führt zu Resignation und Stumpfheit. Deshalb wird nach Möglichkeiten gesucht, wie ein Umdenken und Umpraktizieren von vereinzelter Hoffnung des Individuums zu einer kollektiv hervorgebrachten Hoffnung als gesellschaftsverändernde Kraft entstehen könnte. Das bedeutet, die Hoffnung über einen individuellen Affekt hinaus als (eine mögliche) gemeinschaftliche Praxis denken.
Der Chor ist eine kollektive, künstlerische (Theater-)Figur mit einer lang zurückreichenden Tradition, die sich bereits in der Antike v.a. aus marginalisierten Stimmen (Frauen, Kinder, Sklaven) zusammensetzte. Im Projekt „Hope Chorus“ betrachten wir den Chor über seine Funktion als eine aus vielen Einzelnen zu einem Körper zusammengefasster Formation mit einer bestimmten Außenwirkung hinaus und in klarer Abgrenzung zu einer Vorstellung eines gleichgeschalteten Chorkörpers. Vielmehr wenden wir uns einer chorischen Praxis von intern fein abgestimmten, gemeinschaftlichen Produktionen zu.
Protestbewegungen von Arbeitern sind oft mit chorischen Praktiken wie dem gemeinsamen Singen verknüpft, als vergemeinschaftende, emanzipatorische Praxis. Auffällig ist, dass diese Gesangsbewegungen und Sängerbünde fast ausschließlich männliche Teilnehmer hatten. Diese Leerstelle und ihr möglicher Zusammenhang mit dem Überhang weiblicher Hoffnungsarbeitender soll im Projekt „Hope Chorus“ künstlerisch untersucht werden.
Der Workshop umreißt also den theoretischen Rahmen und die performative Rolle der Hoffnung als Instrument einer dystopisch gezeichneten Zukunft zu begegnen und nähert sich dem Hoffen als einer kollektiven Praxis. Es richtet sich an Personen, die einen Beruf im kreativen Sektor anstreben, um die hier oft praktizierten Arbeitsbedingungen gemeinsam zu diskutieren und die Studierenden zu emanzipierten Entscheidungen zu befähigen. Im dezidiert künstlerisch-forschenden Workshop findet dabei eine Verschränkung von theoretischem Input (Lektüre, Interviews, Ausstellungsanalysen) und kreativem Output (Performances, gemeinschaftliche Produktion, künstlerische Reaktion auf Input) statt.
Sommersemester 2022
Mascha Salgado de Matos: "Strategien der Erinnerung: Feminismen im Kunstfeld vor dem Hintergrund post-kolonialer Strukturen und des „Nationbuilding“ Portugals seit 1974 bis heute"
Es gibt eine Vielfalt an Formaten, die Erinnerungskultur ausmachen, wie jüngst auch Jan Böhmermann in seiner bissig-ironischen Kritik am von SWR und BR geleiteten Instagram-Profil #ich bin sophie scholl veranschaulicht (Sendung: Das Problem mit deutscher Erinnerungskultur, am 18.02.2022). Wenngleich der historische Kontext dieses Seminars ein anderer sein wird, sehen wir uns mit den gleichen Fragen konfrontiert: Welche Formen des Erinnerns gibt es? Damit aber auch: Welche Formen des Vergessens gibt es, die denen des Erinnerns vorausgehen, sie begleiten oder bedingen? Inwieweit bestimmt die Materialität des Erinnerns das jeweilige kulturelle Gedächtnis?
Ausgangs-und Knotenpunkte des Seminars werden ausgewählte Arbeiten zeitgenössischer portugiesischer Künstlerinnen sein, die Praxen der Erinnerung als künstlerische Prozesse verhandeln. Trotz der Heterogenität der Strategien, Techniken und Medien, die dabei zum Einsatz kommen, eint die Positionen der Verweis auf die jüngere Geschichte Portugals im Zusammenhang mit dem Prozess des Nation Buildings. Mit der Nelkenrevolution am 25.April 1974 endete in Portugal nicht nur die Militärdiktatur des „Estado Novo“, sondern auch die Kolonialherrschaft Portugals in Afrika. Die Transformation gesellschaftlicher Strukturen in die einer Demokratie vollzog sich zeitgleich mit der politischen Unabhängigkeitswerdung von Angola, Moçambique, Guinea-Bissau und Kap Verde. Letztere wurden von Unruhen und Bürgerkriegen begleitet, neue Diktaturen in afrikanischen Ländern entstanden. Die instabilen politischen Verhältnisse, Gewalt und die prekäre soziökonomische Lage in den neu formierten Staaten trieb viele lusophone Menschen in die Grenzen der ehemaligen Kolonialmacht. So wandelte sich das Bild von Portugal als letzter autoritärer Diktatur mit klerikal-faschistischen Zügen in der Geschichte Europas zu einem Ankunftsland mit einer heterogenen Bevölkerungsstruktur. In diesem Seminar werden Bedeutung und Konstruktion von Nation aus feministischer Perspektive hinterfragt. Diese ermöglicht das Zusammendenken von marginalisierten Geschichten, Körpern und Identitäten. Die künstlerischen Positionen und theoretischen Diskurse spiegeln Topoi der wartenden, passiven Frau, der Scham, männlicher (politischer) Dominanz und hinterfragen so Narrative und Archive der Nation. Die Auswahl der zu diskutierenden künstlerischen Positionen mit Schwerpunkt auf die bildenden Künste vereint Künstlerinnen unterschiedlicher Generationen. Die einzelnen Positionen treten in eine „intergenerationelle Langzeitkommunikation“ (Assmann 2020) und verweben sich mit der Pluralität der Stimmen im zeitgenössischen feministischen Diskurs, der über den portugiesischen Kontext hinaus diskutiert werden soll.
Sommersemester 2021
Fanti Baum: "Black Feminist Poetic Thinkers"
Ein Lektüreseminar zu Audre Lorde, Christina Sharpe und Saidiya Hartman
The white fathers told us, I think therefore I am; and the black mothers in each of us – the poet – whispers in our dreams, I feel therefore I can be free. Poetry coins the language to express and charter this revolutionary awareness and demand, the implementation of that freedom.
Audre Lorde
the black mother […] – the poet – whispers in our dreams, I feel therefore I can be free – dieses Verständnis von Poesie stellt Audre Lorde einem weißen Denken des I think therefore I am entgegen. Mehr noch begreift Audre Lorde Poesie – hier vielleicht verstanden in ihrem weitesten Sinne als künstlerische Praxis – als „vital necessity of our existence“ und Voraussetzung für Freiheit: Poetry is not a luxury. It is a vital necessity of our existence. It forms the quality of the light within which we predicate our hopes and dreams toward survival and change, first made into language, then into idea, then into more tangible action. Poetry is the way we help give name to the nameless so it can be thought. The farthest horizons of our hopes and fears are cobbled by our poems, carved from the rock experiences of our daily lives. Jene Vorstellung von Poesie – nicht als Traum oder Vision, sondern als „skeleton architecture of our lives“ (Lorde) begreift die Saidiya Hartmann als das Entscheidende Schwarzer feministischer Poesie – und genau jener Moment prägt wohl auch auf besondere Weise ihr eigenes Denken und Schreiben. Schwarze Feministinnen, ergänzt Christina Sharpe, „destroy the world as it is, and imagine, make possible, and make present, all of these ways, the kinds of worlds that we want to inhabit“.
Das Seminar black feminist poetic thinkers wendet sich vor dem hier skizzierten Hintergrund drei feministisch poetischen Denkweisen zu, die nicht zuletzt mit ihrem besonderen – einem beinahe nicht-akademischen – Schreiben über Schwarzes Leben in the wake of slavery (Christina Sharpe) den Diskurs in der zeitgenössischen kritischen Theorie wie in der zeitgenössischen Kunst prägen oder vielmehr umkehren, verkehren, in ihren kritischen Fabulationen (critical fabulation, Saidiya Hartman) von der Position des Ungedachten schreiben (writing from the position of the unthought) – dessen Ausgangpunkt vor allem weibliches Leben ist. Dem feministischen Denken von Audre Lorde, Christina Sharpe und Saidiya Hartman wollen wir im Seminar nachspüren, uns in einem thinking withoder einem thinking in presence of üben – und das heißt zugleich sich radikal zu vergegenwärtigen, dass die westliche Philosophie das Subjekt als radikalen Ausschluss von und als Gewalt gegen Schwarzes Leben denkt.
Das Seminar möchte neben der Lektüre unbedingt auch fragen, wie dekoloniale Praktiken in den Künsten aussehen oder aussehen könnten. Welche künstlerischen Mittel kommen in den vielfältigen Praktiken zum Einsatz – im Vorhaben weiße Institutionen (Museen, Musikorte, Theater, Archive, Kunstakademien) zu dekolonialisieren oder wenn sie fern davon wirken? Und nicht zuletzt: Was ist uns – in aller möglichen Unterschiedlichkeit –, die wir an einer weißen, europäischen Kunstakademie studieren und lehren, mit diesem Denken aufgetragen? Wie können wir mit-denken, ohne Schwarzes feministisches Denken zu vereinnahmen? Und: Inwiefern wirkt zu allererst das eigene Denken und Sprechen gewaltsam? Wie gelingt es über koloniale Gewalt zu reflektieren, ohne diese zugleich zu reproduzieren?
Teilnahmevoraussetzung und Leistungsnachweis: Es braucht die Bereitschaft längere Texte auf Englisch zu lesen. Diskussionen finden vornehmlich auf Deutsch statt, können sich aber auch bilingual (deutsch und englisch) ereignen.
Zur allgemeinen Einführung sei empfohlen: Natasha A. Kelly (Hg.) Schwarzer Feminismus. Grundlagentexte. Münster: unrast 2019, aber auch: Liepsch, Warner, Pees: Allianzen. Kritische Praxis an weißen Institutionen. Bielefeld: transcript 2018
Wintersemester 2020
Yana Eva Thönnes: "Full Surrogacy Now"
"Where pregnancy is concerned, let every pregnancy be for everyone. Let us overthrow, in short, the family." Schwangerschaft ist immer noch ein ungelöstes Problem. Das Seminar “Full Surrogacy Now” wird sich mit dem Mythos Mutterschaft beschäftigen, indem es eine Gegenfigur analysiert: Die Leihmutter. Anhand der Lektüre von “Full Surrogacy Now - Feminism Against Family” von Sophie Lewis werden wir verschiedene Themen rund um das Phänomen Leihmutterschaft beleuchten: Surrogacy (von lat surrogare: ersetzen) interessiert uns zunächst als Phänomen der bezahlten Reproduktionsarbeit, welche in neoliberale Machtgefälle entlang von Gender, Klasse, Race und Kaste verstrickt ist.
In der Untersuchung der Mechanismen, die reproduktive globale Ungleichheiten hervorbringen, werden wir den Markt rund um den “Traum vom genetisch verwandten Kind” sondieren: Fallstudien von indischen sogenannten Baby-Farmen und die globalen Wege von Eizellen, Spermien, den sogenannten commissioning parents und Leihmüttern dienen uns als Grundlage, um das ökonomische Feld zu verstehen. Schließlich fokussieren wir uns auf die Arbeit der Leihmütter selbst, die sich zwischen Affektkontrolle, emotionalem Management, ständiger Verfügbarkeit und Stigmatisierung abspielt.
Im zweiten Teil des Seminars soll der Mythos Mutterschaft als Darstellungsthema der jüngeren Kunstgeschichte sowie zeitgenössischer Positionen beleuchtet werden. Abschließend gilt es zu diskutieren, wie Leihmutterschaft als theoretische Figur und als Praxis ihr queeres Potential entfalten und patriarchale, kapitalistische Konstruktionen von Familie auf den Kopf stellen kann - und nicht zuletzt, wie wir als junge Künstler*innen mit der Frage von Elternschaft persönlich konfrontiert sind.