Nach dem Menschen fragen. Auflösungsentwürfe des Humanen

Nisaar Ulama, M. A.

Seminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik Modul E.02.09)

Dienstag 10.00–14.00 Uhr (zweiwöchentlich)

Beginn: 29.10.2019

Raum: A.EG.01, E.EG.22 (04.02.)

Anmeldung bitte über das Studierendenportal

 

Für Immanuel Kant lief, so ließe sich verkürzt sagen, alle Philosophie auf Anthropologie hinaus und damit auf die Frage: Was ist der Mensch? Während die europäische Philosophiegeschichte reichlich Antworten fand, soll das Seminar einige Gegenentwürfe und Auflösungen des Humanums thematisieren. Das 20. Jahrhundert hat demnach mit dem Überwindungsversuch in Form des Übermenschen (Nietzsche) begonnen, um einen historischen Nullpunkt in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern zu finden – eine Erfahrung, die es möglich machte zu fragen: Ist das ein Mensch? (Levi) Die europäische Philosophie der Nachkriegszeit sah sich deshalb in den Ruinen einer Humanität, die weder mit einem Begriff von Aufklärung (Adorno, Horkheimer) noch der Menschenrechte (Arendt) wiedererrichtet werden konnten. Für Michel Foucault hingegen war allein aus Gründen der historischen Kontingenz möglich, dass eines Tages "der Mensch verschwindet wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand."

Für eine ganze Reihe von Theoretikern/innen im Horizont des Posthumanen (Haraway, Braidotti, Hayles) wäre mit diesem Verschwinden, oder ebenso: der Verflüssigung und Dezentrierung des Menschen erst der Weg frei für eine Anerkennung von nicht-europäischen, nicht-heteronormativen Konzepten des Menschen. Es wäre auch das Eingeständnis, dass wir vielleicht noch nie modern gewesen sind (Latour) und immer schon in ganz anderen, porösen (Tuana) Verhältnissen zu Materie standen. Und schließlich würde vielleicht erst ein solches Denken anerkennen, dass die Frage: Was war der Mensch? von einer theoretischen Konstruktion zu einer empirischen Möglichkeit geworden ist.

 

 

Schreiben, Lesen, Kritisieren: Textwerkstatt

Nisaar Ulama, M. A.

Seminar (Freie Kunst FK-T2)

Dienstag 10.00–14.00 Uhr (zweiwöchentlich)

Beginn: 22.10.2019

Raum: A.EG.01, E.O2.29 (22.10.), E.EG.22 (05.11., 19.11., 28.01.)

Anmeldung bitte über das Studierendenportal

 

In dem Seminar wollen wir uns mit dem Schreiben über und als Kunst beschäftigen. Dazu werden wir Texte lesen, die sich mit Schrift, Sprache und Theorie-Praxis-Verhältnissen beschäftigen. Im Vordergrund aber soll die Praxis und damit das Schreiben, Vorlesen und Besprechen von Texten der Teilnehmer/innen stehen. Die Textgattungen können dabei eine Auseinandersetzung mit der eigenen künstlerischen Arbeit oder aber philosophische oder literarische Versuche miteinschließen. Das Seminar zielt damit nicht nur auf eine Praxis des Schreibens, sondern auch auf die Frage, welche Formen von Kritik – im Sinne einer begrifflichen Differenzierung und Beurteilung – wir für sinnvoll, hilfreich oder angemessen halten.

 

 

Grundlagen der Kunst- und Kulturgeschichte / Einführung in die Kunstgeschichte und Philosophie

Seminar (Freie Kunst FK-T1 sowie Kunstpädagogik Modul D.01.09)

Pflichtveranstaltung für Studierende im 1. Sem. der Freien Kunst und der Kunstpädagogik Prof. Dr. Dietmar Rübel / Sarah Sigmund, M. A. / David Weber / Samira Yildirim, M. A.

Dienstag 16.00–18.00 Uhr (wöchentlich)

Beginn: 22.10.2019 im Raum E.EG.28

Raum: E.EG.28, E.O1.23, E.O2.29

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Die wöchentliche Veranstaltung zielt auf die Vermittlung von Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens, insbesondere in Kunstgeschichte und Philosophie. An exemplarischen Beispielen wird ein Überblick über die Geschichte der Kunst sowie die wichtigsten Methoden sowie Themenfelder der Kunstgeschichte und Philosophie geboten. Dazu werden ausgewählte Kunstwerke in Verbindung mit ausgewähl­ten Texten (Primärquellen sowie Sekundärliteratur) gemeinsam diskutiert. Zudem besuchen wir die für die Geschichte und Theorie der Kunst wichtigen Museen und Bibliotheken. Der Bibliotheksbesuch dient auch der Einführung in die Literaturrecherche; zudem werden rele­vante Internetressourcen vorgestellt und Hinweise zum Erstellen von Referaten und Hausarbeiten gegeben.

Leistungsnachweis: regelmäßige Teilnahme (mind. 80 % Anwesenheit)

 

 

Reproduktion, Zirkulation, Migration. Gegenwärtige Positionen der Ästhetik

David Weber

Blockseminar für Diplomkandidat*innen (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4)

Termine: 17.10. 13.00–17.00 Uhr, 18.10. 10.00–18.00 Uhr, 19.10. 10.00–16.00 Uhr

Raum: E.O1.23

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Das Blockseminar bietet eine schlaglichtartige Kartierung zeitgenössischer ästhetischer Theorie im Anschluss an prominente Positionen der Moderne und Postmoderne. Aufgegriffen werden Begriffe wie Reproduktion und Reproduzierbarkeit (Benjamin), der Medienspezifik (Greenberg, Fried, Krauss), der Dissemination (Derrida, Barthes) und des Simulakrums (Baudrillard, Deleuze), um ihre diskursgeschichtlichen Transfers in Theorieentwürfe nachzuzeichnen, die sich bemühen, spezifisch zeitgenössische Phänomene zu erfassen. Es geht dabei u.a. um die Verflüssigung und Entgrenzung der Reproduktion im Zeitalter digitaler Netzwerke, wo Aspekte der Dematerialisierung (Lucy Lippard) und der Rematerialisierung („Post-Digital“, Diana Coole) in einem eigentümlichen Double-Bind verschaltet sind. Schon spätestens in den 70er Jahren (Pictures, Crimp) hatte sich die gleißende Tiefe reproduzierter Oberflächen erwiesen; diese gewinnt unterdessen als Zirkulation in den Netzen eine veränderte Dynamik und propagiert Modifikationen im Status der Werke und Autorschaft (Joselit, Steyerl, Price). Gibt es also eine New Aesthetic (Bridle, Sterling, Manovich, Galloway) im Kontext eines post-postmodernen, millennialen Mindsets (New Sincerity, Foster Wallace, Tao Lin)? Die Globalisierung qua Datennetzen ist dabei nicht zu trennen von den Bewegungen der Kulturen, Waren und Menschen: Phänomene der Afroisierung markieren, neben anderen, die Tatsachen verallgemeinerter Migration: Sei es modernistisch-optimistisch: Afro-Futurismus (Anderson, Delaney, Eshun); skeptisch-militant: Afro-Pessimismus (Sexton, Moten, Wilderson); oder post-Ferguson thetisch: This is … Afro-Surrealismus

(T. Francis, D. Glover, T. Nance).

 

 

Exposure: Schreiben und Leben. Autofiktion als Chiffre der Existenz im Millennium

David Weber

Seminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik Modul E.02.09)

Freitag 10.00–14.00 Uhr

Termine: 25.10., 08.11., 15.11., 06.12., 17.01., 31.01.

Raum: E.O1.23, E.O2.29 (08.11.), E.EG. 22 (31.01.)

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It’s a common believe that something exists when it’s part of a narrative.

—Kathy Acker, Great Expectations (1982)

 

I’m not interested in character because I don’t think character exists anymore.

—Rachel Cusk, A Conversation (2018)

 

Gegenwärtig findet sich ein besonders ambitionierter Teil der kulturellen Produktion durch die Kennzeichnung (Schlagwort? Hashtag?) „Autofiktion“ beschrieben. Das gilt v. a. für angelsächsische literarische Arbeiten (Chris Kraus, Tao Lin, Sheila Heti, Rachel Cusk, u. a.), franst derweil aber über die Gattungsgrenzen aus, siehe etwa die TV-Serien „Girls“ (Lena Dunham) oder „Atlanta“ (Donald Glover). Zwar wurde der Begriff bereits 1977 von Serge Doubrovsky geprägt, zu einer Zeit, in der poststrukturalistische und feministische Theorie und Kunst ein verschärftes Augenmerk auf Rollen, Gender-Stereotypen und Formate richteten (Cindy Shermans „Untitled Film Stills“, ab 1977). Der Vorbehalt gegenüber unvermitteltem Ausdruck des eigenen Selbst, den Doubrovsky mit der Gattungsverschiebung von „Autobiographie“ hin zu „Autofiktion“ vornahm, scheint aber gerade unter den gegenwärtigen, „millennialen“ Verhältnissen plausibel, die durch Phänomene wie Post-Truth, #MeToo und „Profilsubjekt“ (Andreas Reckwitz) gekennzeichnet sind. Jene Autoren/innen, die niemals bewusst außerhalb und ohne digitale Netze gelebt und produziert haben („Millennials“), erfahren ihre Subjektivität in der Crux von Profil („Identität“) und Profilierung. Olivia Sudjic hat in diesem Zusammenhang von einer verallgemeinerten „exposure“ (zumal gegenüber dem digital durchwirkten Sozialen) gesprochen. Laut Rachel Cusk bleibt von der alten romanhaften Person, die sich im Leben wie im Roman „entwickeln“ soll, nur eine flächige „outline“. Das Seminar macht mit Positionen und Geschichte der Autofiktion vertraut und befragt ihre Triftigkeit für die Kenntnisnahme kultureller wie ästhetischer Gegenwart.

 

 

C`est moi qui dors – Ein Seminar zu Chronopolitik, Schlaf und Subversion

Mirja Reuter

Blockseminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik E.02.09)

Freitag 10.00–14.00 Uhr

Termine: 18.10., 22.11., 29.11., 13.12., 10.01., 24.01.

Raum: E.O1.23, E.EG.28 (18.10.), A.EG.01 (24.01.)

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 „Letzte Nacht wurde alles in einen Stillstand versetzt – außer mir...“ lautet es in einem Zwischentitel in René Clairs Stummfilm Paris qui dort (1925) aus dem Mund des Eiffelturm-Wächters. In diesem Fall ist damit allerdings nicht der täglich wiederkehrende Schlaf, der die Menschen immobilisiert, gemeint, sondern eine von einem Wissenschaftler entdeckte Strahlung, die Teile der Welt in Stagnation versetzt. Stadtbewohner/innen am Lenkrad, im Sprung begriffen oder im Restaurant konsumierend, sie alle zeigen sich in ihren Handlungen erstarrt. Diese künstlich erzeugte Zäsur lädt den Wächter ein, sich alltäglichen Bewegungsabläufen zu widersetzen und diesen besonderen Zustand für sich zu nutzen.

Das Seminar C`est moi qui dors greift diesen intervenierenden Ansatz des Akteurs auf und richtet den Fokus auf die Frage, wie sich ein Entziehen aus starren Zeitkonzepten denken lässt und  künstlerisch produktiv werden kann. Dabei werden verschiedene Zeitordnungen vorgestellt, unterschiedliche Erscheinungsformen untersucht und die Problematik einer Visualisierung zeitlicher Phänomene diskutiert.

Zeit wird in diesem Zusammenhang als eine grundlegende Dimension verstanden, die menschliche Wahrnehmungen, Erfahrungen und Handlungen strukturiert. Welche ökonomischen Fragestellungen damit einhergehen und wie sich diese seit der Industrialisierung transformieren, soll im Seminar aus unterschiedlichen Perspektiven erforscht werden. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auch auf dem Schlaf. Als einem der letzten Rückzugsorte in einer dauerwachen Gesellschaft kommt ihm eine besondere Rolle innerhalb einer chronopolitischen Debatte zu.

Anhand von Beispielen aus der bildenden Kunst werden mögliche Strategien der Unterbrechung, des Stotterns, des Pausierens, des Nicht jetzt! als bewusste Techniken des Unterlaufens vorgestellt und gemeinsam diskutiert. Die Lektüre ausgewählter Texte dient dazu, den Blick auch für wahrnehmungstheoretische Überlegungen zu schärfen, gegenwärtige Effekte zu benennen und die eigene Eingebundenheit innerhalb chronopolitischer Prozesse zu hinterfragen. 

Zur Einstimmung http://www.ubu.com/film/clair_paris.html

 

 

Grundzüge des medienökologischen Denkens

Dr. Aljoscha Weskott

Blockseminar (Freie Kunst FK-T2 und FK-T4 sowie Kunstpädagogik E.02.09)

Termine: 16.01. 13.00–17.00 Uhr, 17.01. 10.00–18.00 Uhr, 18.01. 10.00–16.00 Uhr

Raum: E.O2.29 (16.01., 17.01.), A.EG.01 (18.01.)

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Techno-Ökologien, Gender-Ökologien, politische, post-kinematografische, posthumane Ökologien, Ökologien der Literatur, der Infrastruktur, des Ökonomischen, des Wissens, der Gefühle, der Kunst: Diese allgemeine Ökologisierung des Denkens ist nicht nur an Umweltzerstörung und Klimawandel im Zeitalter des Anthropozäns gebunden. Das Seminar widmet sich dem neuen, vor allem kultur- und medienwissenschaftlichen Hype um Medienökologien und diskutiert diese an aktuellen Ansätzen zu Digitalität und digitalen Medien. Dabei wird deutlich, dass Medienökologie eng an Medienästhetik gebunden ist. Der erste Teil des Seminars erarbeitet ein komplexes Verständnis von Medienökologien. Was heißt es, wenn digitale Medien heute nicht nur alles und jeden umgeben, wir sie immer schon und ständig durchqueren müssen und sie selbst Weltzusammenhänge transformieren? In Weiterführung von Marshall McLuhan und Neil Postman diskutieren wir Medienökologieverständnisse als Konfigurationen und Interaktionen von Menschen und Maschinen, Lebewesen und Technologien als ein Beziehungsgeflecht aus "Natur und Medien" (Jussi Parikka) oder schlicht als eine neue "Environmentalität" (Erich Hörl) im "planetarischen Kapitalismus" (Felix Guattari). Darin stoßen wir auch auf einen Ökologiebegriff, der ohne Natur auskommen möchte (Timothy Morten). Der zweite Teil des Seminars lotet unter medienökologischen Gesichtspunkten sowohl neue Formen von Kontroll- und Überwachungsgesellschaften als auch politische, ästhetische und affektive Potentiale aus. Medienökologien ist auf das Spannungsverhältnis von Kontrolle und Kontrollverlust ausgerichtet. Wie das Digitale als eine andere Ökologie verstanden werden könnte, veranschaulicht die afroamerikanische Künstlerin Legacy Russel. Der von ihr ins Leben berufene Begriff des Glitch-Feminismus ist auf Störungspotentiale ausgerichtet. Das Digitale ist ein Gefäß, durch das sich ein Glitch-Werden verwirklicht und durch das binäre Geschlechtercodierung neu programmiert werden können. "Glitch" ist somit eine Korrektur der digitalen Maschine. Eine solche Perspektive impliziert eine Vernetzung sozialer Prozesse mit der Bildwelt, sei es im Modus der Kontrolle, der Öffnung, der Verbindung. Medienökologie zeigt sich in aktuellen Debatten auch als eine nicht unproblematische Medienpädagogik. Es taucht darin ein Ökologieverständnis auf, das auf Ausgewogenheit und natürliches Gleichgewicht ausgerichtet ist, d.h. auf einen bewussten Gebrauch und Verbrauch von Medien. Das Problem des sog. "Digital Detox" soll dabei einen Ausgangspunkt bilden, um sich einem zeitgenössischen Verständnis von Medienökologie kritisch zu nähern.

 

 

Forschungskolloquium (für Masterabsolventen, Doktoranden und Post-Doktoranden)

Nisaar Ulama, David Weber

Termine: 06.11., 11.12., 14.30 – 18.30 Uhr

Teilnahme nur nach Anmeldung unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein..

 

Das Forschungskolloquium bietet die Möglichkeit, laufende philosophische, ästhetische oder kunsttheoretische Qualifikationsarbeiten vorzustellen und zu diskutieren.

 
 

 

Leistungsnachweise für alle Veranstaltungen des Lehrstuhls für Philosophie:

Für Modul Kunstpädagogik E.01.09 und Freie Kunst FK-T2 regelmäßige Teilnahme (mind. 80 % Anwesenheit), Anfertigung eines Reaktionspapiers oder Essays (3 bis 5 Seiten);
für Modul Kunstpädagogik E.02.09 und Freie Kunst FK-T4 regelmäßige Teilnahme (mind. 80 % Anwesenheit), Anfertigung einer Hausarbeit (mind. 10 Seiten).

Die Veranstaltungen von Prof. Dr. Marietta Kesting (Medientheorie) können ebenfalls als Philosophie-Scheine angerechnet werden. Siehe aktuelles Semesterprogramm des cx.